BAHN Epoche 26, 2018 Frühjahr - Bahnsteigleben!

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BAHNEpoche

 Frühjahr 1

Deutschland € 1,Österreich € 1, Schweiz SFr 1,

BeNeLux € 1, Italien, Spanien € 1, Norwegen NOK 1

BAHNEpoche

www.bahnepoche.de

Geschichte, Kultur und Fotografie der klassischen

Eisenbahn

Bahnsteigleben! Aufbruch und Alltag zwischen den Zügen

DVD! Mit Exklusiv-

Vom Student zum Werkdirektor im Osten Tunnelaufschlitzung bei Köln 1/

Weg als aufrechter Christ

Unfall auf 1  vor Papenburg (Ems)

Bau über dem rollenden Rad Führerstand in Flammen

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WILLKOMMEN

S

obald Sie diese Ausgabe druckfrisch in Ihren Händen halten, werden wir Mitteleuropäer den gefühlt dunkelsten und feuchtesten Winter des letzten halben Jahrhunderts fast überwunden haben und uns hoffentlich am Sonnenschein bis in die frühen Abendstunden erfreuen können. Eine Art Tag- und Nacht-Gleiche der Geschichte hat sich indessen besonders für uns Deutsche ergeben: Die Mauer ist nun länger weg als es sie gegeben hat. Diese Konstellation dient der Vermessung unseres Zeitgefühls. Zum einen wird die Erinnerung an die Nachkriegszeit mehr und mehr der Geschichte übergeben, zum anderen der Mauerfall als Start einer Lebensbeschleunigung erlebt, die bis heute anhält. Sich mit der deutsch-deutschen Eisenbahngeschichte zu beschäftigen und dabei das getrennt wie gemeinsam Geleistete mit Respekt hervorzuheben, das ist in den Genen der BAHNEpoche verankert. Dieses Magazin hat ein Gespür für Vergänglichkeit und Beständiges auf seine Dampffahnen geschrieben – selbst wenn es sich nur XPHLQHÅODQJHÁDFKHXQGEDQDOH,PPRELOLHIUGLH0RELOLHQGHU eisernen Bahn“ handelt: Richtig, der Bahnsteig! „Er ist ein Sprungbrett zwischen Heimat und Ferne“, meint Joachim Seyferth, „und im wahrsten Sinne des Wortes ein zugiger Ort. Mal gähnend leer, mal schwarz vor Leuten, mal trostlos und immer Theater.“ Diese *HGDQNHQXQGGLHSDVVHQGHQ)RWRJUDÀHQGD]XOHJHQZLUZLHHLnen roten Teppich für Sie in unserer Titelgeschichte aus! Seitdem es das Verkehrsmittel Eisenbahn gibt, steht eine Bahnsteigkante, die Schwelle zum Abfahren, sinnbildlich auch für Hoffnung auf neue Horizonte und Chancen. Gewissermaßen stehen wir Menschen doch alle an einer Bahnsteigkante. Ortswechsel? Hm, wenn es sein muss. Aber wo ankommen? Hoffentlich nicht auf einem der vielen tausend auf grausame Weise geschliffenen Haltestellen und Kleinstadtbahnhöfen von Station & Service der DB AG: Örtlichkeiten, an denen einem beim Aussteigen weder individuelle Lebensart noch anheimelndes Willkommensgefühl entgegenweht, sondern brutale Kälte, die nur einen Gedanken nahelegt – Flucht! Das möchten wir Ihnen nur in einer homöopathischen Dosis zumuten. Eine Zeitenwende für sich, zumindest für Eisenbahner wie für Eisenbahnfreunde, stellt die mit der Bahnreform gegründete Deutsche Bahn AG dar. Sie ist nicht erst seit dem letzten Sturm mit reichlich Gegenwind unterwegs, dass allenthalben der Wunsch nach einer Reform der Reform wächst. Selten werden kritische FraJHQDQ0LWJOLHGHUGHV%DKQYRUVWDQGVUHÁHNWLHUHQGEHDQWZRUWHW'LH Mühen der Ebene, das Knirschen im Alltagsgetriebe ist nicht ihr Fachgebiet. Als Spitzenmanager verfügen sie über einen Mitarbei-

terstab, der jeden exakt auf Interviews vorbereitet oder neuralgische Ansinnen weichspült bis vermeidet. Anders Ingulf Leuschel, der vor seiner Pensionierung 2016 über zehn Jahre im Zirkel um den Vorstand und die Vorstandsvorsitzenden der DB arbeitete, und über dessen 50-jährige Laufbahn bei der Staatsbahn vor kurzem ein Buch mit dem Titel „Haltepunkte“ erschienen ist. Von der Pike auf Eisenbahner, nimmt Leuschel im Interview auch Stellung zu aktuellen Diskussionspunkten – zu lesen ab Seite 76. Im vergangenem Heft druckten wir bis dato unbekannte FotoJUDÀHQDXVGHQVSlWHQ]ZDQ]LJHU-DKUHQGLHHLQ6WXGHQWYRQ/Rkomotiven und Reisezügen in Berlin und München geschossen hat. Nun stellen wir Ihnen dazu den Mann und seine ebenso außergewöhnliche Karriere bei der Eisenbahn vor: Karl-Otto Petersens HSRFKHQEHUJUHLIHQGH ZLH KLQUHL‰HQGH %LRJUDÀH ZHUGHQ ZLU LQ dieser und der folgenden Ausgabe ausbreiten. Wir zeigen einzigartige Originaldokumente, die im Familienbesitz erhaltengeblieben VLQG3HWHUVHQVEHUXÁLFKHU:HUGHJDQJQLPPWLP1DWLRQDOVR]LDOLVmus Fahrt auf. Aber anders als damals üblich. Anstatt der NSDAP trat er 1934 der Bekennenden Kirche bei; in der Berliner Nachbargemeinde von Pastor Niemöller. Welche Verlockungen und Fallstricke Petersen als aufrechter Christ fortan mied und dennoch EHUXÁLFKDXIVWLHJVFKLOGHUW:LOIULHG.RKOPHLHUDE6HLWH Fritz Wolffs niedergeschriebene Episoden aus seiner eigenen Heizerzeit machen Vergangenes wieder lebendig. Das klingt einfacher als es ist. Seine Suche nach Angehörigen und Nachfahren seines unvergessenen Ottberger Lokführers Fritz Raulfs – er spielt in dieser BAHNEpoche eine Rolle – glich einem Puzzlespiel. Wolff fasst es folgendermaßen zusammen: „Das Telefonbuch brachte eine Frau Henriette Raulfs zum Vorschein. Anrufe schlugen aber fehl. 'LH1DFKIUDJHEHLHLQHUÄ8U(LQZRKQHULQΫEUDFKWHNHLQHUPXWLJHQdes Ergebnis: Henriette Raulfs sei zwar die Ehefrau von Fritz Raulfs gewesen, aber schon vor vielen Jahren verstorben. Jetzt würde unter der angegebenen Anschrift eine Familie Weber wohnen. Noch am selben Abend kam ich an der Theke des (heute) einzigen Gasthofs PLWHLQHPDQGHUHQÄ8U(LQZRKQHUΫLQV*HVSUlFKGHUPLUHU|IIQHte, dass die Familie Weber sehr wohl etwas mit der Familie Raulfs zu tun habe: Es handele sich um den Großneffen von Fritz Raulfs sowie dessen Frau und dessen Kinder. Am nächsten Morgen drücke ich auf die Haustürklingel der Familie Weber. Ich werde ungemein freundlich empfangen. Wenige Tage später meldet sich der (bei Braunschweig lebende) Sohn von Fritz Raulfs und wir verabreden uns zu einem Treffen. Dabei übergibt er ein Bild meines ehemaliJHQ/RNIKUHUVGDVKLHULQGLHVHP+HIWDXI6HLWH]XÀQGHQLVW´ Und das alles nur für ein Porträtfoto. So sind wir. Bleiben Sie dran. Herzlich Ihr

Verwunschen. Als Martin Stertz, Thomas Bentien, Konrad Koschinski und Robin Garn das Bahnsteigende von Berlin-Reinickendorf besuchten, befand es sich im Dornröschenschlaf (1..). Erst die Deutsche Einheit küsste es wach.

Vertraut. Ingulf Leuschel, im großen Bahnhof seiner Heimatstadt Hamburg, mit dem Buch „Haltepunkte“ über seine  Dienstjahre.

Verzückt ist Wolfgang Matussek, der im Novemberregen einen Kaffee von Fahrdienstleiterin Jana bekommt.

www.hobbymagazines.org TITELFOTOS: ROBIN FELL/EISENBAHNSTIFTUNG; SAMMLUNG FAMILIE PETERSEN, FISCHER/EISENBAHNSTIFTUNG, WOLFGANG STAIGER FOTOS SEITE 3: MARTIN STERTZ, ROBIN GARN, WOLFGANG MATUSSEK

Frühjahr 1 · BAHN Epoche



FAHRPLAN

BAHNEpoche

Geschichte, Kultur und Fotografie der klassischen Eisenbahn

Ausgabe  Frühjahr 1

1 München Hauptbahnhof. Auf Gleis 1 hat eine zweidomige Wannentender-P ihren Zug rückwärts in die noch in Bau befindliche Haupthalle gebracht. Reisende umringen den Stand eines Zeitschriftenhändlers. Die Schlagzeilen der Tagespresse handeln von der Todesstrafe und der verweigerten Einreise für die „SowjetElf“. Pralles Bahnsteigleben am . August 1.

    1



WILLKOMMEN

1

Schärfe ist nicht alles

FAHRPLAN

1

BAHNPOST



KINO

Berlin-Express



Tunnelaufschlitzung über dem rollenden Rad





BAHNOPTIKUM

Oberhof unten durch



ROLLBAHN

1 1: Zerstörung und Wiederauferstehung einer Rollbahnlok

Aachen – Köln (1/)

Aufbruch und Alltag zwischen den Zügen

ZEITMASCHINE

Burg (bei Magdeburg): 1-Abdankung auf der er

TITEL

Bahnsteigleben

Ein Brief der Behördenbahn

  

MEISTERWERK

ARBEITSWELT

Mann im Feuer Ursachen und Folgen des Führerstandbrandes auf 1 



ARBEITSWELT



INTERVIEW

Nee, so fahr’ ich nicht weiter …  Jahre Eisenbahner und ein bisschen weise Ingulf Leuschel () über seine vielseitige Karriere von 1 bis 1

www.hobbymagazines.org 

BAHN Epoche · Frühjahr 1

FOTOS: STEFAN PFÜTZE, SAMMLUNG FAMILIE PETERSEN; BD KÖLN/SLG. INGO HÜTTER, WOLFGANG STAIGER, H. FÖRST/SLG. INGULF LEUSCHEL

 

STREIFLICHT



PORTRÄT

Sonderzug nach Istrien – Ulbricht fährt nach Jugoslawien

 

DAS BESONDERE BILD



STADTRUNDFAHRT

Der glücklose Gigant

Dienst an der Heimatfront

Karl Otto Petersen

Meine Mutter als Schaffnerin auf der Linie 1 der Nürnberg-Fürther Straßenbahn

Der Karriereweg eines aufrechten Christen (I)

 

SEHNSUCHTSORT

Tschechische Staatsbahn

Geschätzt, gepflegt – und herrlich weiblich 

DAMPFEISENBAHN

Unser täglich Dampf 1 Leistungsbilanz deutscher Schmalspurbahnen

 

NAH DRAN



SALONWAGEN



NEULICH . . .

Großer Mann, was nun? Frau am Zug. Empfehlungen aus der Medienwelt . . . kam ein Teil von ihr zu mir

 

VORSCHAU, IMPRESSUM ZUGSCHLUSS-LATERNE

www.hobbymagazines.org FOTOS: STADTARCHIV FÜRTH, SAMMLUNG LUTZ JORDAN; WOLFGANG MATUSSEK, STEFAN LOHR

Frühjahr 1 · BAHN Epoche



BAHNPOST Mit Freude haben wir in Heft 25 gesehen, was Ihr Magazin fast 90 Jahre später aus dem kleinen Fotoalbum meines Großvaters Karl-Otto Petersen gezaubert hat: Ein Fotobericht vom Feinsten! Meinen Sohn Sebastian (14) und meine Ehefrau Sylvia waren von dem PetersenArtikel ganz gefesselt. Auch unser Onkel ... in Pilsen wird sich über den Bericht freuen, der dort gerade an seinem dritten Eisenbahnbuch schreibt. Wir wünschen den Lesern und Mitarbeitern der BAHNEpoche noch ein gutes 2018! DRES. CHRISTIAN UND SYLVIA KOEPPE (HOFHEIM/TAUNUS)

BAHNEpoche-Titel 1 bis 

Der Vorteil der BahnEpoche ist ja, dass nicht nur die Lokomotive gesehen wird, sondern auch das bahnlebendige und gesellschaftliche Drumherum. JÜRGEN HAGEMANN (HALSTENBEK) Leserbriefe und Kommentare zur BAHNEpoche

Wie immer wartete ich mit Hochspannung auf die facettenreiche neue BAHNEpoche. Dieses Mal klar verständlich: als Ex-Lokführer des Bw Saalfeld hatte mich die Geschichte von Kollege Köllner, wie er mit dem E 802 Ende 1978 in die Schneekatastrophe fuhr, am meisten gefesselt. Im Grunde genommen steckte ich, etwas zeitversetzt, ebenfalls voll im damaligen Winterschlamassel. Meine Schicht auf 01 0522 Silvester/Neujahr 1978/79 von 23.45 – 11.15 Uhr wurde zu Makulatur. Ich kam von Pößneck nicht nach Saalfeld. Der Busfahrer weigerte sich vehement in Bewegung zu setzen und das mit Recht. So kämpfte ich mich über verschneite glatte Wege von der Bushaltestelle in das neue Jahr hoch zum Bahnhof, in der Hoffnung, mit dem „Lumpensammler” P 8029 ab Pößneck 0.47 Uhr nach Saalfeld zu kommen. Im %DKQKRI HPSÀQJ PLFK HUVW einmal eine lebenserweckende Wärme drinnen beim Fahrdienstleiter. Gesundes Neues wünschend wurde mir gleich ein Kaffee gereicht. Über die Sprechanlage sowie ständige Telefonate kam mir das ganze Unheil draußen in der Natur zu Ohren. Alles außer Rand und Band. Irgendwann kam dann P 8029, sodass ich 1.30 Uhr winterfest gekleidet in der Lokleitung stand.

Nun wurde es ernst. Wir rotieren um die Lok schnell wieder einsatzfähig zu bekommen. Unser Planzug P 4000 Abfahrt 5.26 Uhr nach Camburg bespannten wir so, wie das Wagenmaterial zur Verfügung stand.

schichte geschrieben werden. Und es ist unsere eigene, gemeinsame! Auf einem Foto auch unser S-Bahn-Idol Kittlaus. Es ist alles richtig, was Sie drucken. Und doch so ungewöhnlich für eine Publikation, die vermeintlich Eisenbahnfreunde-Sentimentalitäten bedient. Hier kann man wirklich jeden Satz zweimal lesen. Und hinter jedem steht das wahre Erleben. Deswegen ist die 015-Geschichte vom 31.12.78 so stark. Null Nostalgie. Und wie unterschiedlich und von woher sich das speist, was unsere Bindung an die Eisenbahn ausmacht; Familiengeschichte, Pennälerhobby, Technikfaszination, Abenteuerlust … schließlich der Dampf. KLAUS HONOLD (DARMSTADT)

Zurück hatten wir den P 3003 ebenfalls weit außer Fahrplan, aber noch zu verkraften. Der +DPPHU ÀHO EHL PLU  Uhr. Anschließend versuchte ich ungewaschen irgendwie so schnell wie möglich nach Hause zu kommen. Froh, endlich wieder daheim zu sein, kam der Knaller, wie bei Bernd Köllner auch: Kein Strom im Neubaugebiet wie in der ganzen Stadt! RALF GÖHL (MARBURG) Großartig Knipping mit der DDR-Geschichte. Ohne Häme, ohne falschen Zungenschlag. So muss (Eisenbahn-) Ge-

Passend zum Winterwetter draußen habe ich die neue BAHNEpoche an diesem Wochenende gelesen und es war wieder mal ein Vergnügen. Gut gefallen hat mir der Essay „Erinnerungen an die Zukunft“. Es

ist für unser Hobby bei aller Kritik an manchen Zuständen bei der Bahn heute wichtig, nicht nur nach hinten zu schauHQ Å3DQWD UHL´ ² DOOHV ÁLH‰W das wussten schon die alten Griechen. Dies ist in vielen Bereichen der Gesellschaft so und damit natürlich auch bei der Eisenbahn. Deren Umfeld hat sich in den letzten 20 Jahren aus vielerlei Gründen rasant verändert und es müssen Antworten auf diese Herausforderungen gegeben werden, das sich nach Gestern ausrichten und Jammern nutzt in meinen Augen wenig. WERNER RECKERT (NORDWALDE)

Die Bahntafel, die wir im Tempelhofer Südgelände dank Ihrer Unterstützung mit schönen Fotos erstellen konnten, wurde inzwischen gegenüber der Lok 50 3707 aufgestellt und erfreut sich großer Beliebtheit, wie hier am 1. Adventswochenende anlässlich des kleinen Weihnachtsmarkts. IM AUFTRAG KATRIN HEINZE (SEN UVK, BERLIN)

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BAHN Epoche · Frühjahr 1

Nachlösekarte Sehr geehrter Herr Bloem, mit Interesse habe ich Ihren Artikel über die Baureihe  gelesen. Ich erinnere mich an diese Dampflokomotive, die in späteren Jahren auch in meiner Kasseler Heimat zu sehen war. Allerdings eher selten. Nun haben sich beim Lesen Ihres Artikels zwei Fragen aufgetan, die ich Ihnen vortragen möchte und für die ich gern Antworten hätte: Wenn die ersten Exemplare der Baureihe  schon 1 ausgeliefert wurden, dann sind Idee und Entwicklung bestimmt schon vor 1 bei der „alten“ Reichsbahn entstanden, kamen aber wegen des Kriegsendes nicht mehr zur Ausführung. An anderer Stelle habe ich gelesen, dass auch die DDR-Reichsbahn etwa zur gleichen Zeit eine Neuentwicklung der  hatte. Deshalb vermute ich, dass beide er des gleichen Ursprungs sind, also schon aus der gemeinsamen Reichsbahn stammen. Wie ähnlich sind sich denn die beiden „er“ gewesen? Gibt es dazu Informationen? KLAUS OSKAR RUPPEL (CREMLINGEN)

Sehr geerhter Herr Ruppel, Über Ihr Interesse an meinem „Nahdran“-Essay betreffend die  der DB habe ich mich gefreut. Gerne komme ich Ihren Fragen nach. Tatsächlich haben die Neubauloks  DB und 1 DR in der  der alten DR (also den beiden 11 in Dienst gestellten  1 und ) sozusagen ihre Wurzeln; die beiden deutschen Bahnverwaltungen in West und Ost standen ja prinzipiell wie schon die alte DR vor der Notwendigkeit, eine Nachfolgerin für die in die Jahre gekommene P  zu schaffen.

Korrespondenz zur BAHNEpoche  Beim Kessel hat man dann allerdings in West wie in Ost gänzlich neue Wege beschritten und insbesondere, bei konsequenter Anwendung der Schweißtechnik, die Strahlungsheizfläche (Heizfläche der Feuerbüchse) vergrößert und die Berührungsheizfläche (Heizfläche der Rauch- und Heizrohre) verkleinert. Das geschah durch Einbau einer sogenannten Verbrennungskammer, die sich an Rostfläche und Feuerschirm nach vorn (in den Langkessel hinein) anschließt. Dabei bestehen zwischen der westdeutschen und der ostdeutschen  ( und 1) insofern Unterschiede, als dass die Rostfläche der ostdeutschen  größer ist als die der westdeutschen, was zur Folge hat, dass die ostdeutsche Maschine unempfindlicher gegen Kohle minderer Qualität ist als ihre westdeutsche Schwester (die eine sehr überlegte Feuerführung seitens des Heizers erfordert und auf Fehler in der Feuerführung sensibel reagiert). Ein weiterer Unterschied zwischen „West und Ost“ ist, dass die westdeutsche Maschine einen veränderlichen Achsdruck der angetriebenen Achsen (von 1 auf 1 t) hat, während die ostdeutsche Maschine über diese Möglichkeit nicht verfügt. Äußerlich haben beide Varianten bekanntlich nur geringe Ähnlichkeit, technisch aber liegen keine Welten zwischen ihnen. Und beide können für sich in Anspruch nehmen, Hervorragendes geleistet zu haben. Ich hoffe Ihnen auseichend Antwort gegeben zu haben und verbleibe mit besten Grüßen HENDRIK BLOEM

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BAHNPOST

Nachlösekarte

Ergänzung zur BAHNEpoche 

Zum bevorstehenden Ende des Dampflokeinsatzes bei der DB im Herbst 1

Ein Brief der Behördenbahn

DOKUMENT: SAMMLUNG WANNER, FOTO: WOLFGANG STAIGER

L

etzte Spekulationen, das von der Bundesbahn festgelegte Dampf-Ende würde sich irgendwie verzögern, schwanden im Sommer 1977 rapide dahin. Ja, ein Hauch von Wehmut hatte YLHOHYRQXQV'DPSÁRNIUHXQGHQHUJULIIHQOLH‰GRFKGLH'% in all ihren Verlautbarungen keinen Zweifel an der Umsetzung ihres Entschlusses aufkommen. Schon im August 1971 titelte Rad und Schiene, die DB-eigene „Zeitschrift für alle Freunde(!) GHU(LVHQEDKQ´Å$E1LFKWUDXFKHUά´6WRO]YHUZLHVPDQ DXI7RQQHQZHQLJHU5X‰DOV]HKQ-DKUH]XYRUXQGJHwärtigte ein Absinken auf Null vier Jahre später. Das 1975er Ziel war zu unserer Freude zwar nicht realisierbar, aber irgendwann geht jede Frist unerbittlich zu Ende. Ohne einen Sinneswandel der Bahn ernsthaft in Betracht zu ziehen, plädierte ich im Juni 1977 in einem Schreiben an die DB-Hauptverwaltung gleichwohl für eine Verlängerung des Dampfbetriebes auf seinen letzten Strecken oder wenigstens IUGHQ(LQVDW]HLQ]HOQHU'DPSÁRNRPRWLYHQEHUGDVDYLVLHUte Ende hinaus. Was man sich halt so wünscht, wenn man jenseits ökonomischer und betrieblicher Notwendigkeiten einer Staatsbahn zuvörderst seine Liebhaberei gefährdet sieht … Die Antwort der Hauptverwaltung erstaunt mich noch 40 Jahre danach. Nicht wegen der ablehnenden DB-Position, die sich HUZDUWXQJVJHPl‰ DOV UXQGZHJ QDFKYROO]LHKEDU XQG VWLFKKDOWLJ offenbarte. Vielmehr beeindruckt das geduldige Bemühen, eiQHQ 'DPSÁRNIUHXQG IDNWHQRULHQWLHUW YRQ GHU 0DPPXWDXIJDEH Strukturwandel zu überzeugen und vielleicht sein Verständnis – ZHQQVFKRQNHLQHQ%HLIDOO²GDIU]XÀQGHQ1LFKWPLQGHUEHUrascht die Ausführlichkeit. Heutzutage hätte wohl ein Call-Center den „Kundendialog“ geführt – wenn überhaupt. Gediegene Formulierungen, eine schlüssige Argumentationskette, kurzum ein höchst seriöser und kultivierter Stil lösen zeitlose Lesefreude aus und bekunden überzeugend den Standpunkt einer heute wider besseres Wissen geschmähten Behördenbahn, deren Verschwinden ich jedenfalls bedauere. SIEGFRIED WANNER

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BAHN Epoche · Frühjahr 1

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ZEITMASCHINE

Burg (bei Magdeburg): 

1 -Abdankung auf der er

F

rühes Aufstehen gehört nicht zu meinen Vorlieben. Als Eisenbahnfreund hat man aber manchmal keine Wahl, weil der Fahrplan des begehrten Fotoobjektes auf persönliche Eigenarten keine Rücksicht nimmt. Mir blieb also am Mittwoch, dem 29. September 1982, nichts weiter übrig, als mich zu früher Stunde per Fahrrad aufzumachen, um gegen 6.30 Uhr am westlichen Einfahrsignal von Burg bei Magdeburg Position zu beziehen – die Kamera im blickdichten Beutel, wie man das HLQVWLQGHU''5]XSUDNWL]LHUHQSÁHJWH Erwartet wurde Ihre Majestät, die 01 1512-1. Im Winterfahrplan 1982/83 hatte ihr das Bw Magdeburg zum Finale ihrer Regentschaft noch einmal hochwertige Schnellzugleistungen zugestanden. Auf der DR-Kursbuchstrecke 700 sah der Umlauf den D 641 nach Berlin-Baumschulenweg und als Rückleistung ab Berlin-Köpenick den D 1194 (Brest – Magdeburg) vor, einen sowjetrussischen „Gardinenzug“. An jenem Tag war indes nicht absehbar, dass ich einer der wenigen Augenzeugen des letzten Einsatztages einer 015 im Re-

geldienst sein sollte: Auf der Rückfahrt ereilte ein Schieberriss die Lok mit dem Resultat ihrer umgehenden Abstellung und dem Abbruch des am 26.9.82 begonnenen Umlaufplans. Die Regentin musste verfrüht abdanken und schloss das stolze Kapitel der wohl am besten gelungenen '5'DPSÁRN6FK|SIXQJ Dass es sich just um die kohlegefeuerte Version handelte, führte am Ende des Regeleinsatzes wenn man so will zum Ursprung zurück, denn der Einbau einer Ölfeuerung begann erst ab der Ordnungsnummer 519. Bei elf Maschinen erfolgte er nachträglich. Unsere 01 – rekonstruiert aus 01 175 – zählte jedoch zu jenen sieben Exemplaren, die ihre Kohlefeuerung bis zur Ausmusterung behielten. Im Bw Erfurt P begann sie am 1.4.1963 ihren Dienst, den sie nach Stationen in Berlin Ostbahnhof, Berlin-Schöneweide (Heizlok), Saalfeld, Magdeburg (Heizlok) und Güsten schließlich in Magdeburg quittieren musste. Ihr weiteres Schicksal ist rasch geschildert: Erneute Rückkehr in den standeswidrigen Heizdienst, jetzt in der Einsatzstelle

Eilsleben. Als „heimliche Traditionslok“ absolvierte sie noch zwei Sonderfahrten von Magdeburg nach Wanzleben (1.9.84) und von Eilsleben nach Magdeburg (15.10.84), womit ihr Einsatz unwiderruflich endete. Die Zerlegung wurde Ende 1985 vom Raw Engelsdorf vollstreckt. Mit der „heimlichen Traditionslok“ hatte es die Bewandtnis, dass die Rbd Magdeburg in Eilsleben eine Art Traditions-Bw einzurichten gedachte, wobei man durchaus auf Devisenbringer im Kleinen Grenzverkehr schielte. Dafür standen neben der 015 u.a. 41 1137, 52 8076 und 50 3515 bereit. Wegen der unmittelbaren Nachbarschaft des Präsentationsortes zur Transitstrecke machten die Sicherheitsorgane diesem Bestreben jedoch einen Strich durch die Rechnung. Zurück nach Burg. Als der D 641 um 6.25 Uhr erschien, offenbarte sich noch kein hinreichendes Licht, obwohl seine Fahrtrichtung nach Osten wies – bei Sonnenaufgang um 6.10 Uhr. Dennoch SURÀWLHUWH LFK EHGLQJW YRP :HFKVHO YRQ Sommer- auf Winterzeit drei Tage zuvor,

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BAHN Epoche · Frühjahr 1

FOTOS: SIEGFRIED WANNER

29. September 1982: Herbstlicher Morgendunst verschleiert am Kilometer 11, ein wenig den Blick auf den D 1 mit seinen zehn Wagen und der letzten 1-Planlok. Hinter der optisch nicht sonderlich gelungenen Signalbrücke sind Umrisse des VEB-Walzwerks „Hermann Matern“ zu erkennen, das rund um die Uhr fertigte – was stets bis in die Stadt zu hören war. 24. Oktober 2017: Mit der RB 1 Braunschweig-Burg erreicht die Magdeburger 1  um 1. Uhr ihren Zielbahnhof. Die Strecke ist jetzt seit über  Jahren elektrifiziert, aber am Motiv hat sich sonst wenig verändert: Keine Bauwerke, Schallschutzwände oder Abstellplätze.

der bis 1995 schon am jeweils letzten Septembersonntag stattfand. Die 1980 in ganz Deutschland eingeführte Zeitumstellung hätte sich fast zum Politikum ausgewachsen, weil die DDR noch im selben Jahr verkündete, die Regelung nach einem Jahr wieder abzuschaffen, was der Westen als Abgrenzungsgebaren interpretierte – ein heute kurios anmutendes Beispiel des einstigen „Wettkampfes der Systeme.“ 1982 waren die schönen Einfahr-Formsignale längst durch eine weiter westlich positionierte Lichtsignalbrücke ersetzt worden. Die Leuchtmittelversorgung der Formsignale oblag übrigens dem nur einen Steinwurf entfernten Schrankenposten 107, wo ich viele glückliche Stunden verlebt habe. Schon als Zwölfjähriger horchte ich die Schrankenwärter so oft nach Zügen aus, bis sie mir erlaubten, ihnen Gesellschaft zu leisten. Da thronte ich nun auf einer blankgesessenen Holzbank am Wärterhäuschen und fühlte mich enorm privilegiert, weil die wartenden Fußgänger und Radfahrer hinter der Barriere verharren mussten, wogegen ich den Zügen ganz nahe war und die kollegialen Grüße des Lokpersonals auch ein wenig auf mich bezog. Irgendwann durfte ich sogar die Schranken bedienen. Stolz und übermotiviert wie ich war, donnerten die Schrankenbäume bei meinen ersten Kurbelversuchen so heftig auf die Aufschlagteller, dass deren Federung sie sofort wieder zwei Meter hochschleuderte, bis sie nach vehementem Schwingen und

erneuten Abfederungen endlich korrekt in der Schrankengabel ruhten. Die Schienen im Bildvordergrund fungieren als Anschlussgleis zur einst von der NVA und jetzt von der Bundeswehr genutzten Clausewitz-Kaserne in Waldfrieden. Ursprünglich bediente man sich ihrer ab 1937 zum Aufbau und zur Versorgung des Burger Fliegerhorstes. Dort war mein Vater – aus Bayern stammend – als Fluglehrer stationiert und lernte in Burg meine Mutter kennen. So hat damals nicht nur ein Bayer in Burg mit einer Preußin sein Glück gefunden. Mittelbar wurde auch die *UXQGODJH PHLQHU 'DPSÁRNOHLGHQVFKDIW gelegt, denn zu Lebzeiten meiner Großeltern mütterlicherseits war Burg, seinerzeit geschäftige Industrie- und Gewerbestadt, alljährlich das Ziel sommerlicher Reisen. Als einen an E-Loks gewöhnten Oberbayern zog es mich beharrlich zur „700er“, wo ich einige Jahre exklusiven Dampfbetrieb erlebt habe, bis ab 1967 die ersten V 180 einsickerten. Diese unverfälschte Alltagsnormalität hat meine Sichtweise auf 'DPSÁRNVJHSUlJW Hinter der Fernstrecke verlief ein Gleis zum VEB-Walzwerk „Hermann Matern“, dessen Areal heute einige metallverarbeitende Betriebe beherbergt, freilich ohne Bezug zu dem in Burg geborenen, linientreuen SED-Funktionär, aber auch ohne Gleisanschluss. Das Leistungsvermögen dieser als OstWest-Magistrale (Paris – Moskau!) und im

DDR-Binnenverkehr zentralen Trasse litt permanent unter der reparationsbedingten Eingleisigkeit, bis es 1976 gelang, zwischen Magdeburg und Werder das zweite Streckengleis wiederherzustellen; offenbar auch mit Geldern aus dem Verkehrsvertrag zwischen BRD und DDR vom 17.10.1972. Seit Dezember 1995 ist die Strecke ICEtauglich und für Tempo 160 km/h ertüchtigt. Was dabei an geschichtsträchtiger und jahrzehntelang konstanter Eisenbahninfrastruktur über den Jordan gegangen ist, könnte man allenfalls schmerzvoll beschreiben. Zum Glück entfaltete sich noch einmal die Zauberkraft dieser klassischen Hauptstrecke mit rund um die Uhr betriebenen Bahnhöfen, einsamen Blockstellen, besetzten Bahnübergängen und Telegrafenleitungen, als anlässlich „Viva Magistrale“, dem Referenz-Plandampf schlechthin, im Oktober 1991 mit allen Zuggattungen vier Tage lang ein glorreiches Dampfzeitalter imponierend und wirklichkeitsnah heraufbeschworen wurde. Aber wer wollte sich zeitgemäßem Fortschritt verschließen? Im Sommer 1989 benötigten der Städte-Express „Börde“ für die Strecke Magdeburg-Potsdam nonstop 95 und unser D 641 mit drei Halten 108 Minuten. Heute bewältigt der RE sie in HLQHP DXI (IÀ]LHQ] JHEUVWHWHQ 7DNWYHUkehr mit immerhin acht Zwischenhalten in 74 Minuten. Höchstens aus einer romantischen Perspektive ließe sich dagegen etwas einwenden … SIEGFRIED WANNER

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D

ieses Mal, werter Leser und Betrachter der Meisterwerkrubrik, muss ich etwas weiter ausholen und wie in der Rubrik von Christian Eilers aus dem hinteren Teil der BAHNEpoche beginnen: Neulich war ich in der Schweiz, genauer gesagt in Winterthur, der Heimatstadt der SLM (Schweizerische Lokomotiv- und Maschinenfabrik), auf einer Ausstellung des dortigen Fotomuseums über den hoch gelobten Schweizer Industriefotografen Jakob Tuggener XQGKHOOHQWVHW]WEHUGLHGRUWDXVJHVWHOOWHQ)RWRJUDÀHQVSH]LHOOGLH Eisenbahn betreffend. Seine Fotos, die handwerklich und teilweise vom Motiv her nicht gerade überzeugten, wurden trotzdem von den Kuratoren über den grünen Klee gelobt. Da musste ich mich schwer zusammenreißen, um ihnen nicht ins Wort zu fallen und dem zahlUHLFKDQZHVHQGHQ%UJHUWXPGHU6WDGWGDVLKPDQGHQ/LSSHQKLQJ die eventuell vorhandenen Vorurteile über Deutsche zu bestätigen. Warum meine Aufregung? Unser Meisterwerkfotograf Willy PragKHUGHU$QIDQJGHUGUHL‰LJHU-DKUHDXIGHUSULYDWHQ5HLPDQQ6FKXOH VHLQHJUDÀVFKHXQGIRWRJUDÀVFKH$XVELOGXQJDEVROYLHUWHZDUJHQDX zur selben Zeit auf dieser Kunstgewerbeschule in Berlin, wie der dort anscheinend nicht ganz so gut ausgebildete Tuggener. Der hätte vor sechsundachzig Jahren einfach mit dem dreiundzwanzigjährigen WilO\PLWNRPPHQVROOHQDXIVHLQHP$XVÁXJYRQ%HUOLQQDFK/HLS]LJ Womit wir endlich bei unserem Bild angelangt sind. 'DVWHKHQVLHQXQDP3UHOOERFNGHV/HLS]LJHU+DXSWEDKQKRIHVGLH JHZDOWLJH(LQKHLWVGDPSÁRNGHU%DXUHLKHXQGGLH GDJHJHQ]LHUOLFKH SUHX‰LVFKHDOV9RUVSDQQORNRPRWLYHGLHZDKUVFKHLQOLFKZHgen des weihnachtlichen Verstärkungsverkehres notwendig gewordenen war. Vermutlich ist es der D 32, der auf seiner Fahrt vom Berliner $QKDOWHU%DKQKRIQDFK6WXWWJDUWNXU]QDFK8KUDP'H]HPEHU LQ/HLS]LJ.RSIPDFKW²ZLHGHU+HUDXVJHEHUGHU BAHNEpoche im FdE-Archiv (Freunde der Eisenbahn e.V. Hamburg) im ReichsNXUVEXFKYRP2NWREHUUHFKHUFKLHUHQNRQQWH Vergleichen wir diese Aufnahme mit der Bahnsteigszene von :DOWHU+ROOQDJHOGLHZLULQGHU0HLVWHUZHUNUXEULNLQ+HIWJHzeigt hatten, dann erkennt man deutlich den Unterschied zwischen „Werksfotografen“ und freiem Fotografen ohne konkreten Auftrag, der den Moment erkannt und genutzt hat, ohne irgendetwas zu arrangieren. Der natürlich auch Glück gehabt hat, dass der Heizer in GHP0RPHQWYRUHLQHU'DPSIIDKQHYRQGHU/RNVWHLJWDOVLP9RUdergrund die elegante Dame im Pelzmantel mit ihrem Koffer in der linken Hand vorbeistolziert. Kurz nach der Wintersonnenwende steht die Sonne um diese 8KU]HLWJHUDGHPDO*UDGEHUGHP+RUL]RQWVRGDVVGHUÁDFKH Gegenlichteinfall durch die eben noch erkennbaren Fenster des 4XHUEDKQVWHLJHVVRZLHGLHNDOWHQ7HPSHUDWXUHQGDV+DXSWNULWHULXP IUGDV*HOLQJHQGLHVHV)RWRVZDUHQ²DX‰HUGHU)lKLJNHLWGHV/LFKWbildners natürlich. Ob es die letzten oder die ersten Reisenden sind, die gerade den Zug verlassen, ist nicht festzustellen. Sicher jedoch ist, dass der Fotograf gewartet hat bis sich der Pulk der Aussteigenden gelichtet hatte oder eben die ersten Eiligen vom Bahnsteig hasteten, denn dass man die Personen einzeln und ohne Überschneidungen auf den Film gebannt bekommt, war für die Gestaltung zwingend notwendig. 9ROO]XP7UDJHQNRPPHQEHLGLHVHP)RWRZLHGHUGLHIRWRJUDÀsche Weisheit: „Vordergrund macht Bild gesund“ und die vier KriWHULHQ IU HLQ JXWHV %LOG *UDÀN /LFKW ,QKDOW XQG 0RPHQW 'HQken Sie sich einfach die elegante Dame vorne links weg, dann ist es HLQJDQ]QHWWHV%LOGDEHUNHLQ0HLVWHUZHUNGHU6WUD‰HQIRWRJUDÀH Der fast unkenntliche Trinkbrunnen rechts im Vordergrund vor dem Triebwerk der Lok ist eigentlich erst auf den zweiten Blick als solcher erkennbar, trägt aber auch zum Gesamteindruck bei. Tiefe erhält das Bild nicht nur durch die nach links versetzte Å=HQWUDOSHUVSHNWLYH´VRQGHUQ]XVlW]OLFKGXUFKGDVÅ$XÁ|VHQ´GHV +LQWHUJUXQGV LQ GHQ 'DPSIZRONHQ XQG GHQ GDGXUFK HQWVWHKHQGHQ Kontrast zu den Silhouetten der Fahrgäste und der relativ dunklen =XJORNRPRWLYH$OVÅ1HEHQHIIHNW´KHEWVLFKVRGDVÀOLJUDQH7UDJwerk der Bahnsteighalle vom Hintergrund sehr gut ab und verleiht dadurch dem Bild eine gewisse Leichtigkeit. Zu dem eventuell vorgebrachten Argument: „Hier is’ ja gar nix VFKDUI´P|FKWHLFK+HQUL&DUWLHU%UHVVRQ]LWLHUHQ0HLVWHUGHU6WUD‰HQIRWRJUDÀHXQGLPVHOEHQ-DKUZLHXQVHU%LOGDXWRUJHERUHQGHU der Meinung war, dass die technischen Bedingungen bei der Stra‰HQIRWRJUDÀHHKHUDOVQHEHQVlFKOLFKDQ]XVHKHQVLQG hEULJHQVZDU:LOO\3UDJKHUGHUDEDOVIUHLEHUXÁLFKHU3UHVVHIRWRJUDIDUEHLWHWHKHXWHZUGHPDQ%LOGMRXUQDOLVWVDJHQVSlWHU unter anderem auch als Dozent an der Reimann-Schule tätig und das ]X5HFKW ARMIN O. SCHMOLINSKE

Ein impressionistisches Foto aus dem Leipziger Hauptbahnhof

Schärfe ist nicht alles

Bahnepochale Fotografien – präsentiert von Armin O. Schmolinske

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FOTOS: WILLY PRAGHER/EISENBAHNSTIFTUNG, PRAGHER/SAMMLUNG GERHARD GRESS

Frühjahr 1 · BAHN Epoche

1

Migrantenkinder. Der 1-jährige Willy Pragher hält seinen kleinen Bruder an der Hand, bevor sie aus einem an Rumänien gefallenen Teil Siebenbürgens evakuiert worden sind (1).

MEISTERWERK

TITEL

Bahnsteigleben Emaillierwerk Gottfried Dichanz, Berlin SO 36

FOTOS: STEFAN PFÜTZE, JOACHIM BÜGEL/EISENBAHNSTIFTUNG, SAMMLUNG GARN, ROBIN GARN

Aufbruch und Alltag zwischen den Zügen Er ist nur eine lange, flache und banale Immobilie für die Mobilien der eisernen Bahn. Er ist ein be- und getretenes Medium zwischen Heimat und Ferne, im Alltag ein Steig, an Jubeltagen ein Sprungbrett. Er ist Schauplatz öffentlicher Gefühle und Intimität, ein sowohl bunter als auch schonungsloser Laufsteg der Gesellschaft und im wahrsten Sinne des Wortes ein zugiger Ort. Er ist nicht Weg, er ist nicht Ziel, er ist nur ein marginaler und temporärer Diener der Eisenbahnreise. Er lehrt die Kunst des Wartens, er befördert die Besinnlichkeit der Gedanken und das Chaos der Gefühle. Mal gähnend leer, mal schwarz vor Leuten, mal stumm, mal laut, mal trostlos und immer Theater – der Bahnsteig lebt!

Ob im Schienenbus oder in der Ferkeltaxe, ob hinter einer Großdiesellok West oder Ost … Ob als Fahrgast oder Reisender – für deutsche Bürger gehört die jeweilige Staatsbahn zu den großen Selbstverständlichkeiten des Alltags. Der Bürgersteig am Zug, seine Ausstattungsmerkmale konnten im Detail regional höchst unterschiedlich sein. Doch eines war ihm gemein: ein diensthabender Eisenbahner war in der Regel anwesend, wie in Hilders/Rhön an   und zwei  als N  nach Fulda (..), beim E 1 nach Kiel in Plön (1..1), am Prototyp der V 1 in Potsdam Hbf (1) oder an sanitärfarbenen „Ferkeltaxen“ in Rheinsberg (1..).

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BAHN Epoche · Frühjahr 1

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TITEL

FOTOS: WERBEKARTE SAMMLUNG GARN, PETER CÜRLIS/SLG. GARN (3), STIGHORST/FDE

„Komm‘ bald wieder, lieber Harald!“ « ÁVWHUWH HLQH MXQJH )UDX LKUHU RIIHQVLFKWOLFKHQ /LHEVFKDIW LQV 2KU VLH LQ JHVWUHFNWHU +DOWXQJ DXI GHP XQWHUHQ7ULWWEUHWW GHV:DJJRQV HU ]XLKUQLHGHUJHEHXJWVFKRQHLQH6WXIHK|KHUKDOE LQGHU7UH'HU=XJVWDQGDP3HUURQXQG.|SIH VFKDXWHQDXVGHQJH|IIQHWHQ)HQVWHUQJHVWUHFNWH $UPH XQG +lQGH EHUKUWHQ RGHU XPNODPPHUWHQ VLFKOHEKDIWH6SUDFKIHW]HQXQGVFKZHLJVDPVHQWLPHQWDOH%OLFNHVFKZHEWHQ]ZLVFKHQ%DKQVWHLJNDQWH XQG :DJJRQGlFKHUQ OHW]WH *DEHQ RGHU 5HLVHSURYLDQWZXUGHQLQGLH)HQVWHUJHUHLFKW'LH ZHQLJHQ0LQXWHQELV]XU$EIDKUW²HLQH*DOJHQIULVW]ZLVFKHQWLHIHQ(PSÀQGXQJHQXQGEDQDOHQ :RUWKOVHQ HLQH OHW]WH *HOHJHQKHLW IU ELVODQJ XQWHUGUFNWH :DKUKHLWHQ IU :HVHQWOLFKHV IU 3HLQOLFKHV IU SO|W]OLFKH XQG HUVFKUHFNHQGH 6HOEVWHUNHQQWQLVIUGHQÀQDOHQ'XUFKEUXFKXQG 6LHJYRQ*HIKOHQ 'LHSV\FKRORJLVFKH%HVFKDIIHQKHLWGLHVHU6]HQHQ XQG %HÀQGOLFKNHLWHQ DP %DKQVWHLJ KDW GHU |VWHUUHLFKLVFKH6FKULIWVWHOOHU$OIUHG3ROJDU   LQVHLQHUNXU]HQ(U]lKOXQJÅ$EVFKLHGDXI GHP %DKQVWHLJ´ WUHIÁLFK MD IDVW VDFKOLFK XQG VFKRQXQJVORVIHVWJHVFKULHEHQÅ'LHVHOHW]WHQ0LQXWHQEHYRUGHU=XJVLFKLQ%HZHJXQJVHW]WKDEHQHLQ*LIWLQVLFKGDVDXFKGLHOHEHQGLJVWHQ,QWHUHVVHQXQG*HIKOVEH]LHKXQJHQ]ZLVFKHQ]ZHL 0HQVFKHQ ]ZLVFKHQGHPGHUZHJUHLVWXQGGHP DQGHUHQ GHU GDEOHLEW  LQ HLQHU $UW YRQ .UDPSI HUVWDUUHQOl‰W(VWUHWHQ/lKPXQJVHUVFKHLQXQJHQ GHV*HKLUQVXQGGHU=XQJHHLQ$OOH4XHOOHQGHV *HVSUlFKV VFKHLQHQ ZLH IHVWJHIURUHQ « ,Q VROFKHQ HQGORVHQ $EVFKLHGVPLQXWHQ EHQLPPW VLFK DXFKGHU8QEHIDQJHQHJH]ZXQJHQKDWVHOEVWGLH :DKUKHLW HWZDV 8QHFKWHV QlPOLFK HLQHQ %HLJHVFKPDFNYRQOHHUHU.RQYHQWLRQ«(QGOLFKVHW]W VLFK GHU =XJ LQ %HZHJXQJ ² XQG LP VHOEHQ$XJHQEOLFNLVWGLHIDWDOH6WDUUHJHORFNHUWWUHWHQYLHOH 'LQJHDQGLHQRFKKlWWHHULQQHUWZHUGHQPVVHQ LQV*HGlFKWQLVGUlQJHQYLHOH:RUWHGLHQRFK]X VDJHQ JHZHVHQ ZlUHQ DXI GLH /LSSHQ 8QG GDV *HIKOGHU(UOHLFKWHUXQJGD‰GHU$EVFKLHGEHUVWDQGHQ LVW ZLUG VRIRUW ]XJHGHFNW YRQ GHP *HIKOGHU%DQJLJNHLWGLHMHGHU$EVFKLHGYRQHLQHP JHOLHEWHQ0HQVFKHQPLWVLFKEULQJW´ 6HLQHQJUR‰HQ$XIWULWWXQGVHLQHVHQWLPHQWDOVWH =XRUGQXQJKDWGHU%DKQVWHLJ]ZHLIHOVRKQHEHLP $EVFKLHG ² DOOHLQ VFKRQ ZHJHQ GHU 9HUZHLOGDXHUYRQ0HQVFKHQXQG=JHQ$QGHUVDOVEHLGHU $QNXQIW VLQG GLH 6]HQHQ JHVWUHFNWHU XQG ÁLH‰HQ IDVW LQ =HLWOXSH HQWODQJ GHV =XJHV $EVFKLHGVNVVH]ZLVFKHQ9HUOLHEWHQZHUGHQZHOWYHUJHVVHQ DXILQQLJVWH(ZLJNHLWKLQDXVJH]|JHUW²P|JHGLH %DKQKRIVXKUMHW]WVWHKHQEOHLEHQ'RFKLVWQHEHQDQ JDU HLQ HQGHQGHU =XJ DQJHNRPPHQ EHJLQQW GLH XQGDQNEDUH 5ROOH GHV %DKQVWHLJHV 7UHQ VFKODJHQ DXI RGHU VFKLHEHQ VLFK ]XU 6HLWH 5HLVHQGHPLWLKUHP*HSlFNVWU|PHQDXIVHLQHPHLVW EUHLWH )OlFKH XQG VFKUHLWHQ IDVW ÁXFKWDUWLJ JHQ $XVJDQJ1XUJDQ]:HLWJHUHLVWHRGHU)OFKWOLQJH ZLVVHQGHQ6FKULWWDXIGHQYHUWUDXWHQRGHUQHXHQ %RGHQ]XVFKlW]HQXQGKDOWHQ]XPLQGHVWPHQWDO NXU] LQQH EHYRU DXFK VLH GHQ 3HUURQ YHUODVVHQ

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BAHN Epoche · Frühjahr 1

Deutsche Geschichte lässt sich auf Bahnsteigen erfahren. Eine illustrierte Postkarte von 1 zeigt, wie unter deutschem Gruß und wehenden Hakenkreuzfähnchen ein „Kraft durch Freude“-Sonderzug Berlin-Potsdamer Bahnhof verlässt. Sieben Jahre später versucht, wer kann, um aus dem niedergerungenen und zerbombten Berlin rauszukommen (Zug im Anhalter Bahnhof). Erste Kriegsgefangene treffen aus Ostpreußen im Schlesischen Bahnhof ein (.1.). Reisende müssen aus dem FD 11, dem ersten zivilen Reisezug zwischen Berlin und Westdeutschland, in Marienborn zur Kontrolle durch die Sowjets aussteigen (Blick von Lok 1 , Juli 1). In Spandau werden S-Bahnreisende vor der Weiterfahrt in die SBZ gewarnt: „Freiheitsentzug droht“ (1.1.). Von der plötzlichen Randlage erzählt der Sandperron von Klein-Zecher – einst Teil der Strecke Kiel – Ratzeburg – Hagenow – Berlin. Nun hört die eine Hälfte der Welt im Wäldchen dahinten auf (Juli 1).

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TITEL

Vom Idyll eines Landbahnhofs … Wo hatte der Hosenmatz schon eine richtige Dampflok für sich, wenn nicht in Uttenreuth? Die auf Sand gebetteten Gleise des fränkischen Orts, hier am 1.. fotografiert, lagen an der „Seekuh“ genannten Lokalbahn Erlangen – Eschenau – Gräfenberg, die ab 11 sukzessive von Bahnbussen übernommen werden sollte. Wie ein Schatzkästchen im Wald bot noch am 1.. am Haltepunkt Posenmühle eine Wellblechbude aus dem Jahr 1 dem geneigten Wanderer und Bahnreisenden wetterfesten Unterschlupf mit innestehenden Bänken an der Thüringer Oberlandbahn Triptis – Ziegenrück – Lobenstein ( km); als Bedarfshalt für fünf Zugpaare (mo-fr). Am Baumstamm vor dem Bach der Hinweis: „Anlage DR/DB. Eingeschränkter Winterdienst“. 1 war Schluss, aber ein Verein kümmert sich (www.thueringer-oberlandbahn.de). Und im einstigen Streckennetz Rheinhessens war die Landbahnhof-Idylle ein Privileg und ein Heimatstück auch von Kindheit und Jugend, hier in Bechtolsheim-Biebelnheim (..).

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(LQ (WDSSHQ]LHO LVW SHU HLVHUQHU %DKQ HUUHLFKW GRFK JDU IUFKWHUOLFK ZlUH GLH 5HLVH DQ GLHVHP 1LHPDQGVRUW VFKRQ DP (QGH XQG PDQ KLHU ]XP 9HUEOHLEYHUEDQQW'HV5HLVHQGHQ6WUHEHQJLOWXQWHUDQGHUHPGHPEHKDXVWHQ2UWGHV)HULHQJOFNV GHP ]X HQWGHFNHQGHQ 1HXODQG RGHU DXFK HLQHP YLHOOHLFKWQLFKWJDQ]VREHKDJOLFKHQ=LHOGHU$UEHLW RGHU 3ÁLFKW 8QG XPJHNHKUW LVW HV GLH +HLPDWGDV=XKDXVHGLH)DPLOLH²WDWVlFKOLFKQRFK LQ PHLVW ZHLWHU 'LVWDQ] ]X VROFK HLQHP EDQDOHQ %DKQVWHLJ (V JLEW QXU HLQH 0HQVFKHQJUXSSH ZHOFKH GLHVHQ 2UW PLW 9HUJQJHQ XQG GDEHL JDU QRFK VWXQGHQODQJ DXIVXFKW IU GLH QHEHQ GHU (LVHQEDKQIDKUW QLFKW QXU GHU :HJ VRQGHUQ DOOHLQ GHU $XVVWHLJHEDKQKRI PLW VHLQHQ %DKQVWHLJHQ GDV =LHOLVWXQGGLHGDEHLRIWNHLQHQHLQ]LJHQ6FKULWW EHUGLH6FKZHOOHGHV(PSIDQJVJHElXGHVKLQDXV LQGLHMHZHLOLJH6WDGWXQGLKUHGDPLWYHUVFKPlKWHQ 6HKHQVZUGLJNHLWHQ XQWHUQLPPW ,UJHQGZR DXVJHVWLHJHQ XQG QXU DXI GHP %DKQKRI GHQ KDOEHQ 7DJ KlQJHQJHEOLHEHQ ² GDEHL NDQQ HV VLFK QXUXPGDVVRQGHUEDUH9|ONFKHQGHUVRJHQDQQWHQ Å(LVHQEDKQIUHXQGH´KDQGHOQ

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FOTOS: JOACHIM CLAUS, ROBIN GARN, JOACHIM SEYFERTH

„Mist, der fährt da ganz drüben ein!“

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Frühjahr 1 · BAHN Epoche

1

TITEL

Dem Großstadttreiben, auch mit Gestressten und Gestrandeten, bieten Bahnsteige auf Hauptbahnhöfen eine Bühne. Als Orte massenhaften Ankommens und Abreisens bieten sie auch sehnsuchtsvolle Projektionen des Davonkommens, inniger Abschiede und möglicher Weichenstellungen im Leben: der kleine Lesehunger (Frankfurt/M., ..1), die große Auswegslosigkeit zwischen Zug, Überwachungskamera und SnackAutomaten, die Umarmung zwischen zwei S-Bahnen in Wiesbaden (..1), der große Bahnhof von Altona – mit allem Drum und Dran von Trockeneis zu rüstigen Damen auf großer Reise (..), und Togal gegen die soziale Schere (Frankfurt/M., 1.1.).

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„Ich fotografiere gerne Hasen“    VDJWH GHU MXQJH 0DQQ GHU OlVVLJ DXI GHU5FNHQOHKQHHLQHU%DKQVWHLJEDQNVD‰ XQG GHQ (LVHQEDKQIRWRJUDIHQ GHU LQ VHLQHUXQPLWWHOEDUHQ1lKHLQGHU+RFNHXQG PLW JH]FNWHU XQG DXJHQVFKHLQOLFK KRFKZHUWLJHU .DPHUD RIIHQVLFKWOLFK DXI HLQHQ HLQIDKUHQGHQ=XJZDUWHWHLQHLQ*HVSUlFK YHUZLFNHOWKDWWH1XQJXWZRKODXFK+DVHQ P|FKWHQ HLQPDO DEJHOLFKWHW ZHUGHQ DEHULUJHQGZLHZLUNWHVHLQHbX‰HUXQJlX‰HUVW XQJODXEZUGLJ HKHU YRUJHVFKREHQ XQG VFKQHOO HUIXQGHQ 1RFK ZDU GHU LPDJLQlUH=XJDXFKLP6XFKHUQLFKWHLQJHIDKUHQ GD VSUDQJ GHU RPLQ|VH 7LHUIRWRJUDI SO|W]OLFK DXI XQG ÁLW]WH ZLH HLQ 5DPPOHU ]XU QlFKVWHQ 8QWHUIKUXQJ +DWWH HU GLH 'RSSHOWUDNWLRQ GHV 6LFKHUKHLWVSHUVRQDOV HUVSlKWZHOFKHVLFKVFKOHQGHUQGXQGQRFK UHODWLYZHLWHQWIHUQWKLQWHQDXIGHP%DKQ-

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www.hobbymagazines.org FOTOS: JOACHIM SEYFERTH (4), CONTI-PRESS

Frühjahr 1 · BAHN Epoche

1

TITEL

Wo werden Kinder zu Fans und zu Eisenbahnern? Auf Bahnsteigen natürlich! Immer wieder ist es die P gewesen und ihr freundliches Personal, das Kindern Zugang gewährte – sei es an der Dessauer   im Beisein von Hortnerin und Aufsicht in Leipzig Hbf (1), sei es die   mit den jungen Cowboys von Böblingen (11). Großes Hallo auch in Mainz Hbf, als 11  für die Sendung mit der Maus wirbt (. März 1).

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„Nach Mainz? In vier Minuten, gleich hier auf Gleis “    VSUDFK GHU $XVNXQIWVEHDPWH PLW HLQHP HQWVSUHFKHQG DXIIlOOLJHQ 6FKULIW]XJ DQVHLQHU6FKLUPPW]H]XGHUPLWIUDJHQGHP%OLFNYRULKPNXU]YHUZHLOHQGHQ5HLVHQGHQ GLH VRGDQQ GDQNEDU PLW HLOLJHP 6FKULWWHQWVFKZDQG6HLQGLFNHV.XUVEXFK XQGDQGHUH)DKUSODQXQWHUODJHQXQWHUGHP $UPÁDQLHUWHHUDXIJUR‰HQ.RSIEDKQK|IHQGHQODQJHQ4XHUEDKQVWHLJKLQXQGKHU XQGSRVWLHUWHVLFKPLW5DWXQG7DWDQGHQ MHZHLOLJHQ %UHQQSXQNWHQ DQNRPPHQGHU =JH 'HU %DKQVWHLJ ZDU VHLQ $UEHLWVSODW] JHQDXVR ZLH IU VHLQH .ROOHJHQ LQ GHQNOHLQHQ.DEXIIVGHU%DKQVWHLJVSHUUHQ GXUFK ZHOFKH GLH 7UDXEHQ GHU 5HLVHQGHQ ZLH GXUFK KRUL]RQWDOH 6DQGXKUHQ WU|SIHOWHQ'HQQZLHYLHOHKHXWHQLFKWPHKUZDKU-

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BAHN Epoche · Frühjahr 1

FOTOS: FAHRT FREI/SAMMLUNG GARN, JOACHIM SEYFERTH, WOLFGANG STAIGER

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TITEL

Dienstbare Geister + Liebe zum Detail = hohe Aufenthaltsqualität. Ein Aufsichtsbeamter pro Bahnsteig mit Akku-Triebwagen 1  (..1), ein Informationsbeamter hilft bei Zugverbindungen in Münster Hbf (1), Zugschlusslaternen werden auf dem Bahnsteig gewartet (Pforzheim, ..1), DB-Herren vom Amt prüfen gärtnerische Anlagen auf den Bahnsteigen von Haltern/Westf. (1) – alles Voraussetzungen für ein organisch gewachsenes „Bahnsteigleben“, wie es sich in Limburg am 1.. dem Fotografen darstellte.

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„Mehr als diese Hundehütte haben die nicht für uns?“ « UDXQ]WH GHU KHLPOLFKH /HLWZROI GHU GXUFKQlVVWHQ:DQGHUJUXSSHEHLP$QEOLFN GHUVSDUWDQLVFKHQ%DKQVWHLJDXVVWDWWXQJDQ GHU6WDWLRQHLQHUJDUQLFKWHLQPDOVRNOHLQHQ 6WDGW %HLP $XVÁXJ LP OHW]WHQ -DKU JDEHVKLHUQRFKHLQODQJHV%DKQVWHLJGDFK XQGPHKUHUH6LW]ElQNHMHW]WZDUGDV'DFK

www.hobbymagazines.org FOTOS: JOACHIM SEYFERTH (3), BD MÜNSTER/SLG. INGO HÜTTER (2)

Frühjahr 1 · BAHN Epoche



TITEL

Wenn Bahnsteige nicht mehr zum Verweilen einladen, hat die Eisenbahn verloren. Irgendwann sind deutsche Orte, an denen Züge ein- und ausfahren, so entstellt, reduziert oder marginalisiert worden, dass sie sich nur noch ertragen lassen, indem man einfach vor ihnen flieht. Vielleicht hat das Grauen des ungeschützten Wartens 1 in Halle-Neustadt seinen Anfang genommen, ausgerechnet im Bahn-Musterland DDR (hier beim Halt des „Jugendobjekt“-Triebzuges VT . ). Zu mehr Selbstironie war man im Westen fähig (Altena, 1.1.). In buchstäblich unterirdischen Stationen sind nur noch (bzw. ausschließlich) Menschen Blickfang (Frankfurt/M. Tiefbahnhof, .1.1). Das neue Jahrtausend zeitigt Bahnanlagen in nachkriegsähnlichem Zustand (Kaub, am Rhein, 1..1), in der Hauptsache aber hundehüttenartige Glasunterstände an Streckgitterzaun und Lärmschutzwand in den Vororten (Wiesbaden-Schierstein, .1.1).

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BAHN Epoche · Frühjahr 1

FOTOS: JOACHIM SEYFERTH (4), SLG. GARN

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www.hobbymagazines.org Frühjahr 1 · BAHN Epoche



BAHNOPTIKUM

In allen Epochen heimisch, legt Ekkehard Martin seltene Exponate versunkener Bahnwelten vor

Oberhof unten durch

A

bgefahren? Abgefahren! Als am 9. Dezember 2017 zu nächtlicher Stunde letztmalig nach fahrplanmäßigem Verkehrshalt im Bahnhof Oberhof ein RegioShuttle der Süd-Thüringen Bahn anfährt und im Brandleitetunnel verschwindet, bereiten sich gerade auf der nicht fernen Schnellfahrstrecke VDE 8 ICE-Sprinter auf ihren ersten – ach so holprigen – öffentlichen Auftritt durch den Thüringer Wald vor. Mit dem Eintauchen der STB 80566 kehrte nach 123 Jahren Verkehrsgeschichte unterhalb des Bärensteins im Lubenbachtal zwar keine Stille, indessen Verkehrsruhe ein. Wenige deutsche Bahnhöfe hatten es zu einer solchen Berühmtheit gebracht wie der am 1. August 1884 eingeweihte, mit dem „größten Fahrplanwechsel der Deutschen Bahn“, trotz versuchter Petitionen, jüngst seines planmäßigen Reisezugverkehrs beraubte Bahnhof Oberhof. Generationen von Urlaubern wurden mit Pferdekutschen, im Winter auch Pferdeschlitten, später Bussen in das über 150 Meter höher und rund 5 Kilometer entfernt gelegene Oberhof zur Sommer- oder Winterfrische gebracht. Generationen von Eisenbahnfreunden genossen das Spektakel von in den Bahnhof ein, bzw. an- und in den Tunnel fahrender Züge. Was gab es für den Lokomotivliebhaber im Laufe der Jahre nicht alles in Oberhof zu sehen? An die alten „Preußen“ der Reihen P 41, P 42 oder P 6 erinnern nur Postkarten. Schon vor dem Ersten Weltkrieg (nach einem von 1906 bis 1912 anhaltenden Bauboom, der aus dem Walddorf Oberhof einen mondänen Urlaubsort machte, zugleich 1910/1911 zu erheblichen Umbauten und Erweiterungen des Empfangsgebäudes wie der Bahnanlagen führte) mischten im hochwertigen Schnellzugdienst die ersten P 8 mit. Unsere Postkarte, mit der am 14. Juni 1909 ein Vater seinem in Berlin gebliebenen Fräulein Tochter Else von zweitägigem Regenwetter berichtete, entstand noch vor diesen Umbauten, bei denen das Gebäude aufgestockt und die

Zugänge geändert wurden. Die Erstausstattung des Bahnhofs ist gleichwohl bereits merklich verändert: Eine Überdachung des Hausbahnsteiges, samt etwas jüngerer Überdachung des Durchgangsbereiches zum Abortgebäude (vor dem sich ursprünglich eine Drehscheibe befand), sollte die Reisenden der großen Welt vor ebenjenem Regen, im Winter indessen vor dem mitunter reichlichen Schnee, schützen. Eine lange Lebensdauer hatten diese Anlagen nicht. 6LHHQWÀHOHQPLW(UULFKWXQJGHUPDUNDQWHQ Bahnsteigüberführung. In den zwanziger Jahren erlebte Oberhof an der Hauptlinie Berlin – Stuttgart eine Blüte des Schnellzugverkehrs mit internationalen Verbindungen und Kurswagenläufen. Viel wurde hierüber bereits geschrieben. Daher nur kurz: Seit 1922 beheimatete das Bw Erfurt P, seit 1925 Arnstadt, 1926 auch Schweinfurt P 10, die in den Augen Vieler die „ideale“ Schnellzuglok im Mittelgebirge gewesen sein soll. Im Personenzugverkehr mischten T 18, T 20, später zudem hin und wieder die BR 62 mit. Mit Grenzziehung nach Süden änderten sich die südthüringischen Verkehrswege. Bunt blieb es gleichwohl am nunmehrigen „Bahnhof der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft“. Dafür sorgten in den Sechzigern die „Stauber“ der BR 449 aus Arnstadt, 41er aus Meiningen, Ski-, und Re-

gierungssonderzüge (auch Walter Ulbricht war hier), insbesondere jedoch die vielen Überführungs- und Probefahrten zum und vom RAW Meiningen. Letzteres selbst dann noch, als der Planverkehr längst in die Hände sowjetischer Großdieselloks übergegangen war. Mit Wiedervereinigung und Lückenschluss wurde es mit Dieseltriebwagen der BR 614 gar „poppig“ – eine arge Quälerei am Berg. Großen Rummel brachte Anfang der Neunziger der „Plandampf“, zuletzt als alljährliche Touristenattraktion der Extraklasse der „Rodelblitz“. Seit dem 10.12.17 auch dies aus und vorbei. Der modernen Umweltstandards angepasste Bereich des Wasserkrans an Gleis 2, an dem über die Jahre hinweg etliche 'DPSÁRNRPRWLYELOGHU HQWVWDQGHQ VHLQ VROOten, blieb wohl, galt es hier doch regelmäßig bestes Quellwasser zu fassen. Das denkmalgeschützte Bahnhofsgebäude, einst mit Gaststätte und Betriebsräumen, seit Jahren leerstehend, wurde versteigert. Der Investor, so heißt es, habe sich trotz des „Spottpreises“ verkalkuliert. Die zunehmende Tristesse wird mit futuristischen wie zweckfreien Bahnsteigbeleuchtungen grell illuminiert. Kein Ort zum Verweilen mehr. Abfahrt! Womit? Auch die Karte aus dem Jahre 1909 verrät die Bespannung des Zuges nicht. Das braucht sie auch nicht. Sie ist einfach schön … EKKEHARD MARTIN

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BAHN Epoche · Frühjahr 1

ANSICHTSKARTE: SAMMLUNG EKKEHARD MARTIN

STREIFLICHT

Ein geschichtsträchtiger Augenblick, dokumentiert per Pressefoto und kommentiert von Andreas Knipping

Sonderzug nach Istrien – Ulbricht fährt nach Jugoslawien

E

nde September 1966 beobachten wir Walter Ulbricht beim Aufbruch zu einer besonderen Reise. Er hat sich mit Ehefrau Lotte bereits in dem soeben durch Umbau im VEB Waggonbau Bautzen entstandenen „Salonwagen A“ mit der Nummer 60 50 89-40 006-9 eingerichtet. Der im Berliner Ostbahnhof stehende Sonderzug ist mit zwölf Wagen recht stattlich zusammengestellt. Die meisten stammen noch aus der fast unüberschaubaren fahrzeugtechnischen Erbschaft Hitlers und Görings. Nur der Salonwagen A und der Beiwagen zum Salonwagen A sind Neubauten. Sie werden den Kernbestand des modernen Hofzuges der DDR-Führung bilden, wie wir ihn etwa von den Fahrten Erich Honeckers kennen. Bespannt ist Ulbrichts Zug bis Bad Schandau mit den V 180 048 und 052. Nun ja, ein sozialistischer Staatsführer – die korrekte Titulatur lautet „Vorsitzender des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik und 1. Sekretär des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands“ besucht ein anderes sozialistisches Land. Aber es ist ein ganz besonderes Bruderland. Jugoslawien hat sich unter der selbstbewussten Führung des Staatspräsidenten und Parteichefs Josip

Broz Tito 1948 dem Klammergriff Stalins entzogen und ist dem Warschauer Pakt und dem Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe ferngeblieben. Diese Eigenständigkeit hatte in dem sich formierenden Ostblock erbitterte Feindschaft provoziert. 1951 bilanzierte die SED, das „Tito-Regime“ sei „zu einer faschistischen Agentur und zu einem hündisch ergebenen Werkzeug das Dollar-Imperiums geworden“. Alle osteuropäischen Staaten brachen ihre diplomatischen Beziehungen mit Jugoslawien ab. Die Auslieferung der letzten elf 2’D-Loks GHU 5HLKH  -æ   DXV 8QJDUQ YHU]|gerte sich um sieben Jahre bis 1955. Nach Stalins Tod trat Tauwetter ein. 1957 nahmen die DDR und Jugoslawien wieder diplomatische Beziehungen auf – was unter dem Vorzeichen der „Hallstein-Doktrin“ dazu führte, dass die Bundesrepublik die RIÀ]LHOOHQ%H]LHKXQJHQ]X-XJRVODZLHQDEbrach. Der jugoslawische Gastarbeiterstrom in die westdeutschen Industriemetropolen wurde dadurch freilich genauso wenig gebremst wie der westdeutsche Touristenstrom in Richtung dalmatinische Küste. Ungemütlich wurde die neue Freundschaft für die DDR, als jugoslawische Forderungen wegen der brutalen deutschen Politik

auf dem Balkan 1941-45 erhoben wurden. ÁRVVHQ0LOOLRQHQ'0YRQ%HUOLQ nach Belgrad. 1965 besuchte Tito dann die DDR; und 1966 trat Walter Ulbricht den Gegenbesuch an. Er fuhr mit seinem Sonderzug bis Pola an der Südspitze Istriens und setzte die Reise dann per Schiff fort. Bei der Betrachtung des Reiseweges darf nicht übersehen werden, dass zur Umgehung Österreichs ein weiter Umweg über Ungarn notwendig wurde. 1968 erloschen die gebesserten Beziehungen zwischen Jugoslawien und dem Ostblock wieder, weil das unabhängige Balkanland die Besetzung der Tschechoslowakei durch die Armeen des Warschauer Paktes als unmittelbare Bedrohung auch der eigenen Souveränität interpretieren musste. Kaum der Erwähnung bedürftig: den minderprivilegierten DDR-Bürgern blieb bis auf ganz begrenzte Reisegruppen die Fahrt in das klimatisch so begünstigte Jugoslawien bis 1989 verwehrt. Ulbrichts Reisen außerhalb des Bündnisgebietes blieben auch überschaubar. Nach einem Flug nach Ägypten 1965 und der Bahnfahrt nach Jugoslawien 1966 blieb er bis zur Entmachtung 1971 und zum Tod 1973 östlich des Eisernen Vorhangs. ANDREAS KNIPPING

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Frühjahr 1 · BAHN Epoche

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PORTRÄT

Die epochenübergreifende Biografie eines Eisenbahners

Karl-Otto Petersen Der Karriereweg eines aufrechten Christen (I) Durch einen Zufall, wie ihn das Leben spielt . . . Frau Kohlmeier sitzt im Wartezimmer, beäugt das ausliegende Zeitschriftensortiment und staunt: da liegt ja die BAHNEpoche, für die mein Mann schreibt! Werde den Arzt gleich darauf ansprechen . . . So gelangten wir an ein Fotoalbum mit seltenen Aufnahmen vornehmlich aus dem Berlin der späten zwanziger Jahre. Das Album stammt von Karl-Otto Petersen, einem Eisenbahner, über dessen Leben und berufliche Stationen seine Familie zum Glück sehr viel aufbewahrt hat. Damit können wir Ihnen den Mann zu den Aufnahmen vorstellen. Wilfried Kohlmeier hat Petersens Karriere bei der Staatsbahn in zwei Teilen nachgezeichnet. Sie beginnt im Nationalsozialismus.

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estatten Sie, mein Name ist Petersen, Karl-Otto Petersen!“ leben fuhr er damals mit der Kleinbahn. Dabei studierte er schon So ähnlich – natürlich in bestem norddeutschem Zungendie Technik der Kleinbahnlok und hatte gleichzeitig Gefallen an schlag – könnte sich dieser besondere Mensch ganz bescheiGHU)DKUWKLQWHULKU'LHVHVFK|QHQXQGSUlJHQGHQ(LQÁVVHNDPHQ den vorgestellt haben. Damit nähern wir uns der Person, durch die hohe Politik zu einem jähen Ende, als im Gefolge des GHQ4XDOLÀNDWLRQHQXQG,QWHUHVVHQ 1. Weltkrieges 1920 eine Volksabeines Eisenbahners, dessen Leben VWLPPXQJ VWDWWIDQG XQG GLH ,QVHO und Wirken hochinteressant, aber mit weiten Gebieten Nordschkaum bekannt ist, sodass es lohnt, leswigs an Dänemark abgetreten aus seinem Wirken näher zu berichwerden musste. Die Familie fühlten. Technik, Geschichte und Politik te sich eher Deutschland als Dähaben das Leben Petersens kräftig nemark verbunden und zog über EHHLQÁXVVWXQGZDUHQGHVgIWHUHQ Halle nach Berlin um, wo Petersen eng und fatal miteinander verzahnt. 1928 die Oberrealschule in BerlinKarl-Otto Petersen haben wir Lichterfelde mit dem Abitur abschon in Heft 25 der BAHNEpoche schloss. kennengelernt, als wir in unserer Die Tinte unter dem Abi-Zeugnis Reihe „Zufallsfunde“ einige seiner war kaum trocken, da begann er am sensationellen Fotos aus seinem 1. April 1928 ein sechsmonatiges kleinen Fotoalbum von 1928/1929 Hochschulpraktikum bei der Firma zeigen durften. Die Familie nennt Borsig in Berlin-Tegel als Vorbereidas Album weiterhin nach seiner tung für sein Maschinenbau-StudiWortschöpfung: „das Dienstbüchum. Er studierte an der Technischen lein“. Die Bilder hatte er selbst geHochschule Berlin-Charlottenburg macht, als er in den ersten Semesmit der Fachrichtung Maschinentern seines Maschinenbaustudiums LQJHQLHXUZHVHQ ,P 5DKPHQ GHV und während seines Praktikums Studiums leistete er auch Praktibei Borsig bei vielen Gelegenheika im Bw Berlin Potsdamer (Güten schöne Bahnaufnahmen erstellter-)Bahnhof ab, wo er mit seinen te. Er schätzte und portraitierte vor Kommilitonen Werner Hoepfner allem Mehrzylinderloks, insbesonund Hans Rust sich erfolgreich an dere die pr S 101, bay S 3/6, württ. den S-Bahn-Tenderloks T 12 und zugleich an dem Fotoapparat verC oder pr P10, würdigte aber auch suchen konnte. Mit der robusten die damals brandneuen 01er der Technik kamen die jungen Herren ersten Bauserien vor Luxus- und Studenten bald bestens zurecht, soFD-Zügen im Anhalter Bahnhof. dass nach dem Dienst an der Lok Schade, dass sein Album nur 41 noch gelegentlich Zeit für einige Seiten mit 49 Fotos umfasst. Zum Hochzeitsfoto. Elisabeth und Karl-Otto lernten sich bei einem schöne Erinnerungsfotos blieb. Glück hat es die Wirren des Krie- Theaterbesuch in Dessau kennen und heirateten am . Mai 1. ges völlig unbeschädigt überstanAm 21. Juli 1934 schloss PeGHQ+LHU]HLJHQZLU,KQHQQRFKHLQHKDQGYROO6DKQHKlXEFKHQDXV tersen sein Maschinenbau-Studium mit der Diplom-Hauptprüfung diesem schönen Album Petersens. und der Gesamtnote „gut“ ab. Seine Diplomarbeit aus dem Gebiet Karl-Otto Petersen wurde am 28. August 1907 als Sohn eines des Eisenbahnfahrzeugbaus wurde sogar mit „sehr gut“ bewertet! Pastorenehepaares in Atzerballig auf der damals zu Nordschleswig Bei diesen Noten war es kein Wunder, dass die Bewerbung bei der JHK|UHQGHQ,QVHO$OVHQJHERUHQ=XVHLQHU5HDOVFKXOHLQ+DGHUVReichsbahn eine reine Formsache war. Nur zehn Tage später wurde

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FOTOS UND DOKUMENTE: KARL OTTO PETERSEN/SAMMLUNG DR. CHRISTIAN KOEPPE

Noch als Abiturient oder schon als Praktikant bei Borsig fertigte Petersen im Jahre 1 diese Aufnahmen in zwei markanten Großstadtbahnhöfen an. Sie zeigen die Erfurter 1  vor dem D 1 aus Basel mit Schlafwagen aus Lugano bei der Einfahrt in den Anhalter Bahnhof. An der Spitze laufen ein Post a und ein Badenser Gepäckwagen (Pwü bad). Die Henschel-Lok von 1 fährt bereits mit elektrischer Beleuchtung. Bei einem Besuch in Leipzig verewigte Petersen an einem Vormittag die abfahrbereite 1  (Maffei 1) des Bw Hof vor einem Reisezug. Es könnte sich um den beschleunigten Personenzug  nach München handeln. Man beachte die hohe, gerade, das Lichtraumprofil ausreizende Esse der S /. Womöglich ist unser Fotograf mitgefahren, denn er hat auch in München Hbf fotografiert (wie im letzten Heft gezeigt); dann dürfte das Foto 1 entstanden sein.

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PORTRÄT der junge Diplomingenieur zum Reichsbahn-Baureferendar bei der RBD Berlin ernannt. ,P+HUEVWZXUGH3HWHUVHQLQGLH9RUEHUHLWXQJHQ zur 100-Jahr-Feier der Deutschen Eisenbahnen einbezogen. Zunächst erhielt er einen vierwöchigen Kurs als „Bahnschutzmann“ im Ausbildungslager Jüterborg, aus dem ihm „viel Marschieren, viel Singen“ und vor allen Dingen „Griffe kloppen“ in Erinnerung geblieben sind. Am 6. Dezember 1935 fuhr seine Kompanie in Uniform und mit Gewehr nach Nürnberg, wo am Folgetag die Feierlichkeiten stattfanden. Seine Gruppe und eine Kompanie der Wehrmacht standen unter gemeinsamem(!) Kommando eines WehrmachtsofÀ]LHUV'LH)URQWZXUGHGXUFK$GROI+LWOHUDEJHQRPPHQ woran sich Petersen 1984 so erinnerte:

„Damals hatten wir noch keine Ahnung, in welch furchtbares Unglück Hitler unser deutsches Volk noch bringen würde!“ Am 19. Juni 1937 schloss er das Referendariat mit „gut“ ab, wobei u.a. das Fachgebiet „Anlegung und Betrieb von Werkstätten“ mit „sehr gut“ bewertet wurde: ein erster und deutlicher Fingerzeig für die Richtung seiner beginnenden Karriere bei der Reichsbahn. ,QGHU=HLWVHLQHV5HIHUHQGDULDWVWUDI3HWHUVHQHLQHSHUV|QOLFKH (QWVFKHLGXQJ GLH ZHLWUHLFKHQGH EHUXÁLFKH XQG persönliche Folgen haben sollte. Am 8. Oktober 1934 trat er nicht wie viele andere in die NSDAP, sondern unter Nr. 934 der erst im Mai 1934 in Wuppertal-Barmen gegründeten „Bekennenden Kirche“ bei. Sicherlich haben die christliche Geisteshaltung und Erziehung in seiner Familie und die Gedankenwelt und der Beruf seines Vaters seine eigenen sozialen Überzeugungen gestützt. Vielleicht spielte auch die Freundschaft der Familie mit Pfarrer Martin Niemöller eine Rolle, durch den sie mit seinen Überzeugungen und VHLQHQ UHJLPHNULWLVFKHQ ,GHHQ YHUWUDXW ZXUGHQ 1LHP|OOHU selbst wurde schon am 1. Juni 1937 verhaftet und in verschiedenen Lagern gepeinigt, wobei er nur durch glückliche Fügungen die Schrecken des braunen Regimes überlebt hat. Zurück zur Bahnkarriere von Karl-Otto Petersen: Aufgrund seiner Bewerbung vom 11. Juli 1937 wurde nur acht Tage später entschieden, ihn schon ab 1. August 1937 als „Hilfsarbeiter“ im RAW Wittenberge einzustellen, wo er eine weitere Ausbildung in der Motorenabteilung erhalten sollte, die sich auf die neuen Schnelltriebwagen spezialisierte. Schon in der Zusage wurde er unübersehbar deutlich aufgefordert, sich besser bei der NSDAP zu engagieren. Nach einem Jahr wurde er ins RAW Dessau in die Triebwagen- und Motorenabteilung versetzt, wo ihm nach neunmonatiger Tätigkeit am 2. Mai 1939 eine „Warnung“ des Präsidenten der (für die AW geschäftsführenden) Reichsbahndirektion Dresden zuging. Dort hieß es wörtlich: „Auf Veranlassung des Herrn Reichsverkehrsministers empfehle LFK,KQHQVLFKLQGHU3DUWHLRGHUHLQHULKUHU*OLHGHUXQJHQ DNWLY]XEHWHLOLJHQ(VEHVWHKWVRQVWGLH*HIDKUGDVV,KUH planmäßige Anstellung als Reichsbahnrat in Frage gestellt wird.“ Petersen ließ sich nicht irritieren und stellte erst einmal die Weichen für seine private Zukunft: Er heiratete am 20. Mai 1939 „das Glück seines Lebens“, seine über alles geliebte Elisabeth aus Trakehnen in Ostpreußen, die er in den ersten Tagen seiner Dessauer Zeit in einem Theater kennengelernt hatte. Hier zeigen wir das Foto aus seiner Einla-

Ein Bekenntnis für ein freies christliches Leben! Mit diesem Ausweis wurde Karl-Otto Petersen am .1.1 unter Nr.  in die Evangelische Bekennende Kirche Berlin Lichterfelde aufgenommen. Die abgedruckten Grundsätze betonen, dass eine Einmischung des Staates oder anderer Institutionen in das kirchliche Leben abgelehnt wird.

Eine Drohung der massivsten Art erreichte Karl-Otto Petersen mit diesem Schreiben vom ..1: ohne Parteimitgliedschaft keine Festanstellung. Das ist für einen ambitionierten jungen Reichsbahn-Ingenieur eine Erpressung sondergleichen, zumal er im gleichen Monat Heiratspläne umsetzten wollte und eine Familiengründung bevorstand. Er entzog sich dem Diktat auf seine Weise.

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FOTOS UND DOKUMENTE: KARL OTTO PETERSEN/SAMMLUNG DR. CHRISTIAN KOEPPE

Tierklasse! Besuch bei der Halberstadt-Blankenburger-Eisenbahn, wo vier 1/1 von Borsig gebaute Boliden (1’E1’h) den Zahnradbetrieb überflüssig gemacht hatten – eine richtungsweisende Entwicklung, die wenig später zur pr T führte. Hier, im Schnee bestaunt von einem schmächtigen Knaben in kurzen Hosen, Lok BÜFFEL, die nach der Verstaatlichung der Bahn 1/ als   der DR geführt wurde. Studentenheizer anno 1930. Kommilitone Hoepfner auf  11 im Berliner Bahnbetriebswerk am Potsdamer Bahnhof. Diese Lokomotive wird 1 Jahre später in die Sowjetunion verschleppt.

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PORTRÄT dungskarte zu der großen Hochzeitsfeier. Anschließend genossen sie kurzes Glück auf ihrer Hochzeitsreise nach Jugoslawien. 1940 wurde ihr Sohn Peter und 1944 die Zwillingsschwestern Elisabeth und Christiane geboren, die alle ihren Vater für viele Jahre entbehren mussten und ihn nur gelegentlich sahen, wenn er „auf UrODXE´NDP,QHQJDJLHUWHU$UEHLWKDWGLH Mutter Elisabeth die größten Härten für die junge Familie abgefangen. =XUFN ]XU EHUXÁLFKHQ (QWZLFNOXQJ von Karl-Otto Petersen: Nach nur dreizehn Monaten seiner Tätigkeit im Werk Dessau wurde ihm die dortige Abteilungsleitung der Triebwagen- und Motorenabteilung übertragen, genau am 1. September 1939, dem Tag des Beginns des 2. Weltkrieges. Schon wenige Wochen später geriet auch Petersen kräftig in den Sog des Krieges: Am 18. November 1939 wurde HUVFKHLQKHLOLJJHIUDJWREHU,QWHUHVVHDQ einer Tätigkeit in den „neuerworbenen östlichen Gebieten“ habe, was er in einem genial formulierten Antwortschreiben unter Hinweis auf die nahe Geburt seines Familiennachwuchses freundlich und deutlich ablehnte. Damit konnte er sich wohl nur für ein Jahr Luft verschaffen, denn er wurde zum 1. Dezember 1940 kurzfristig nach Frankreich versetzt und musste die Leitung des KraftwagenAusbesserungswerkes in Paris-Nanterre übernehmen.

Eine Vorladung vom NSDAP-Kreisgericht! Elisabeth Petersen reagierte geistesgegenwärtig. ,QGLHVHU=HLWEUDXWHVLFK8QKHLOEHU.DUO Otto Petersen zusammen, denn er wurde am 18. April 1941 unter seiner Heimatanschrift zur Vernehmung im Kreisgericht 'HVVDX , YRUJHODGHQ 6HLQH FRXUDJLHUWH Ehefrau antwortete dem Gericht schon am nächsten Tag, dass sich der Vorgeladene LQ3DULVEHÀQGHXQGWHLOWHÅKLOIUHLFK´VHLne Feldpostnummer mit. Eine erneute Ladung und Vernehmung erfolgte dann nicht mehr, Paris war wohl zu weit entfernt für solche kleinlichen Ermittlungen! Zum 16. Juni 1941 versetzte man ihn von Paris als Dezernenten „60H“ zur Generaldirektion der Ostbahn in Krakau. Dies war wohl eher eine Parkposition, denn schon am 1.Oktober 1941 trat er als Werkdirektor des Ostbahn-Ausbesserungswerkes (OAW) in Warschau-Pruszków an, wo er immerhin drei Jahre ohne erneute Versetzung tätig war. ,QGLHVHU=HLWHUKLHOWHUYRP/HLWHUGHV Reichsverkehrsministers „Zweigstelle

Die Versetzung rückt näher. Ein halbes Jahr nach dem Warnschreiben versucht die Reichsbahn scheinheilig auszuloten, ob ein Versetzungswunsch Petersens in den Osten bestehe. Man rechnet schon mit einem „Nein“ und fragt gleich weiter, ob hierfür es persönliche Hinderungsgründe gebe. Typisch für die offizielle Diktion ist, dass man die im Krieg unterjochten Gebiete als „neuerworben“ bezeichnet, als ob ein völlig faires Kaufmannsgeschäft vorangegangen wäre. Jetzt wird es brenzlig! Petersen wird kurzfristig vor das NSDAP-Kreisgericht in Dessau geladen. Hierbei ging man unkoordiniert vor, benachrichtigte ihn einfach unter seiner altbekannten Dessauer Anschrift – in Unkenntnis seiner seit sechs Monaten laufenden Tätigkeit in Frankreich. Frau Petersen reagierte in Dessau schnell und couragiert: Sie unterrichtete den Absender handschriftlich darüber, dass ihr Ehemann in Paris sei und teilte „hilfsbereit“ seine Feldpostnummer mit. Damit war die Vernehmung abgewendet, eine Ladung in Paris wäre doch zu aufwendig gewesen.

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FOTO: XXXXXXXX

Also doch in den Osten! Zwei Monate nach der gescheiterten Vorladung in Dessau erhält Petersen von der Wehrmachts-Verkehrsdirektion in Brüssel die Abordnung von Paris nach Krakau ab dem 1..11. Nicht sicher ist, ob die vereitelte Vernehmung vom April 11 mit der neuen Versetzung nach Polen in ursächlicher Verbindung steht.

Bruderliebe! Petersens verstand sich mit seinem älteren Bruder Rudolf wunderbar, auch wenn sie sich beruflich und politisch in verschiedene Richtungen entwickelten. Rudolf Petersen war als hoher Marineoffizier und Kapitän zur See bis zum Commodore und „Führer der Schnellboote“ aufgestiegen und erhielt wegen seines Einsatzes und seiner Verdienste am 1..1 als . Soldat das „Eichenlaub zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes“.

Paris 1940. Die Brüder Petersen trafen sich ganz privat im besetzten Frankreich. Karl-Otto Petersen kam vom nahen AW Paris-Nanterre, Onkel Rudi kam von der Kanalküste im todschicken requirierten Dienstwagen der Marine, Kommando Nordsee: ein US-Packard Twelve Convertible Sedan mit 1 HP aus zwölf Zylindern und einem Hubraum von  ccm. Der „Umarmung“ der NSDAP entgangen! Petersen spielte „Schach“ mit der Partei: Während seiner Tätigkeit in Polen stellte er einen Antrag auf Aufnahme in die NSDAP, fasste ihn aber listigerweise mit seinem unverrückbaren christlichen Bekenntnis und zusätzlichen Begründungen so ab, dass das Parteigericht den Antrag nach den eigenen Partei-Statuten ablehnen musste. Petersen schlug also die Partei mit ihren eigenen Waffen.

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PORTRÄT

Osten“ in Warschau den besonderen Auftrag, den Besuch des Reichsverkehrsministers und Reichsbahn-Generaldirektors Julius Dorpmüller zu organiVLHUHQ ,KP EOLHEHQ EHU HLQ :RFKHQHQGH QXU YLHU Tage der Vorbereitung, ehe am 20. Juli 1942 Dorpmüller mit Entourage zum Empfang, zur Besichtigung ins OAW kam und Petersen zum gemeinsamen Mittagessen einlud. Dem Vernehmen nach war er mit dem Gezeigten und Gesehenen sehr zufrieden. Der weitere dramatische Verlauf des Weltkrieges ließ für Kontakte zur hohen Politik keinen Raum mehr, weder im Werk Warschau-Pruszków noch sonstZR,Q3ROHQVHW]WH.DUO2WWR3HWHUVHQDOOVHLQ.|QQHQ ein, unter den erschwerten Umständen der weiteren Kriegsentwicklung, insbesondere der näher rückenden Front und vermehrter Partisanentätigkeit die Funktion des Ausbesserungswerkes sicherzustellen, was immer PHKUQXUGXUFK,PSURYLVDWLRQHQJHODQJ

Das Ostbahn-AW Warschau-Pruszków zeigte der bekennende Christ und parteilose Petersen dem Reichsbahn-Generaldirektor und Verkehrsminister Dorpmüller am . Juli 1. Beim Blick in die Werkhalle (siehe rechte Seite) sehen wir neben elektrischen Triebwagen der Warschauer Vorortbahnen einen der vier von Austro-Daimler 1 im Hinblick auf den Städteschnellverkehr Wien – Budapest entwickelten VT .

Gegen Kriegsende beim Sonderbeauftragten für den Bau von Spitzen- und Ausweichwerken. Zum 7. Oktober 1944 ergab sich ein hastiges Ende der Werksleitung in Warschau-Pruszków, die von einer neuen „unscharf formulierten“ Tätigkeit als „Dezernent bei dem Sonderbeauftragten für den Bau von Spitzen- und Ausweichwerken“ in Meiningen abgelöst wurde, die er im Rahmen des Möglichen

Karl-Otto Petersen als Werkdirektor an seinem Schreibtisch im AW WarschauPruszkow. Hier führte der Parteilose über  polnische Mitarbeiter. Zwei Telefone bedeuteten damals eine Top-Kommunikation. Ob kein Bild des Führers im Raum hing?

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FOTOS UND DOKUMENTE: KARL OTTO PETERSEN/SAMMLUNG DR. CHRISTIAN KOEPPE; FOTO OBEN RECHTS: SLG. GARN

Am Scheideweg: Gut beraten bewarb sich Petersen nach Kriegsende beim Reichsbahn-Werkstättenbetriebsleiter Kolbe „z.Zt. Zwickau“ (amerikanisch besetzt) um eine Position im AW Dessau – und bat gleichzeitig um eine Reisegenehmigung nach Hamburg …

noch bis Ende April 1945 ausführte. Näheres ist über die Tätigkeitsinhalte dieser Zeit nicht mehr zu ermitteln. Persönliches trauriges Schicksal war, dass 1944 Petersens Haus in Dessau als einziges in dem Stadtteil Dessau-Ziebigk durch eine Fliegerbombe völlig zerstört wurde. Seine Familie hatte er zwar schon einige Zeit vorher bei Verwandten in Bernburg untergebracht, aber sein Schwiegervater fand bei dem Angriff den Tod. ,P0DLVFKZLHJHQHQGOLFKGLH:DIIHQ.DUO 2WWR 3HWHUVHQ PHOGHWH VLFK SÁLFKWJHPl‰ EHL VHLQHU Heimatdienststelle, dem RAW Dessau zurück und nahm bald in einer mehrtägigen Fahrradreise informellen Kontakt mit der Reichsbahndirektion Hamburg auf, wo inzwischen wieder ein hoher Vorgesetzter aus :DUVFKDXHU7DJHQWlWLJZDUGHUVHLQH4XDOLÀNDWLRQHQ kannte und ein Vorstellungsgespräch vermittelte.

* Gerät Petersen unweigerlich in die sowjetische Besatzungszone oder schafft er es, für sich und seine FaPLOLHLQ+DPEXUJHLQH=XNXQIW]XÀQGHQ",QZHOFKHU 3RVLWLRQZLUGHUZHLWHUDUEHLWHQ"/HVHQ6LHGDUEHULQ unserer kommenden Ausgabe. WILFRIED KOHLMEIER

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DAS BESONDERE BILD

Der glücklose Gigant Die weltweit einzige siebenfach gekuppelte Dampflokomotive

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chon ein Blick in den Atlas oder noch besser auf den Globus lässt die unfassbare Ausdehnung des größten Flächenstaates unserer Erde gewahr werden. Die Russische Föderation nimmt trotz beträchtlicher Gebietsverluste nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Herrschaft eine Fläche von 17 Millionen Quadratkilometern ein. Dass ein Land von solchen Ausmaßen auch ein hervorragendes Eisenbahnwesen verfügen muss, steht außer Zweifel. Nach der militärischen Niederlage im Ersten Weltkrieg und Jahren von Bürgerkrieg zwischen sozialistischen und kapitalistischen Parteien, Landraub, Enteignungen und Hungersnöten, die weiteren Millionen Menschen das Leben kostete, gelang es Wladimir Iljitsch Uljanow (der sich später Lenin nannte) im Jahr 1922 die separaten Räterepubliken zur Union der Sozialistischen Sowjetrepublken zu vereinen. Alle Kräfte des Wirtschaftslebens waren angehalten, die in Fünfjahresplänen gesteckten Ziele zu erreichen, wenn möglich zu überschreiten (Stachanow-System).

Machtausdruck des Sowjetimperiums. Auftritt der AA-1, Europas stärkster Lokomotive, wie es Offizielle der SŽD im Pressetext verlautbaren ließen, im Kursker Bahnhof von Moskau am 1. Januar 1.

Die Eisenbahn hatte die Hauptlast des Transportwesens zu tragen. Die breitere Spur ihrer Schienenwege ließ ein höheres Lademaß zu und neue Technologien hoben ihre Kapazitäten weltweit auf Spitzenwerte an. In Folge verdrängten 4-, 6- und 8-achsige Spezialwagen mit einer Tragfähigkeit von 62, 94 und 126 t die hölzernen Bauarten und machten wiederum automatische Kupplungen und neue Bremssysteme unumgänglich. Gleichzeitig vertrat man die Meinung, dass das Lokomotivbauprogramm des 1. Fünfjahresplans für Güterzugloks, welches sich DXIGLHVWHWVZHLWHUHQWZLFNHOWHQ(*UXQGW\SHQ5HLKHǜ b DXV dem Jahre 1914 (siehe Beitrag in BAHNEpoche 13) und der Reihe ǩǙ )'HLQHU·(·GHV%DXMDKUHV NRQ]HQWULHUWKDWWHOlQ-

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FOTO: SAMMLUNG GARN

gerfristig nicht mehr ausreichen werde. So stellte eine Arbeitsgruppe junger Ingenieure des Moskauer Instituts für Eisenbahntechnik GHQ(QWZXUIHLQHU·*·PLW6WHLIUDKPHQYRU Mit einer Achsfahrmasse von 20 t sollte sie einen weiten Sprung im Rationalisierungseffekt erbringen. Dass die amerikanische Superpower-Idee (zweiachsiges Schleppgestell als Träger eines großen Hinterkessels) als Vorbild diente, ist nicht zu übersehen. Interessanterweise hatte man zu jener Zeit auch bei der Berliner Maschinenbau AG (Schwartkopff) und bei Henschel an Projekten gleicher Radsatzfolge für die Sowjetunion gearbeitet. Das Werk in Woroschilowgrad (heute wieder Lugansk und eine abtrünnige, selbsternannte Region der Ost-Ukraine) erhielt schließlich den Auftrag, zwei Exemplare zu bauen. Zur besseren Massenverteilung wurde auch vorn ein Drehgestell vorgesehen. Der Auftrag wurde jedoch auf eine Probelok reduziert, angeblich, um die Produktionskapazität des Werkes für dringend benötigte Loks der Reihe FD nicht zu blockieren. Oder war man vom erwarteten Erfolg des gigantomanischen G-Kupplers doch nicht ganz überzeugt? Am 1. Januar 1935 wurde der Lokriese mit der weltweit einmaliJHQ5DGVDW]IROJH·*·PLW$QWULHEGXUFKHLQ=ZLOOLQJVWULHEZHUN   in Moskau der Öffentlichkeit vorgestellt. Unser besonderes Bild zeigt die dabei entstandene Presseaufnahme. Zu Ehren des Volkskommissars für Verkehrswesen erhielt die Lok den Namen Andrej Andrejewitsch Andrejew (1895-1971) und die Reihenbezeichnung AA20-1.

So überwältigend ihr Anblick, so gigantisch auch ihr Misserfolg! Der Bolide gelangte wegen gravierender Konstruktionsfehler und Beschädigung von Gleisanlagen niemals zu regulärem Betriebseinsatz. Wie nicht anders zu erwarten, war das größte Problem der Bogenlauf, obwohl die Lok keinen festen Radstand hatte. Außer den Drehgestellen waren die 1. und 7. Kuppelachse seitenbeweglich,

während die 3. und 5. Kuppelachse keine Spurkränze, dafür aber 175 mm breite Radreifen aufwiesen. Die Höchstgeschwindigkeit war auf 70 km/h festgelegt. Gut abgestimmt waren die Kesselproportionen, sodass es an Zugkraft und Leistung nicht gemangelt hätte. Auf einer 10 ‰-Steigung konnte eine Zugmasse von 2800 t befördert werden. Inwieweit der erste in der Sowjetunion hergestellte Stahlgussrahmen diesem Stress auf Dauer gewachsen gewesen wäre, darüber lässt sich nur spekulieren. Obwohl die Achsfahrmasse von 20 t eingehalten wurde, ließ die AA20 bei ihren wenigen Versuchsfahrten verheerende Spuren auf ihrem Fahrweg zurück. So erfüllte sich stillschweigend ihr absehbares Schicksal, denn Aussicht auf Abhilfe des verfehlten Konzepts schien nicht in Sicht – ganz abgesehen von einer eigens zu schaffenden Infrastruktur in den Betriebswerken. Der Serienbau der problemlosen wie auch ZRKOJHOXQJHQHQ·(·5HLKH)'LQ9HUELQGXQJPLWGHP$XVEDX wichtiger Strecken für eine höhere Belastung führten schließlich zu einer Umorientierung der Traktionsplanung. Nicht auszuschließen ist, dass der Bau des Lokriesen auch der politischen Propaganda dienen sollte. Diese Vermutung liegt insofern nahe, als zu jener Zeit auch die sowjetische LuftfahrtindustULH PLW GHP %DX VHFKV XQG DFKWPRWRULJHU 5LHVHQÁXJ]HXJH GHP werktätigen Volk wie auch dem kapitalistischen Ausland beweisen wollte, zu welchen Leistungen die im Geiste des Sozialismus herangebildete Ingenieursgeneration fähig sei. Wie die Superlok, so stand auch der epochale Luftriese unter keinem guten Stern. Fand der achtmotorige Luftgigant Tupolew ANT-20 am 18. Mai 1935 ein tragisches Ende bei einer Flugschau durch Kollision, wurde unsere AA20-1 in den sechziger Jahren verschrottet. Allein durch die einzigartige Bauart und um den Respekt für den Mut der mit ihr befassten Ingenieure nicht zu versagen, hat sie einen Platz in der Lokomotivgeschichte verdient. HERIBERT SCHRÖPFER Der Augsburger Lokomotivhistoriker schrieb dieses Manuskript wenige Wochen vor seinem Tod am 1. Mai 1.

Hauptkenndaten AA-1 Achsbild Baujahr Heizflächen Kessel Überhitzer Rohrlänge Rostfläche Treibrad Ø Zylinder Ø Kolbenhub Dampfdruck Höchstgeschw. Dienstmasse Reibungsmasse

’G’ h 1 m m mm m mm mm mm bar km/h t t

 1  1 1  x  1 1   1

Tender Achsen Wasser Kohle Dienstmasse befahrbarer Gleisbogenradius

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Die Heizflächen sind wasserberührt angegeben; d.h. sie beziehen sich auf die äußere Fläche der Rohre. In Deutschland ist die innere, von den Heizgasen berührte Fläche maßgebend. Sie ist um ca. 1% kleiner.

www.hobbymagazines.org ZEICHNUNGEN: SAMMLUNG HERIBERT SCHRÖPFER

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STADTRUNDFAHRT

Dienst an der Heimatfront Meine Mutter als Schaffnerin auf der Linie 1 der Nürnberg-Fürther Straßenbahn

U

nerbittlich forderte die Kriegsmaschinerie immer neues Menschenmaterial an allen Fronten. Wo der Kriegsdienst Lücken in die Reihen an den heimatlichen Arbeitsplätzen gerissen hatte, musste Ersatz geschaffen werden. Ein Ansatz dafür war es, Jugendliche für ein halbes Jahr zum Reichsarbeitsdienst (RAD) HLQ]X]LHKHQ'DYRQSURÀWLHUWHQDXFKODQGauf, landab die Verkehrsbetriebe, die ohne diese Unterstützung nicht mehr funktionsfähig gewesen wären. Die Wurzeln meiner Familie liegen mütterlicherseits dort, wo die Bevölkerung fränkisch, die politische Zugehörigkeit aber thüringisch oder bayerisch ist, südlich des Rennsteigs und nördlich des Mains im Coburger und SonneEHUJHU /DQG 'RUW ÁDWWHUWH HLQHV schönen Sommertages im fünften Kriegsjahr 1943 ein Brief ins Haus der Großeltern in der Coburger Eigenheimstraße, der den Einberufungsbescheid für meine 1925 geborene, damals also 18 Jahre junge Mutter zum Reicharbeitsdienst enthielt. Er platzte in eine Welt, die das Kriegsgeschehen bis dahin nur vom Hörensagen kannte, von den Todesanzeigen für die Gefallenen in den beiden örtlichen Zeitungen und den anschließenden Beerdigungen auf dem Stadtfriedhof einmal abgesehen. Mein Großvater war als Justizbeamter kriegsbedingt abkommandiert zum Dienst in die Strafanstalt Bayreuth-St. Georgen, in der die Nazis auch politische Gefangene aus Frankreich, Belgien und anderen Ländern interniert hatten. Oft war er in dieser Zeit dienstlich in Nürnberg und wusste daher aus eigener Anschauung, wie es wirklich aussah: seit zwei Jahren häuften sich die Luftangriffe auf die „Stadt der Reichsparteitage“, die

schon seit Jahren Vergangenheit waren. Und dort hatte sich seine Tochter, eigentlich noch ein Kind, nun zur Ableistung des Arbeitsdienstes bei der Nürnberg-Fürther Straßenbahn zu melden. Zum ersten Mal für mehr als einige Tage fern der Obhut des elterlichen Heims, zusammen mit Gleichaltrigen in gleicher Situation. Ähnlich einem Ferienlager, und in einer – im Vergleich mit dem damals um die 29.000

Stellvertretend für meine Mutter eine Kollegin mit dem typischen Galoppwechsler und der Diensttasche mit Fahrscheinvorrat und Fahrplan.

Einwohner zählenden Coburg – fast schon weltstädtischen Großstadt, so, als ginge es heute zum Studium nach Berlin: das war dagegen eher die Erwartungshaltung aus Sicht der Tochter … Zum Stichtag reiste die Familie mit dem Zug ins kaum 100 km entfernte Nürnberg und lieferte ihre Tochter bei der angegebenen Adresse in der Äußeren Bayreuther Straße nahe dem Leipziger Platz ab, wo sich seit 1937 ein Nebenwerk der NürnbergFürther Straßenbahn im Aufbau befand. Dort wurden die Mädchen in einem bereits fertig gestellten Verwaltungsgebäude einquartiert und der mehr oder weniger gestrengen Aufsicht älterer Männer unterstellt, die – ebenso wie sie selbst – als Ersatz für zum Kriegsdienst eingezogene Betriebsangehörige dienstYHUSÁLFKWHWZRUGHQZDUHQ]XPHLVW reaktivierte Ruheständler. Diese stellten damals den überwiegenden Teil des Fahrpersonals, während die Mädels den Schaffnerdienst zu übernehmen hatten. Dafür wurden sie einige Tage angelernt, bevor sie dann – beim gängigen Dreiwagenzug – in der Konstellation „ein alter Mann und drei junge Mädchen“ auf die Fahrgäste losgelassen wurden. Seit Oktober 1941 kamen die im völkischen Jargon „Arbeitsmaiden“ genannten Ersatzkräfte bei der Nürnberg-Fürther Straßenbahn zum Einsatz. Es gab eine feste Zuordnung zu Betriebshöfen, in Nürnberg seit jeher „Werk“ genannt, und Linien; meine Mutter kam überwiegend auf der Linie 21 zum Einsatz, die zwischen Ziegelstein im Nürnberger Norden und der Flößaustraße in Fürth verkehrte; dass dieser Linienweg über gut die Hälfte direkt parallel zu stark angriffsgefährdeten Bahnanlagen und durch Industriegebiete verlief, weswegen

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FOTOS: FREUNDE DER NÜRNBERG-FÜRTHER STRASSENBAHN EV/ARCHIV (2), SAMMLUNG GERHARD GRESS (RECHTS OBEN)

Viele Menschen hat der 1er über die Jahrzehnte gut ans Ziel gebracht, darunter auch solche, die man sich nicht aussuchen kann: Nürnberg, die Stadt der Reichsparteitage erlebte immer wieder Massenandrang aller Parteiorganisationen; dann wurde das Straßenbild von Braunhemden und schwarzen Uniformen beherrscht wie anlässlich des Parteitags 1 in der Königstraße (oben). Um diesen Andrang bewältigen zu können, wurde auch unser 1er mit E-Wagen verstärkt (unteres Bild am Parteitagsgelände).

man selbst auch einer Gefahr ausgesetzt war, darüber machte man sich im jugendlichen Alter wohl kaum Gedanken. Für die Mädels schien es – zumindest bis zum ersten eigenen, desillusionierenden Erlebnis – wie ein großer Abenteuerurlaub, was da auf sie zukommen würde. Die Dienstpläne sahen wohl zwei Schichten vor (so genau konnte sich meine Mutter nicht erinnern), die jeweils 10 Stunden umfassten, was man mit 17, nicht aber mit 70 Jahren „wegstecken“ konnte. Entsprechend mürrisch seien die damit oft überforderten Rentner gewesen, die zudem als Fahrer stärker gefordert waren als im Schaffnerdienst. Aber meine Mutter hatte Glück, im Werk Maxfeld gab es auch eine Reihe Vertreter des Typs „gutmütiger Opa“; insbesondere stand jeder Gruppe, in die die Mädels eingeteilt waren, ein fester Leiter vor, der in diesem Fall dem „Opa-Typus“ zuzurechnen war. Er hatte auch darauf zu achten, dass die Ruhezeiten eingehalten und man die Freizeit so verbrachte, dass die nationalsozialistische Lebensmoral dabei hochgehalten wurde. Mit ihrem Dienstausweis hatten die Mädels freien Eintritt in allen städtischen Einrichtungen, wobei sich besonders der Tiergarten und die Bäder großer Beliebtheit erfreuten; einmal konnte man dort relativ unbeaufsichtigt ein paar unbeschwerte Stunden genießen, zum Zweiten – je nach Neigung und Laune – auch den Flirtversuchen der wenigen Jungs erliegen, die der Krieg noch nicht an diese oder jene Front verschickt hatte. Der zuständige Opa drückte dann auch mal alle Augen zu, wenn zwischen Rückkehr in die Unterkunft und Dienstbeginn nur noch Minuten lagen und

Zum ersten Mal für mehr als einige Tage fern der Obhut des elterlichen Heims, zusammen mit Gleichaltrigen in gleicher Situation. Ein großer Abenteuerurlaub? beim vorherigen Essen ein oder mehrere Stühle frei geblieben waren… Im Erdgeschoß gab es auch ein, zwei Fenster, durch die man in der Nacht unerkannt ein- oder aussteigen konnte, was nach Aussage meiner Mutter gerne von so mancher Schaffnerin genutzt wurde. Bestimmt wurde der Alltag aber natürlich von der Arbeit. Die Straßenbahnen waren damals wie überall in den Kriegsjahren immer rappelvoll und oft massiv überfüllt. Noch lief der Betrieb zwar – in Grenzen und von außen gesehen – geordnet, aber schon lange nicht mehr „normal“ ab. Schon mit Kriegsbeginn im September 1939 wurde das Fahrplanangebot wegen Personalmangel aufgrund zahlreicher Einberufungen erheblich ausgedünnt. Zahlreiche Linien mussten ihren Betrieb unbefristet einstellen. Ein deutlich ansteigendes

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STADTRUNDFAHRT

Frauen auch bei der Reichsbahn. E   vom Bw Bamberg hat am 1. Mai 1 einen Zug aus Kronach – Lichtenfels – Bamberg nach Nürnberg gebracht und erhält nun Ausfahrt weiter in Richtung Schwabach. Ähnlich bot sich die Szenerie dar, als die Famlilie meiner Mutter aus Coburg ankam und sich dann dem Gestellungsbefehl folgend weiter zum Werk Äußere Bayreuther Straße begab.

Tag zu Tag mehr Improvisationsvermögen verlangten. So unterlagen Fahrzeuge und Anlagen einem stetig zunehmenden Verschleiß, weil auch die größten Anstrengungen nicht verhindern konnten, dass von der Substanz gelebt werden musste. Und das unter Verzicht auf Fachkräfte, die zum Kriegsdienst einberufen waren. Dabei war Nürnberg in den dreißiger Jahren als „Stadt der Reichsparteitage“ noch in einer privilegierten Situation, konnten doch wegen der verkehrlichen Anforderungen dieser Großereignisse mehrere Serien neuer Trieb- und Beiwagen beschafft werden, als in anderen Städten in dieser Hinsicht schon längst gar nichts mehr „ging“. So konnten noch ab 1940 die legendären 900er-Wagen in Betrieb genommen werden, als Vorbild für den „Einheitsstraßenbahnwagen“ (ESW) von der Nürnberg-Fürther-Straßenbahn selbst entwickelt. Von diesen Wagen berichtete meine Mutter mit Freude, stellten sie immerhin einen großen Teil des Auslaufs der Linie 21, und wer wäre nicht begeistert gewesen, auf den dazumal modernsten Wagen Dienst tun zu dürfen – waren sie doch erstmals mit elektrisch zu betätigenden

Beförderungsbedürfnis traf so auf ein eingeschränktes Angebot, was die Arbeit für das Personal ganz gewiß nicht leichter machte. Vergessen wir zudem nicht, dass es auch körperlich schwere und manchmal gefährliche Arbeiten waren, die da von den bestenfalls jugendlich zu nennenden Schaffnerinnen verrichtet werden mussten; wo an Endhaltestellen der Triebwagen umgesetzt werden musste, waren bei jedem Wetter die Beiwagen zu sichern, ab- und wieder anzukuppeln. Sich durch einen völlig überfüllten Wagen zu zwängen, dabei Fahrgeld zu kassieren und Fahrscheine zu kontrollieren, wäre schon für einen durchsetzungsstarken Erwachsenen schwierig gewesen; für die Mädchen, die vielfach aus Kleinstädten oder vom Land stammten und erstmals im Leben mit Großstadtsitten konfrontiert waren, war es schlicht unmöglich. Oft blieb es daher beim Abfertigen an den Haltestellen und der Mitfahrt auf der Plattform nahe der Einstiege. Es waren keine „Lustreisen“, die man dazumal mit der Straßenbahn unternahm; vielmehr waren alle Fahrgäste in unterschiedlicher Form unter Stress, sei es, dass

man irgendwo irgendetwas „organisieren“ musste oder Termine einzuhalten hatte. Die Stimmung war meist gereizt im Wagen, noch kräftig gefördert durch die Überfüllung, die einen auch mit solchen Zeitgenossen auf „Tuchfühlung“ gehen ließ, die man gerne deutlich auf Abstand gehalten hätte. Apropos „Tuchfühlung“: da gab es dann schon „Lustreisende“, für die die Überfüllung ein ideales Biotop geschaffen hatte, um ihren Fahrtzweck ausleben zu können – im Gespräch untereinander beim Essen oder auf den Schlafstuben erzählten sich die Mädels von ihren Erlebnissen mit Grapschereien jeder Art, die sich fast täglich ereigneten. Sich darüber zu beschweren wäre damals niemandem in den Sinn gekommen, schließlich waren es nicht selten braune Uniformträger, die da ungeniert zulangten… Was hinter den Kulissen ablief hatte mit „normal“ kaum noch etwas zu tun – nach einem Jahrzehnt Kriegswirtschaft unter ständig stärker durchschlagenden Einschränkungen bei der Ersatz- und Neubeschaffung von Fahrzeugen und Material jeder Art hatten die Werkstätten mit Herausforderungen zu kämpfen, die von

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FOTO: DB MUSEUM/NÜRNBERG, WERKFOTO MAN, FREUNDE DER NÜRNBERG-FÜRTHER STRASSENBAHN EV/ARCHIV, ARCHIV VAG NÜRNBERG

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Eine Paradeaufnahme des 1ers vor der prachtvollen Kulisse der Fürther Hornschuchpromenade zu seinen besten Zeiten. Wo der Zug für dieses schöne Werkfoto bereitgestellt wurde fuhr einst der „Adler“ auf der ersten deutschen Eisenbahnstrecke zwischen Nürnberg und Fürth.

Gruppenbild nicht mit Dame, sondern mit (einem) Herr(n):  Arbeitsmaiden und ihr Gruppenführer vereint zum Erinnerungsfoto. So „normal“ konnte der Krieg sein …

Türen ausgestattet, eine große Arbeitserleichterung gerade für Schaffner. Bei der Bevölkerung waren die Arbeitsdienstlerinnen sehr beliebt und geschätzt – nur zu verständlich, wenn da plötzlich Dutzende von lebensfrohen, jungen und hübschen Mädchen in einer von Mangel und Kriegswirtschaft geprägten Welt auftauchten und dieser auf einmal ein neues Gesicht gaben; wer lacht nicht zurück, wenn er angelacht wird, und das konnte einen schon mit einem ansonsten tristen Kriegstag versöhnen… Vor allem viele Stammfahrgäste steckten den Schaffnerinnen dann auch immer wieder etwas zu, ob es nun eine Tüte mit Obst aus dem eigenen Garten im Sommer oder zwei, drei Lebkuchen – dem Nürnberger heilig! – in der Adventszeit waren. Für einen Stammfahrgast, der gerade um die nächste Straßenecke gelaufen kam, wartete man trotz aller Unruhe auch ein-

Reaktivierte Ruheständler – als Ersatz für zum Kriegsdienst eingezogene Betriebsangehörige – stellten den überwiegenden Teil des Fahrpersonals. Treibstoffknappheit führte im Krieg auch in Nürnberg dazu, dass die Straßenbahn auch im Güterverkehr aktiv werden musste. Ein dafür adaptierter Zug steht im Werk Äußere Bayreuther Straße zum Umladen bereit - links spitzt der LKW noch ins Bild, der an der Aktion wohl mit beteiligt war.

mal oder bremste herunter und ließ ihn zwischen den Haltestellen aufspringen. Kam man dagegen in die Nähe des Nordostbahnhofes und sah die Gräfenbergbahn einfahren, so galt die Devise „jetzt aber bloß schnell weiter“, denn andernfalls drohte der dort ohnehin schon gut gefüllte Zug von Hunderten Menschen gestürmt und überrannt zu werden, die alle mit der Straßenbahn weiter in die Stadt fahren wollten. Ja, es gab auch im Krieg ein Leben und ein menschliches Gesicht, wenn die Umstände es erlaubten. Politik war hingegen kein Thema, mit 18 hat man andere Gedanken im Kopf als jene, die damals von der Mehrheit der Erwachsenen mit Begeisterung verinnerlicht wurden.

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STADTRUNDFAHRT

Man versuchte sich „durchzuwursteln“, den zunehmenden Kontrollverlust über das eigene Leben, den der Kriegsalltag mit sich brachte, durch „Abschalten“ und Rückzug zu übertünchen – zumal der Tag gut gefüllt war damit, sich selbst, die eigene Familie wieder satt zu bekommen und unbeschadet den nächsten Tag heraufziehen zu sehen. Überfordert und überarbeitet, gereizt und abgestumpft – diesem Gefühlscocktail fühlte man sich ausgesetzt. Und es gab noch eine Regung, die damals mitunter von einem Moment zum anderen zuschlug: nackte, hundsgemeine Angst und Panik, wenn auf einmal Luftalarm gegeben wurde. Das passierte gerade in dieser Zeit immer öfter – gab es 1942 in Nürnberg und Fürth nur viermal Luftalarm und einen An-

griff, so kam es 1943 schon zu vier großen Angriffen mit rund 1000 Todesopfern und tausenden stark beschädigter oder zerstörter Häuser. Wenn die Sirenen zu heulen begannen, hatten die Straßenbahnfahrer alle nur noch ein Ziel: so schnell wie möglich ohne Halt irgendwo an den Rand der Stadt zu kommen, weg aus dem Stadtzentrum, von Bahnstrecken und Industrieanlagen. Dabei spielten sich furchtbare Szenen ab – meine Mutter berichtete von einem Fall, bei dem ein Passant versuchte, auf die stadtauswärts fahrende Bahn aufzuspringen, dabei vom Trittbrett abrutschte, abstürzte und von einem Wehrmachts-LKW überfahren und getötet wurde. Der Tod war als Fahrgast, wenn auch unsichtbar, immer mit dabei. Spätestens

mit der Zunahme der Angriffswarnungen ging er niemandem mehr aus dem Kopf. Trotzdem drehten wie zu Friedenszeiten tagtäglich alle zehn Minuten insgesamt zehn Dreiwagenzüge auf der Linie 21 zwischen Ziegelstein und Fürth ihre Kreise; das blieb auch nach den großen Kürzungen im Angebot, die mit Kriegsbeginn am 1.9.1939 in Kraft gesetzt wurden, unverändert. Erst mit dem folgenschweren Luftangriff am 2. Januar 1945 musste der Betrieb massiv eingeschränkt werden, und ab dem 16. April 1945 kam er vollständig zum Erliegen. Der 21er war die letzte Linie, die da noch verkehrte; etwas mehr als ein ganzes Jahr sollte es dauern, bis er ab dem 6. Mai 1946 wieder in Gang kam, zunächst mit sieben, später dann wieder mit

Man versuchte sich „durchzuwursteln“, den zunehmenden Kontrollverlust über das eigene Leben, den der Kriegsalltag mit sich brachte, durch „Abschalten“ und Rückzug zu übertünchen.

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FOTOS: STADTARCHIV FÜRTH, FAHRPLANBUCH SAMMLUNG FERDINAND VON RÜDEN (3), ARCHIV WEBER

Fahrplan und Karte: Der über Jahrzehnte unveränderte Fahrplan des 1ers und sein Streckenverlauf im Kontext des Gesamtnetzes (blau hervorgehoben) wie es sich in den letzten Jahren vor Kriegsausbruch darstellte.

Ein 21er taucht aus Richtung Flößaustraße kommend in die Unterführung unter den Bahnanlagen des Fürther Hauptbahnhofs ein. „Multimodalität“ vor  Jahren – bis auf Autos sind alle Arten der Fortbewegung vertreten ...

Ende aller Großmachtträume: brennende Ruinen, auf die (Karolinen-)Straße gefallene Fahrleitungen – Stunde Null für den 1er und die Nürnberger Straßenbahn.

Fahrplan: Das „VerkehrsHandbuch“ beinhaltete neben Fahrplänen auch Informationen von Geschäftsadressen bis zu Vorschlägen für Wandertouren.

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STADTRUNDFAHRT

Der Wiederaufbau Nürnbergs machte für jeden sichtbar Fortschritte. Die Stadt bemühte sich dabei, bedeutende Sehenswürdigkeiten zurückzugewinnen.

Ein Luftbild aus den Nachkriegsjahren vermittelt einen eindrucksvollen Panoramablick über den Hauptbahnhof und sein Umfeld - die Enttrümmerung der Stadt ist abgeschlossen, an vielen Stellen wird neu gebaut, mancher Wiederaufbau ist schon fertiggestellt. Wenn auch alles noch sehr provisorisch wirkt – wie etwa die notdürftig geflickten Bahnsteigdächer – so lebt die Stadt doch wieder, selbst die Straßenbahnen fahren, wie rechts unten im Bild im Zuge der Bahnhofstraße. Es geht wieder aufwärts. Nürnberger Bolide vor einer handvoll Umbauwagen. E  1, mit 1 Tonnen Dienstmasse zu den schwersten E-Lok Deutschlands zählend, 1 vor einem Personenzug in Richtung Bamberg auf Gleis 1 des Nürnberg Hbf – aufgenommen vom Erfurter Lokführer Hans Köhler.

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FOTO: XXXXXXXX

Sommerliches Stadtleben im Fürth der fünfziger Jahre – die Straßenbahn kommt aus der Hirschenstraße und wird gleich von der Maxstraße in die Schwabacher Straße in Richtung Hauptbahnhof abbiegen. Die zunehmende Motorisierung ist noch klar auf die „dickeren Geldbeutel“ konzentriert, Kinderwagen im Stil der zeitgenössischen Moderne sind hingegen auch für weniger Wohlhabende erschwinglich.

Häufigkeitsmotiv: eine von vielen Postkarten, die den wiederaufgebauten Bahnhofsvorplatz zeigen (um 1). Die ausgedehnten Anlagen des Bw Nürnberg Hbf passiert am 1. September 1 die ÖBB-11.1 mit dem E 1 nach Frankfurt. Zuvor brachte sie den D  DonauKurier aus Wien über Passau hierher. Ihre Höchstgeschwindigkeit von 1 km/h reichte auf dem weiteren Laufweg für den Donau-Kurier nicht aus; links V1 11.

den gewohnten zehn Umläufen und auf unverändertem Linienweg. Das war seit 1926 VR JHZHVHQ XQG VROOWH ELV ]XU GHÀQLWLYHQ Einstellung des Straßenbahnverkehrs zwischen dem Nürnberger Plärrer und Fürth mit dem abendlichen Einlauf der Züge ins Werk Maxfeld am 21. Juni 1981 so bleiben. Damit war auch die Geschichte des Straßenbahnbetriebs in Fürth insgesamt abgeschlossen. Die Stadt Fürth hat das so nie gewollt. Sie war gar nicht begeistert davon, dass

ihr die Entscheidung zum U-Bahnbau und damit zur Aufgabe des Straßenbahnbetriebs von Nürnberg „aufs Auge gedrückt“ worden war. Aber die Überlegungen, auch nach Betriebsaufnahme der U-Bahn in Fürth noch einen Inselbetrieb mit Straßenbahnen aufrecht zu erhalten, erwiesen sich rasch als unrealistisch. Fürth und die Straßenbahn, das war unwiederbringlich Geschichte geworden… Als dann am 28. Januar 1996 auch zwischen dem Rennweg und Ziegelstein der

Straßenbahnbetrieb aufgegeben und durch die neue U2 ersetzt wurde, war vom einstigen Streckenverlauf des 21ers nicht mehr viel übrig. Schon am 29. Januar 1978 war der Straßenbahnverkehr über die klassische Altstadttrasse zwischen dem Hauptbahnhof / Königstor und dem Jakobsplatz nahe dem Weißen Turm wegen U-Bahnbau aufgegeben worden. Am 16. Februar 1986 folgte dann mit dem Teilstück Plärrer – Opernhaus – Hauptbahnhof, ebenfalls wegen fortschreitendem U-Bahnbau, die andere

www.hobbymagazines.org FOTOS: STADTARCHIV NÜRNBERG/SLG. FERDINAND VON RÜDEN, HANS KÖHLER/SLG. GARN, STADTARCHIV FÜRTH, POSTKARTE: SLG. GARN; RICHARD KRAUSS/SAMMLUNG STEFAN CARSTENS

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STADTRUNDFAHRT

FOTOS: SAMMLUNG FREUNDE DER NÜRNBERG-FÜRTHER STRASSENBAHN EV /DR. H. DILLMANN, GRÜNER; SLG. THOMAS NAUMANN

Die Nachkriegsgeschichte des 1ers ist schnell erzählt: seit den sechziger Jahren war er fest in Händen der überaus geglückten Neubeschaffung von MAN-Sechsachser-Gelenkwagen, behängt mit einem passenden Vierachser-Beiwagen. Als dann die U-Bahn zwischen Nürnberg und Fürth Gestalt annahm (mittiges Bild: Stadtgrenze) verlor er Zug um Zug seine tragende Rolle im Netz, bis schließlich 11 sein letztes Stündchen geschlagen hatte. Am letzten Betriebstag machten in Fürth viele Menschen klar, dass sie ihre „Strassaboh“ gerne behalten hätten und der Abschied kein freiwilliger war.

noch verbliebene Innenstadtstrecke, die vom 21er in seiner Betriebsgeschichte befahren worden war. Heute liegen auf dem alten Linienweg des 21ers nur noch zwischen Hauptbahnhof und Stadtparkschleife Gleise, die bis zum Rathenauplatz auch zukünftig von den Bahnen der Linie 8 zwischen Erlenstegen und der Südstadt befahren werden. Einige Zeit sah es nicht danach aus, als ob die Straßenbahn am Nürnberger Verkehrsgeschehen noch beteiligt sein würde. Das hat sich in den vergangenen Jahren deutlich gewandelt; das stark geschrumpfte Netz bleibt nicht nur erhalten, sondern wird auch wieder erweitert. Mit dem Betrieb, aus dem in diesem Text eine kleine Facette beleuchtet wurde, hat dies aber nicht mehr viel zu tun: ein Dreiwagenzug, besetzt mit vier Köpfen Personal, das ist schon lange und dauerhaft Geschichte. Waren es auch nur wenige und zumeist bruchstückhafte Erinnerungen, die mir meine Mutter aus ihrer Nürnberger Arbeitsdienstzeit vermitteln konnte, so erlaubten sie es doch, einen bescheidenen Einblick in das zu nehmen, was unter diesen Verhältnissen damals auch eine kleine Alltagswelt war. Nicht nur einmal musste ich während Vorbereitung und Verfassen dieses kleinen Aufsatzes an „Schaffnerlos“ denken, die legendäre, 1978 erschienene LP von Wolfgang Ambros und Joesi Prokopetz, die längst Kultstatus genießt und vom letzten Arbeitstag des Wiener Schaffners Fritz Knottek erzählt. Ein Denkmal ganz anderen Kalibers für eine fast versunkene Arbeitswelt – daran hier anknüpfen zu wollen, wäre vermessen; es reicht schon, wenn es mir gelungen ist, das Augenmerk auf eine kleine, bislang kaum gewürdigte Facette des Straßenbahnverkehrs unter den besonderen Bedingungen der damaligen Zeit zu lenken. Nicht nur in Nürnberg und nicht nur in Deutschland, in keinem der damals in den Krieg verstrickten Länder wäre ohne vergleichbare Aushilfen, die unter oft mehr als bescheidenen Umständen dort Lücken füllten, noch ÖPNV möglich gewesen. Gedankt wurde es ihnen nicht… THOMAS NAUMANN

Heute liegen auf dem alten Linienweg des 1ers nur noch zwischen Hauptbahnhof und Stadtparkschleife Gleise.

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KINO

Als die Eisenbahn in der großen Zeit des Filmes eine „Rolle“ spielte . . .

Berlin-Express

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HLQREJOHLFKGHU)LOPVRKHL‰WLVWHUNHLQ(LVHQEDKQÀOPDEHU der Anteil der Eisenbahnszenen ist doch mehr als passabel. Er ist ein amerikanisches Werk, dessen Aufnahmen ab 1946 in Paris, Frankfurt/Main und Berlin gemacht wurden und die der französisch-amerikanische Regisseur Jacques Tourneur gestaltete. Der Film kam 1948 in den USA und Frankreich heraus, 1954 inhaltlich stark verändert in Deutschland. Ich bin mir sehr sicher, dass der deutsche Synchronregisseur das präpotente Militärgequatsche des amerikanischen Originals seinen deutschen Landsleuten ersparen wollte und deshalb aus einer Werwolfnummer in einen Kunstraub wechselte. Heutzutage aber muss man ihn im Fernsehen auch auf Deutsch mit der originalen Geschichte ertragen. Das Ganze fängt putzig an, vier kleinen französischen Jungen fällt eine abgeschossene Taube vor die Füße (genau unter dem Eiffelturm, natürlich). Sie wollen sie, wie das Kinder so tun, beerdigen, aber eine „Maman“ kommt dazwischen, die das Tier in die Nahrungskette eingliedern möchte und entdeckt dabei einen Zettel an seinem Fuß mit der Aufschrift „21:45 D 9850 Sulzbach“. Die Notiz wird der Polizei übergeben, die sofort erkennt, dass das Papierblättchen deutschen Ursprungs sein muss, weil die Notiz in Fraktur geschrieben ist. (Ich persönlich habe in meiner fast ein Dreivierteljahrhundert umfassenden Existenz noch nie einen handschriftlichen Zettel gesehen, der in Fraktur verfasst war, abgesehen davon, dass Fraktur 1942 auf allerhöchsten Erlass hin in Deutschland verboten wurde.) Je nun, alliierte Kreise ahnen Böses, Militärkommandanturen schieben die Unterkiefer nach vorn, ohne jedoch herauszubekommen, was sich hinter der Botschaft verbergen könnte. 'DQQDEHUEHÀQGHQZLUXQVDXIGHU*DUHGHO¶(VWGHP3DULVHU Ostbahnhof, auf dem um 21 Uhr 45 ein Militärzug nach Frankfurt

DEIDKUHQVROOJHIKUWYRQHLQHUQLFKWLGHQWLÀ]LHUEDUHQIUDQ]|VLVFKHQ 'DPSÁRN,P=XJEHÀQGHWVLFKHLQ6FKODIZDJHQPLWGHU1XPPHU 9850 und im Abteil D wird ein hoher Deutscher untergebracht, der kurz nach einer Zwangsbremsung auf schon deutschem Gebiet (in Sulzbach) einem Bombenattentat erliegt. Die völlig bescheuerte Handlung des Films will es, dass dieser Deutsche Deutschland wieder einigen soll und es auch als Einziger durchführen kann, aktive Nazis dieses aber, warum auch immer, verhindern wollen. Dann fährt der Zug, nun von 01 076 gezogen, im Hauptbahnhof Frankfurt ein. Die gewaltigen Stahlbögen der Hallen haben kriegsbedingt ihre Verglasung verloren, dennoch tobt unter ihnen das Leben. Vor den üblichen preußischen Dreiachsern stehen eine P8 und eine T18, daneben die 01 mit ihrem Schnellzug. Die Reisenden des Wagens 9850 werden zum ehemaligen IG-Farben Gebäude nach Höchst (amerikanisches Hauptquartier) gekarrt, um dort vernommen zu werden. Es kommt nichts dabei heraus, nur wird klar, dass der hohe Deutsche nicht ermordet wurde, sondern sein Stellvertreter. Zurück auf dem Frankfurter Hbf wollen die

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ABBILDUNGEN: SAMMLUNG JORDAN

Reisenden die Tour nach Berlin fortsetzen, als sie Zeugen der Entführung des Deutschen werden. Alle mittlerweile befreundeten Passagiere, Franzosen, Briten, Amerikaner und ein sowjetischer Hauptmann, machen sich auf die SuFKHQDFKLKPXQGÀQGHQLKQOHW]WOLFKLPWRWDOYHUZVWHWHQ Frankfurter Zentrum und befreien ihn aus den Händen von Altnazis nach einem Schusswechsel. Auf der weiteren Reise nach Berlin kommen die internationalen Passagiere zu der Erkenntnis, dass sich unter ihQHQGHU9HUUlWHUEHÀQGHQPXVVGHUDXFKGHU%RPEHQOHJHU LQ 6XO]EDFK ZDU 6LH ÀQGHQ %HZHLVH XQG ZROOHQ LKQ IHVWnehmen, es kommt zu einer Schießerei mit amerikanischer Militärpolizei, bei der der Böse erschossen wird und sein Leichnam kann der amerikanischen MP in Berlin-Wannsee übergeben werden, wobei sich herausstellt, dass er ein nazistischer Werwolf war. Der gute Deutsche kann nun in Berlin den Alliierten helfen, Deutschland wieder zu einen. Dass daraus nichts wurde, wissen wir, schließlich hatten die Alliierten das Land geteilt und hätten es auch lässig selber wieder einen können. Aber die unsinnige Handlung kann dem Film nicht die Qualität eines Zeitdokumentes nehmen, denn Paris kontrastiert in seiner Schönheit mit den verwüsteten Städten Frankfurt und Berlin und darüber hinaus können wir interessante Eisenbahnszenen aus Paris, Frankfurt und Berlin-Wannsee sehen. LUTZ JORDAN Berlin-Express (Thriller, USA, 1). Regie: Jacques Tourneur, Autor: Curt Siodmak, Drehbuch: Harold Medford, Kamera: Lucien Ballard; Robert Ryan als Lindley, Merle Oberon als Lucienne, Paul Lukas als Dr. Bernhardt, Roman Toporow als Leutnant Kirohilov.

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Aachen – Köln (1/)

Tunnelaufschlitzung

Unmittelbar nach Beginn der Abbrucharbeiten im Herbst 1 entstand diese Aufnahme entlang des Arms des Eimerkettenbaggers: Das Portal war bereits demontiert und im Hintergrund zu sehen ist die „Hilfsbetriebsstelle Tunnel Ost“. Aus dem Tunnel zog der Dampf des vorangefahrenen Zuges.

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BAHN Epoche · Frühjahr 1

über dem rollenden Rad Ob Streckensanierungen, Umbaumaßnahmen oder extreme Wetterverhältnisse: Von der DB vorgenommene Streckensperrungen sind heute nichts Besonderes mehr, ja fast schon alltäglich. Sogar Hauptstrecken werden manchmal für Wochen oder sogar Monate gesperrt, um so entsprechende Baumaßnahmen einfacher durchführen zu können, selbst wenn Bahnkunden dadurch erheblich beeinträchtigt werden. Aber dies war nicht immer so: Früher versuchte man alles, um solche Sperrungen zu vermeiden und führte sogar anspruchsvollste Umbauten „unter dem rollenden Rad“ durch. An eine solche vor über  Jahren durchgeführte Maßnahme soll in diesem Artikel erinnert werden, dem Ersetzen des westlich von Köln gelegenen Königsdorfer Tunnels durch einen Einschnitt.

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Der Königsdorfer Tunnel der Hauptstrecke Köln–Aachen lag zwischen Horrem und dem namensgebenden Ort Groß Königsdorf. Gekreuzt wurde die Bahnstrecke von der Grubenbahn der Roddergrube, auf der auch zwei Lokomotiven der Baureihe  im Einsatz standen – diese waren 1 von Henschel fabrikneu an die Roddergrube geliefert worden.

www.hobbymagazines.org FOTO UND KARTE: BD KÖLN/SAMMLUNG HÜTTER

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ie 1841 von der Rheinischen Eisenbahn eröffnete Strecke von Köln nach Aachen musste zwischen den Orten Groß-Königsdorf und Horrem den fast ausschließlich aus Sand bestehenden Höhenzug „die Ville“ überwinden. Hierzu plante man die Errichtung eines Tunnels – des „Königsdorfer Tunnels“ – der ab 1837 in nur vierjähriger Bauzeit gebaut worden war. Es handelte sich um einen der ersten Vollbahntunnel in Deutschland überhaupt, der außerdem mit seiner Länge von 1623 m der damals längste Eisenbahntunnel Europas war. Der Bau erfolgte von fünf Schächten aus in sogenannter „Kernbauweise“; das gemauerte Tunnelgewölbe bestand aus drei konzentrischen Ziegelringen, bei denen die Ringe allerdings nicht miteinander verschränkt worden waren. Die Ziegel hatte man vor Ort aus Lehm gebrannt, die Schächte dienten später der Tunnelentlüftung. Bereits am 22. August 1839 wurde der Tunnel abschnittsweise von /RNRPRWLYHQEHIDKUHQ²GLHRIÀ]LHOOH,QEHtriebnahme erfolgte am 6. September 1841.

Der erste Vollbahntunnel Deutschlands kam in die Jahre Der Verkehr auf der Hauptbahn von Köln nach Aachen hatte im Laufe der Jahre immer mehr zugenommen – so befuhren Mitte der fünfziger Jahre jeden Tag alleine 170 Reisezüge diese Strecke. Dass der lange Tunnel dadurch so gut wie immer verqualmt und entsprechend feucht war, versteht sich unter diesen Bedingungen von selbst. Aus den dreißiger Jahren gibt es Berichte, dass das Mauerwerk immer wieder ausgebessert werden musste, doch aus den davor liegenden Jahren sind leider keine Berichte über Schäden überliefert. Ab 1937 hatte man das Tunnelgewölbe in der Nähe des Westportals auf 250 m Länge mit einer „Rückenisolierung“ versehen, welche das Eindringen von Wasser verhindern sollte. Doch auch andere Eingriffe musste der Tunnel über sich ergehen ODVVHQ,QGHQ-DKUHQXQGZXUGHQ bei der Begradigung der Tunnelgleise Teile des inneren Ziegelringes in etwa 3,5 m Höhe ausgestemmt – und zwar um das LichtraumSURÀO ZLHGHUKHU]XVWHOOHQ %HL .ULHJVHQGH war der Tunnel auf 14,5 m Länge durch eine Sprengung zum Einsturz gebracht worden. Anfang Februar 1954 wurden erste Schäden am Mauerwerk beobachtet, die sich immer schneller ausbreiteten. Ausgangspunkt waren die maximal eine halbe Ziegelsteinlänge tiefen Ausstemmungen, neben denen sich ganze Ziegelsteinplatten lösten und zu Boden auf die Gleise stürzten. Ähnliches war zwar schon in früheren Wintern beobachtet worden, aber in deutlich geringerem $XVPD‰,QHLQHP]HLWJHQ|VVLVFKHQ%HULFKW KLH‰HVGD]XÅ,QGHQIROJHQGHQ7DJHQO|Vten sich neue Schalen an anderen Stellen und gleichzeitig mußte man beobachten,

Der ausgeklügelte Betriebsplan. Mit dem Fortschreiten der Baumaßnahmen änderten sich auch Gleisplan und Signalisierung in der Umgebung des Tunnels. So wurden auf beiden Seiten des Tunnels sogenannte „Hilfsbetriebsstellen“ eingerichtet, von denen aus die neu verlegten Weichen sowie die zugehörenden Signale gestellt wurden. Am Tunnelportal der späten 1830er Jahre. Mit sogenannten „Unterrüstwagen“, die auf den äußeren Schienen der ehemals zweigleisigen Strecke verschoben werden konnten, wurde der Tunnelbereich, in dem die Baggerarbeiten stattfanden, gegen Einsturz gesichert. Genau neun solcher Wagen waren für die Abbrucharbeiten gebaut worden – mit ihnen konnten insgesamt  Meter Tunnelstrecke gesichert werden. Achtung Lokführer! Nicht qualmen! Die Zugdichte, besonders im Güterverkehr, muss auf der Hauptstrecke Köln – Aachen enorm gewesen sein.   des Bw Düren passiert die Großbaustelle mit bis zu  Stundenkilometern (1. Februar 1).

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BAHN Epoche · Frühjahr 1

DOKUMENT: SAMMLUNG HÜTTER, FOTOS: BD KÖLN/SAMMLUNG HÜTTER, FISCHER/SAMMLUNG EISENBAHNSTIFTUNG

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dass sich anschließend an beseitigte Platten in kurz YRUKHUQRFKIHVWHQ/DLEXQJVÁlFKHQZHLWHUH6FKDlen gelöst hatten, die sofort wieder abgeschlagen werden mußten. Es kam auch vor, dass sich solche Teile mit einem Knall vom dahinterliegenden Mauerwerk trennten, sodass man an den Vorgang bei Bergschlägen erinnert wurde. ,P ZHLWHUHQ 9HUODXI ZDU HV QLFKW VHOWHQ GDVV sich geschlossene Platten von 2 bis 3 m Breite und einer Länge bis zu etwa 6 m aus der Laibung absprengten, also mit Flächen bis zu 20 m2. Dieser Vorgang setzte sich über Wochen hinweg fort und dauerte bis in den Mai hinein.“ Noch nie zuvor hatte es so starke Zerstörungen in so kurzer Zeit an einem bis dahin wenig schadhaften Tunnel gegeben! Die sogleich begonnene Ursachenforschung NRQQWHMHGRFKNHLQHGHÀQLWLYHQ$QWZRUWHQJHEHQ – die genauen Gründe blieben unklar: Vermutlich war durch die Ausstemmungen die Druckübertragung unterbrochen worden, was zusammen mit dem lang anhaltenden Frost des Jahres zu starken Scherkräften führte, welche das Abplatzen der Steine verursachten.

Um den umfangreichen Verkehr auf der Strecke aufrecht erhalten zu können, wurden verschiedene Sofortmaßnahmen ergriffen: Zweimal täglich wurde der Tunnel von Streckenläufern begangen und einmal wöchentlich mit Hilfe eines Tunnelgerüstwagens durch die Bahnmeisterei geprüft. Um Schäden schneller erkennen zu können, wurden an besonders gefährdeten Stellen Gipsbänder auf dem Gewölbe aufgebracht. Bei den Untersuchungen entdecktes loses Mauerwerk musste während der Zugpausen abgeschlagen werden. Für die Absicherung besonders gefährdeter Tunnelabschnitte DP 2VWSRUWDO VRZLH XQWHU (QWOIWXQJVVFKDFKW ,,, wurden vorsorglich 80 Stück „schwere Unterrüstungsböcke“ aus massiven Kanthölzern bereitgestellt, die kurzfristig in den Tunnel eingefahren werden konnten. Danach wäre aber nur noch ein eingleisiger Betrieb möglich gewesen – daher wurde in der Mitte zwischen den beiden Gleisen ein drittes Gleis verlegt. Vor den Tunnelportalen wurden Weichen zum sofortigen Einbau gelagert sowie die SignalanODJHQ HQWVSUHFKHQG YRUEHUHLWHW ,P -DQXDU  wurde die Höchstgeschwindigkeit im Tunnel von

Winter 1954/55: Deutlich zu erkennen sind die verschiedenen „Tunnel-Schalen“, die hier von einem -geführten Schnellzug durchfuhren wurden: Zunächst kamen die verschiebbaren Unterrüstwagen, welche von der „leichten Einrüstung“ umgeben waren – und diese schmiegte sich schließlich an die gemauerte Tunnelröhre an. Neben dem Gleis lagen zahlreiche Schienenbögen der bereits demontierten „leichten Einrüstung“.

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BAHN Epoche · Frühjahr 1

80 km/h auf 30 km/h verringert; am 22. März 1954 erfolgte eine erneute Reduktion auf 10 km/h.

Es kam nur die „Aufschlitzung“ infrage Noch während der Durchführung der Sofortmaßnahmen wurde mit der Planung der endgültigen Lösung begonnen. Untersucht wurden fünf verschiedene Lösungsansätze – endgültig entschieden hatte man VLFK²DXFKDXIJUXQGGHUJHSODQWHQ(OHNWULÀ]LHUXQJ der Strecke – für die „Aufschlitzung“ des Tunnels auf seiner gesamten Länge. Für die Bestimmung der geeigneten Böschungsneigung wurden zahlreiche Probebohrungen entlang der Strecke durchgeführt – mit dem Ergebnis, dass rund 4,4 Mio. cbm Boden abgetragen und „verkippt“ werden musste. Glücklicherweise gab es in der Nähe vier als „Kippen“ geeignete Sand- und Braunkohlegruben – tatsächlich genutzt wurden allerdings nur die beiden Braunkohlegruben. Die Tunnelstrecke wurde übrigens von der normalspurigen Grubenbahn der Roddergrube gekreuzt – und zwar auf einer Spannbetonbrücke: Diese war 1951/52 angelegt worden, da man bei der Trassierung der Grubenbahn bereits von einer späteren Aufschlitzung des Tunnels ausgegangen war. Nach der Ausschreibung der Arbeiten durch die Deutsche Bundesbahn gingen insgesamt 45 Angebote ein, von denen elf in die engere Auswahl kamen. Den Zuschlag erhielt die Arbeitsgemeinschaft

Strabag, Hochtief, Ph. Holzmann, Polensky & Zöllner in Verbindung mit der Fa. Kronibus, die für den Bandbetrieb zuständig war, denn der Abtransport der Erdmassen sollte über Transportbänder erfolgen. Die Baggerleistung wurde mit 10 000 m3 pro Tag angesetzt. Für die Koordination der Arbeiten wurde ein DBNeubauamt eingerichtet, da das für den Tunnelbetrieb zuständige Betriebsamt durch die zahlreichen mit dem Abbruch verbundenen Aufgaben überlastet gewesen wäre. Die auf 10 km/h verringerte Höchstgeschwindigkeit führte zu einer erheblichen Verspätung der Züge. Um diese zu reduzieren, sollte die Geschwindigkeit wieder auf 50 km/h erhöht werden – dazu musste der Tunnel allerdings auf seiner gesamten Länge mit einer sogenannten „leichten Einrüstung“ versehen werden, die den Zugverkehr vor herabfallenden Steinen schützen sollte. Dafür verwendet wurden gebogene alte Schienen, die mit Verschalungsbrettern abgedeckt wurden. Außerdem wurde zwischen Verschalung und Tunnelgewölbe sogenannter „Sackbeton“, also ein Zement-SandGemisch in Säcken, eingebracht, der nach dem Nässen kraftschlüssig aushärtete. Unter dem beVRQGHUVJHIlKUGHWHQ(QWOIWXQJVVFKDFKW,,,ZXUGHQ „schwere Unterrüstböcke“ aus Kantholz eingebaut. Diese waren auf einem Werkplatz vormontiert und mit einem speziellen Bockversatzwagen in den Tun-

Das Grabungsschema: Beim Abtragen des Materials arbeiteten die Bagger in verschiedenen Ebenen. Die kleineren Bagger auf der untersten Ebene besaßen kein eigenes Übergabeband – sie warfen ihren Aushub hinter sich auf den Hang, sodass dieser vom Eimerkettenbagger abtransportiert werden konnte. Der Abstand zwischen den beiden Eimerkettenbaggern betrug mehrere hundert Meter und ist hier verkürzt dargestellt.

www.hobbymagazines.org FOTO: BD KÖLN/SAMMLUNG HÜTTER, ZEICHNUNG: SAMMLUNG HÜTTER

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

Das war’s – nur das Westportal musste noch fallen, bis auch der letzte Rest von Tunnel nicht mehr existierte. Anlässlich dieses besonderen Ereignisses hatte man sich auf dem noch stehenden Rest des Portals zu einem Erinnerungsfoto versammelt. Die Brücke im Hintergrund wurde von der Grubenbahn der Roddergrube befahren (Dezember 1). Durch den großen Einschnitt, dessen Fuß durch die zerkleinerten Gewölbesteine des Tunnels stabilisiert wurde, dampfte am 11. September 1 die  1 (Bw Düren) mit einem Nahgüterzug aus Köln.

nel eingefahren und hydraulisch abgesetzt worden. Da man befürchtete, dass durch die Erschütterungen bei den Baggerarbeiten der Tunnel einstürzen könnte, musste das Tunnelgewölbe in der Zone des Baggerbetriebs mittels sogenannter „schwerer Rüstung“ unterstützt werden. Diese bestand aus neun gekoppelten „Unterrüstungswagen“ mit insgesamt 69m Länge, welche auf den äußeren Schienen der zweigleisigen Strecke liefen und mit Winden und Pressen 20 cm angehoben werden konnten. Die Bewegung der Wagen erfolgte ebenfalls durch Winden; die Versetzung dauerte 8 bis 10 Stunden – bei Aufrechterhaltung des Zugbetriebes. Der Einbau der verschiedenen Unterrüstungen erfolgte in den nächtlichen Betriebspausen von 23.00 bis 01.50 Uhr – für den Einbau benötigt wurden insgesamt 64 Nächte. Voraussetzung für diese Arbeiten war die Einrichtung des eingleisigen Betriebs, welche am 11. September 1954 erfolgte. Die Geschwindigkeit wurde zunächst auf 20 km/h erhöht, am 29. Oktober dann auf 30 km/h und am 21. November 1954 schließlich auf 50 km/h. Auf beiden Seiten des Tunnels hatte man außerdem +LOIVEHWULHEVVWHOOHQ HLQJHULFKWHW ,Q HLQHU alten langgestreckten Kiesgrube 500 m vor dem Westportal war ein Bereitstellungsplatz mit Anschlussgleis geschaffen worden, auf dem tagsüber die Montagewagen der Arbeitszüge beladen wurden. Die Bagger waren auf vier Ebenen tätig: Ganz oben bereiteten Greifbagger das Planum für den oberen Eimerkettenbagger vor; auf einer Terrasse auf halber Höhe befand sich der zweite Eimerkettenbagger und ganz unten waren mittelschwere Greifbagger mit dem Freilegen des Tun-

nelgewölbes beschäftigt. Der Aushub wurde mit drei Querbändern zum Hauptband befördert, das sich über eine Länge von 2,5 km entlang der Baustelle erstreckte, eine Bundesstraße überquerte und schließlich in der ausgekohlten „Kippe“ endete. Das Hauptband war allerdings nicht durchgehend, sondern bestand aus mehreren aneinandergereihten kürzeren Bändern – insgesamt wurden neun Bänder mit Längen zwischen 200 und 400 m eingesetzt.

Heute unvorstellbar: das Tempo von Planung und Durchführung Der Abbruch der Tunnelröhre folgte dem Erdabtrag – zunächst wurde das freigelegte Gewölbe beseitigt, dann die Seitenteile. Die Steine ließ man vor Ort zerkleinern und von den Greifbaggern in den Böschungsfuß einbringen. Ebenfalls demontiert wurde in diesem Bereich die „leichte Einrüstung“, die ihre Aufgabe erfüllt hatte. Wurden aufgrund des Fortschreitens der Bauarbeiten einzelne Bänder nicht mehr benötigt, so wurden sie abgebaut und in der „Kippe“ wieder aufgebaut. Da vom Besitzer der „Kippe“ gefordert worden war, dass das Material in bestimmten „Figuren“ geschüttet werden sollte, war die Entwicklung zusätzlicher Maschinen, mit denen diese Forderungen erfüllt werden konnten, notwendig gewesen. Erwähnenswert sind auch die speziell für diese Baustelle entwickelten Gleisrückmaschinen, welche die Gleise der Eimerkettenbagger während des Betriebes verschieben konnten. ,P 6RPPHU  ZDUHQ GLH$EEUXFKarbeiten so weit fortgeschritten, dass die Hilfsbetriebsstelle Ost um 600 m versetzt

und der eingleisige Betrieb auf 1,2 km verkürzt werden konnte. Beendet werden konnten die Abbrucharbeiten im Dezember 1955. Als einziges Überbleibsel stehen geblieben waren zwei Pylone des östlichen Tunnelportals – als Erinnerung an die Pionierarbeit, die dort im Jahr 1837 geleistet worden war und die einen Tunnel hervorgebracht hatte, der über 100 Jahre lang zuverlässig der Eisenbahn gedient hatte. Während des Abbruchs hatte man übrigens auch festgestellt, dass sich die konzentrischen Mauerwerksringe weitgehend voneinander gelöst hatten und die getroffene Entscheidung zum Abbruch des Tunnels somit richtig gewesen war. Dass ein Tunnel abgebrochen und durch einen Einschnitt ersetzt wurde, war kein einmaliges Ereignis – auch andere Tunnels wurden auf diese Weise umgewandelt, so z.B. 1933/34 der Oberauer Tunnel der Strecke von Leipzig nach Dresden, welcher von 1837 bis 1839 als erster Vollbahntunnel Europas überhaupt entstanden war, oder 1937 der Schönhuter Tunnel auf der schlesischen Gebirgsbahn. Einzigartig waren dagegen das Tempo, mit dem der Abbruch geplant und durchgeführt wurde – und dies bei voller Aufrechterhaltung des Bahnbetriebs. Auch der Abtransport der Erdmassen mit einer Bandstrasse war eine Pionierleistung, die sich sehen lassen konnte. Nicht umsonst wurde die Baustelle von mehr DOV,QJHQLHXUHQYHUVFKLHGHQHU)DFKrichtungen besucht – und auch der damalige Bundesverkehrsminister Dr. Seebohm machte zusammen mit seinem schwedischen Amtskollegen sowie dem Generaldirektor der Schwedischen Staatsbahnen seine Aufwartung. INGO HÜTTER

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FOTOS: BD KÖLN/SLWILL A. REED/EISENBAHNSTIFTUNG

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ROLLBAHN

Notizen aus der Dampflokzeit zwischen Hamburg, Osnabrück und Köln – aufgezeichnet von Jürgen Munzar

1 1: Die Zerstörung und Wiederauferstehung einer Rollbahnlok

F

rankfurt, am Dienstagmorgen des 27. April 1954. Als der Italien-Skandinavien-Express F 211 in den Hauptbahnhof einrollt, hat er 37 Minuten Verspätung. „Er gilt als einer der schnellsten Züge Europas. Er hat alles an Bequemlichkeit, was heute die Eisenbahn zu bieten hat“, schreibt die Frankfurter Rundschau. „Aber er hat auch einige Grenzen zu passieren. Und er hat Verspätung.“ Ein paar Kurswagen, die er auf seinem Weg von Rom nach Kopenhagen in Basel aufnehmen musste, waren nicht rechtzeitig zur Stelle.

Hier in Frankfurt wird Kopf gemacht. %UHPVSUREH %UHPV]HWWHO $EIDKUWVSÀII Mit einer neuen Lokomotive – der Bebraner 01 1052, die sich mit dem angekuppelten Speisewagen, der ab Frankfurt mitgeführt wird, an die Zugspitze außerhalb der Halle gesetzt hat – verlässt der Express die Mainmetropole im anlaufenden Berufsverkehr um kurz nach sechs Uhr. Lokführer Goetz und Heizer Hobert, obgleich mit der Maschine und den hessischen Einsatzstrecken bestens vertraut, haben Mühe, den aus zwölf schweren Vorkriegs-, darunter

auch vier Schlafwagen bestehenden Zug zu beschleunigen, während im Speisewagen an der Zugspitze Geschäftsführer Dietrich Vorbereitungen für das erste Frühstück trifft. Hanau Hauptbahnhof. In dichten Reihen stehen Werktätige auf dem Süd-Bahnsteig. Sie erwarten den Personenzug 2755 aus Wiebelsbach-Heubach um 6.16 Uhr zur Weiterfahrt nach Frankfurt. Hunderte von Arbeitern aus dem Odenwald steigen aus, und nicht viel weniger Hanauer Arbeiter nehmen die eben verlassenen Plätze wie-

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FOTO: DR. FEISSEL/EISENBAHNSTIFTUNG; ZEITUNGSAUSSCHNITTE UND UNFALLSKIZZE: SAMMLUNG MUNZAR

Der gerammte Italien-Skandinavien-Express beherrscht die Schlagzeilen in der Tagespresse. Die abgestürzte Zuglok 01 1052 lässt sich trotz des Einsatzes zweier Eisenbahnkräne und schweren Geräts der US-Army nicht bergen und muss vor Ort teilzerlegt werden. Prinzipskizze des Unfallhergangs in Hanau am Morgen des . April 1.

GHUHLQ'HU$EIDKUWVSÀIIJHOOW/RNIKUHU Kraus greift zum Regler und entlockt der 38 2189 keuchende Auspuffschläge. Kurz bevor der Fernexpress über die Mainbrücke bei Steinheim dampft, betreten die ersten Gäste den Speisewagen. Ein Ehepaar aus Kassel setzt sich auf Platz 11 und 12. Der Kellner, eben fragt er noch nach ihren Wünschen, „Kakao, bitte!“, kommt nicht mehr zum Servieren. Ein Stoß von ungeheurer Gewalt trifft den mit 90 Stundenkilometern fahrenden F 211. Hebt seine vorderen fünf Wagen aus den Gleisen, schiebt sie unter lautem Splittern und Bersten wie Streichholzschachteln auf- und ineinander. Dampf tritt aus, Wagen brennen, Menschen schreien, laufen durcheinander. Lokomotivführer Goetz sieht das Unglück kommen, leitet noch die Schnellbremsung ein, warnt seinen Heizer und springt in letzter Sekunde auf dessen Seite. Von der Wucht touchiert, entgleist ihre mächtige 0110, reißt dabei Schienen auseinander, stürzt den Abhang zur Rathenaustraße hinunter und bohrt sich mit ihrem Vorderteil metertief in die Erde. Eines ihrer Kuppelräder wird abgetrennt und kommt erst 30 Meter vor ihr zum Liegen. Glück für das Lokpersonal: Weil der Tender mit nahezu vollen Vorräten von der Lok abreißt und verkantet, werden Goetz und Hobert im Führerstand nicht von tonnenschweren Kohlemassen verschüttet und erdrückt. Der an der Zugspitze laufende Speisewagen hängt auf der Krone des Bahndamms im Trümmerfeld. Ein Drehgestell schwebt über der Unterführung der Westerburgstraße. Durch den Wagenboden hat sich eine Schiene gebohrt. Im Inneren windet sich armdicker Stahl zu einer Spirale und ragt zum Dach hinaus. Den Eheleuten wird sie zum Verhängnis. Die Frau stirbt auf dem Transport ins Hanauer Krankenhaus. Ihrem Mann müssen beide Beine abgenommen werden. Das Paar befand sich auf dem Heimweg von seiner Hochzeitsreise in Italien. Der Präsident der Bundesbahndirektion Frankfurt, Heß, erklärt an Ort und Stelle, dass die Schuld einwandfrei bei dem Hanauer Lokführer des Personenzuges gelegen hat. Er missachtete das Halt zeigende Signal vor der Mainbrücke. Es sollte ihn davor bewahren, den Fahrweg des verspäteten F 211 zu kreuzen. So jedoch fuhr er ihm in die Flanke. Hätte diese P8 über eine Indusi verfügt, wäre sie durch den Magneten am Signal vermutlich noch rechtzeitig zum Halten gekommen. So aber lautet das Resultat: Vier Menschen aus dem Fernzug ÀQGHQ GHQ 7RG  5HLVHQGH ZHUGHQ YHUletzt. Die Fahrgäste des Berufsverkehrszuges kommen mit dem Schrecken davon. Dazu immenser Sachschaden. ,QÀHEHUKDIWHU(LOHEHJLQQHQ%HUJXQJVtrupps und Arbeitskolonnen der Bundes-

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ROLLBAHN bahn Wagen und Trümmer zu beseitigen und 150 Meter Gleis zu erneuern. Da sich der 65-Tonnen-Kran aus Frankfurt als zu schwach erweist, wird ein 90-Tonnen-Kran aus Würzburg angefordert. Für beide muss an den Seiten der Unfallstelle ein neues Gleis verlegt werden. Dreizehn Stunden nach dem Unfall verkehren wieder erste Nahverkehrszüge zwischen Offenbach und Hanau. Bei Scheinwerferlicht wird die ganze Nacht weitergearbeitet. Zwei Eingeklemmte werden geborgen – tot. Gegen Mittag des 29. April kann auch der umgeleitete Fernverkehr wieder durchgeschleust werden. Die Aufräumarbeiten sind fertig – bis auf die Bergung der 01 1052. An der Unfallstelle lassen sich die Ausleger des Krans nicht genügend abstützen, und der hohe Schwenkarm kollidiert mit einer Hochspannungsleitung. Als Alternative ordert der amerikanische Stadtkommandant, Oberst O’Kane, seinen schwersten Straßenkran herbei. Unter diversen Vorkehrungen bahnt sich das kriechende Ungetüm den Weg durch Hanau, nur um nach einigen Versuchen zu zeigen, dass es ihm an Kraft fehlt, die 01 1052 zu heben. Jetzt bleibt der Bundesbahn nichts weiter übrig, als die Schnellzuglok am Abhang auseinanderzuschweißen und in mehrere Teile zu zerlegen. Auch ihren Rahmen. Das bedeuWHWHLJHQWOLFKGDV$XVIUMHGH'DPSÁRNRmotive.

Der bisherige Werdegang der 1 1 Am 25. Januar 1940 verließ 01 1052 als erste Serienlok ihrer Baureihe die Werkhallen der Berliner Maschinenbau-AG (vormals L. Schwartzkopff) in Wildau bei Berlin. Während Vorauslok 01 1001 bereits seit dem Spätsommer 1939 der Lokomotivversuchsanstalt Berlin-Grunewald diente, nahm am 17. Februar 1940 die 1052 dort ihren Platz ein. Ursprünglich in vielen hundert Exemplaren als Fortentwicklung der Zweizylinder-01 gedacht, rutschte die Baureihe 0110 mit ihrem DreizylinderTriebwerk und ihrer Vollverkleidung, die eine Höchstgeschwindigkeit von 150 km/h erlauben sollte, sofort mit ihrem Erscheinen in einen falschen Film. Mit jedem Monat, den der Krieg währte, und Hitler hatte nicht die Absicht, ihn zu beenden, wurde deutlicher, wie deplatziert und überholt stromlinienförmige Schnellzuglokomotiven im Tagesgeschäft waren. Schon im September 1940, nach der ersten, 55 Exemplare umfassenden Bauserie, hatte die DR eine weitere Beschaffung edler Rennpferde zugunsten grober Dutzendware für den Güterverkehr zu stornieren. Verteilte sich die BR 0110 noch 1942/43 grob im Dreieck Hannover – Breslau – Nürnberg, kon-

Retuschierte Illustration der 1 11, des ersten Exemplars einer neuen Generation von Schnellzuglokomotiven. Sie erscheint vollverkleidet, schwarz und glatt am . August 1 auf der Bühne – zwei Tage bevor Hitler den Krieg beginnt. Teilweise entschalt. Schon im Krieg fuhren zahlreiche 11 (und 1) mit einer in vielen Spielarten exerzierten Triebwerksfreilegung. Selbst nach der ersten Nachkriegs-L im RAW Nied (1.1.) kam 1 1 noch in diesem speziellen Aussehen daher; hier als Bebraner Lok volles Rohr am Morgen des . Juni 1 mit dem D  bei Wernfeld am Main. Äußerlich der Normalform angepasst zeigt sich 1 1 nach der L (Nied 1..), bei der sie den Dampfspender der 1 1 erhalten hat. Am 1. Juni 11 verewigt sie ein Eisenbahner der AKN während des Halts mit D 1 (Hamburg-Altona – Basel) in Hannover Hbf.

zentrierte und hinterstellte die DR ab Mai 1944 alle 55 Maschinen im Gebiet Braunschweig/Hannover/Göttingen/Kassel. Dies wirkt im Nachhinein wie eine prophetische Maßnahme, denn so sollte nicht eine einzige 0110 in den sowjetischen Machtbereich gelangen. 01 1052 stand nach Kriegsende im Bahnhof von Hasperde ab, geführt als Z-Lok des Bw Hameln. Vollumfänglich in den Erhaltungsbestand der neu entstehenden westdeutschen Staatsbahn übernommen, erhielten alle 0110 in den Jahren

1948-50 Hauptuntersuchungen. Im Fall unserer 01 1052 erfolgte jeweils im Werk Frankfurt-Nied vom 23.9.48–14.1.49 eine L3 mit teilweise freigelegter Verkleidung, gefolgt von einer L4 vom 16.6.–17.8.50, nach der sie mit einer neuen Kesselverkleidung ihre Windschnittigkeit komplett einbüßte. Ihr Einsatz-Bw lautete seit 1949 Bebra. Die ersten großen Schäden an den Kesseln mit dem problematischen Baustoff St47k machten sich bemerkbar. Dadurch kam es zum regelmäßigen Kesseltausch,

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www.hobbymagazines.org FOTOS: BMAG/SAMMLUNG GARN, CARL BELLINGRODT/SAMMLUNG GARN, KURT HERBENER/SAMMLUNG FDE

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ROLLBAHN Braunschweiger Meriten sind untrennbar mit der Nachkriegsblüte der Baureihe 11 verbunden. Kein anderes Ausbesserungswerk musste sich intensiver um die lauffreudigste Dampflokomotive Deutschlands kümmern, wie hier am Beispiel der 1 1 gezeigt wird. Anfang Mai 1: Einen erschreckenden Anblick boten die in die Richthalle hingestellten Reste der Unfalllok von Hanau. Merkwürdig: die umfassende Wiederaufarbeitung geschah im Rahmen einer L. April 1: Eingangsprotokoll auszuführender Plan- und Überplanarbeiten zur L (L wurde überschrieben). Mai 1: Auftragszettel für eine L. Als Öllok schlagen die Kilometer verschleißend zu Buche – über . in weniger als vier Jahren. Mai 1: Als Osnabrücker Lok im AW, letztmalig mit altem Nummernschild.

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FOTOS: SAMMLUNG MUNZAR, HELMUT BÜRGER/EISENBAHNSTIFTUNG; PROTOKOLLE: SAMMLUNG JÜRGEN MUNZAR UND CHRISTIAN ERNST

bis die Lösung einer Neubekesselung griff. Bei 01 1052 geschah dies vom 1.–30.12.1953 im AW Braunschweig.

Phoenix aus der Asche Beide Außenzylinder zerstört, Luft- und Fahrpumpe ebenso, ein vom Rahmen an den Pendelblechen abgetrennter Kessel, verbogene Treibstangen und Gestängeteile, ganze Radsätze abgeschert und der zerschnittene Rahmen … auf einigen Flachwagen verteilt, rollen die traurigen Überreste der 01 1052 von der Unfallstelle in Hanau in das Ausbesserungswerk Braunschweig. Fast ist man sich in der Oberbetriebsleitung Süd einig: diese Lok steht zur Ausmusterung an. Als Ersatzlok stationiert man die 01 1062 von Kassel nach Bebra um. Aber der Mangel an schweren Schnellzugloks zwingt die Verantwortlichen umzudenken. Es wird ein Kostenvoranschlag vom AW erarbeitet – und auf Grund des noch neuwertigen Kessels der Auftrag zur Aufarbeitung erteilt. Keine ganz leichte Sache für die Fachleute in Braunschweig, aber darin haben sie große Erfahrung – man denke nur an die Aufarbeitung der 01 158 nach dem schwersten Zugunglück in Genthin am 22. Dezember 1939. Am 3. September 1954 verlässt mit 01 1052 eine fast neue Lokomotive das Werk – bereit für einen neuen Lebenszyklus in ihrer alten Heimatdienststelle Bebra. Sie läuft genauso ruhig und gut, als hätte sie nie einen Unfall gehabt. An Großteilen beschafft das AW Braunschweig: zwei Radkörper 2000 mm, 1. Treibachse: zwei Radkörper, 2. Treibachse: zwei Radkörper, eine Heinl-Speisepumpe, Luftpumpe (aus Werksbeständen), zwei Außenzylinder, zwei äußere Treibstangen, vier äußere Kuppelstangen sowie fast alle äußeren Steuerstangen. Das Führerhaus wurde in Schweißtechnik neu erbaut. Tender und Kessel können fast unbeschädigt weiterverwendet werden. Der Rahmen wird gerichtet und an den Trennstellen neu verschweißt. Zusätzlich schweißt man im Inneren des Barrenrahmens Flicken ein, um die Trennstellen zu stabilisieren. Der Autor wird dies später bei der Osnabrücker Einsatzzeit selber zu sehen bekommen.

Und die betroffenen Lokführer? Lokführer Goetze vom Bw Bebra sollte nach dem Unfall in Hanau nie wieder eine Lok fahren. Er wurde berufsunfähig. Seinen Hanauer Kollegen der 38 2189 verurteilte das Landgericht Hanau 1955 zu einem halben Jahr Gefängnis auf Bewährung. Bis zuletzt beteuerte er, grünes Licht am Signal gesehen zu haben. Gutachter widerlegten seine Aussage.

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ROLLBAHN

Es war einmal im Bahnhof Würzburg: Bebraner Drilling und Treuchtlinger Zwilling treffen sich im März 1. Weihnachtsverkehr: 1 1 trifft mit D 11 Holland-Skandinavien-Express nach Kopenhagen im Hamburger Hauptbahnhof ein (. Dezember 1).

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BAHN Epoche · Frühjahr 1

FOTOS: JOHANN B. KRONAWITTER, CONTI-PRESS

Lok 38 2189 (BMAG 1918) wird nach der Flankenfahrt in Hanau ins AW Trier gebracht. Bei der Arbeitsaufnahme stellt man fest, dass ihre Beschädigungen Sache einer anderen Schadgruppe sind. Die Lok wartet zwei Monate auf Abstellgleisen im Außenbereich auf eine L3. Damit kehrt sie am 15. August 1954 nach Hanau zurück, wo sie in Eigenarbeit mit einem Wannentender von der BR 52 gekuppelt wird. Sie bleibt für weitere sechs Jahre in Betrieb, wird am 30. September 1960 ausgemustert und bei der 6FKURWWÀUPD 7UDSS LP )UDQNIXUWHU 2VWKDfen zerschnitten. Mit der im Juni 1958 bei Henschel in Kassel eingebauten Ölhauptfeuerung eröffnen sich hingegen für 01 1052 Tages- und 0RQDWVODXÁHLVWXQJHQ LQ HLQHU ,QWHQVLWlW von bis zu 1200 bzw. 26000 km, die sonst in Deutschland (und in Europa) bei der Dampftraktion kaum erreicht werden. Am 3. Juli 1963 von Kassel im Bw Osnabrück Hbf angekommen, wird sie für den Dienst auf der Rollbahn sehnsüchtig erwartet. Für

gut fünf Jahre läuft sie zwischen Köln (nur noch kurzfristig), Hamm, Düsseldorf, Essen, Wanne-Eickel und Hamburg-Altona; in der Spitze sogar bis Kiel. Ganz werden in Osnabrück die Leistungen aus Bebra nicht mehr erreicht. Dennoch sind Züge von 600 Tonnen an der Tagesordnung, die mit einer Geschwindigkeit von 135 km/h laufen sollen. Die 1052 ist beim Lokpersonal recht beliebt. Sie gilt als guter Dampfmacher und zeichnet sich dazu noch durch ihre Laufruhe aus. Wer hätte dies – in Anbetracht der Fotos vom Unfallgeschehen in Hanau – für möglich gehalten? Nach dem Ende des Rollbahnbetriebes wechselt 012 052-7 am 30. September 1968 nach Rheine. Von nun an macht sie sich auf der Emslandstrecke nützlich, bis sie im Februar 1972 z-gestellt und im April ausgemustert wird. Zur Zerlegung rollt sie ins AW Braunschweig, den Ort ihrer Wiedergeburt im Sommer 1954. Immerhin waren ihr noch 18 Jahre vergönnt, um ihre Glanzzeit zu durchfahren. JÜRGEN MUNZAR

600 Tonnen aus dem Elbtal hinauszuwuchten glich zur Zeit der 11-Öl einem akustischen Inferno. Es gab keine Gnade, der Schnellzug musste hinter Buchholz 1 km/h laufen. Doch der Draht hängt schon im Juni 1 … noch drei Monate, ehe es leiser wird.

1 1 / 1 - Abnahme RAW Braunschweig 1.. LVA Grunewald 1.. – .11. Halle P .11. – .. LVA Grunewald .. – 1.. Hannover Hbf 1.. – 1.. Hameln .. – 1.. (abgestellt im Bf. Hasperde) RAW Nied L 1.1. (Stromlinienschale teilweise entfernt) Bebra 1.1. – .. EAW Nied L 1.. (normale Bauform, Kessel v. 1 1) AW Braunschweig L .. (Reparatur nach Unfall Hanau ..) Osnabrück Hbf .. – .. Bebra .. – 1.. Firma Henschel 1.. (Ölhauptfeuerung) Kassel 1.. – .. Osnabrück Hbf .. – .. Rheine .. – .. z .. (Mittelzyl. gerissen, innere Treibstange verbogen) Zerlegung AW Braunschweig .

www.hobbymagazines.org FOTO: ERNST-GÜNTER LICHTE

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ARBEITSWELT

Berufsalltag im Lokomotivfahrdienst: Ein Stoff, aus dem die Träume sind?

Mann im Feuer Ursachen und Folgen des Führerstandbrandes auf 1 

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s ist ein bedeckter Sommertag an diesem 3. August des Jahres 1969 und bereits am Vormittag schwülwarm; und es wird Regen geben, so viel steht fest. Dem von Köln kommenden elektrisch bespannten D 439 nach Norddeich wird in Münster für die Weiterbeförderung die seit September 1968 beim Bw Rheine beheimatete ölgefeuerte 012 066 vorgespannt. Während des dreiminütigen Aufenthaltes in Rheine, von 11:01 Uhr bis 11:04 Uhr, ÀQGHW HLQ 3HUVRQDOZHFKVHO VWDWW 'DV DQEULQJHQGH3HUVRQDOVSULFKWYRQVFKOHFKWHP Dampfmachen der Lok und wünscht den ablösenden Kollegen noch Hals- und Beinbruch … )U'VLHKWGHU3ODQQXQHLQH)DKUW ohne Halt von Rheine bis Emden vor und tatsächlich erweist sich 012 066 nicht gerade als besonders verdampfungsfreudig, dennoch setzt man keine Fahrzeit zu und der Kessel nähert sich nach und nach sogar dem Spitzendruck. Man kommt also gut voran, jedenfalls so lange, bis nach Durchfahren des Bahnhofs Aschendorf das Einfahrvorsignal des BahnKRIV3DSHQEXUJLQ6LFKW kommt, das unerwartet halt zeigt. Der Lokführer pfeift um seinen Unmut kund zu tun, der Zug ist schließlich ein Durchläufer. Aber das Signal bleibt auf halt. Nach seinem an den Heizer gerichteten Zuruf „Ich mache zu!“ schließt der Lokführer noch in erheblicher Entfernung vor dem Vorsignal den Regler. Der Heizer sperrt die Ölzufuhr ab und schließt den Ölregulierschieber. Fast gleichzeitig aber wird das Vorsignal frei (Signalbild Vr 1), wahrscheinlich auch das in der Ferne erkennbare Ausfahrvorsignal. Der Lokführer schickt sich an, erneut den Regler zu öffnen.

Das Unheil Was nun geschieht, ist nicht in sämtlichen Einzelheiten exakt zu rekonstruieren. Klar ist aber, dass nach einem explosionsartigen Knall in der Feuerbüchse aus den Übergangsbereichen zwischen Feuergeschränk (Sekundärluftschacht) und StehkesselrückZDQG 6WLFKÁDPPHQ KHUYRUVFKLH‰HQ GLH den Führerstand binnen Sekunden in ein Flammenmeer verwandeln (einer abweichenden Schilderung, wonach es das Feuergeschränk sogar weggeschleudert habe, begegnen die Autoren allerdings mit Skepsis). Lokführer und Heizer entkommen dem Inferno durch die Führerstandstüren nach draußen und klammern sich an den Handläufen fest, die Lok fährt zu diesem Zeit-

punkt noch mit etwa 80 bis 90 km/h. Der Lokführer versucht nun, durch das offene Seitenfenster hindurch, das Führerbremsventil zu erreichen und eine Schnellbremsung auszulösen, was ihm allerdings misslingt. Zum selben Zeitpunkt schafft es der Heizer, von der seitlichen Führerstandsleiter aus, den Notzug für die Ölabsperrung zu betätigen und damit die Feuerung abzustellen. Unterdessen ist der Lokführer in unfassbarer Selbstüberwindung auf den Führerstand zurückgekehrt und löst inmitten des Infernos die beabsichtigte Schnellbremsung aus. Er zieht sich dabei schwerste Verbrennungen zu. $XIGHP%DKQEHUJDQJYRUGHU3DSHQEXUJHU 'UHKEUFNH 3RVWHQ   GDQQ XQweit der Holzhandlung Brügmann, kommt

Blick ins Herz der Öllok 012 066: Durch die geöffnete Schauluke des Feuergeschränks im Führerstand sehen wir mittig unten in der Nische die beiden (kurz abgestellten) Brenner, die glühende Ausmauerung von Feuerkasten und unterem Teil der Feuerbuchse, die Stiefelknechtplatte und den Feuerschirm. Die Lok ist soeben mit E  von Rheine kommend in Emden Hbf eingelaufen, 1. Juli 1, ca. . Uhr.

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BAHN Epoche · Frühjahr 1

Unheimlich? 1  im Halbdunkel des Reparaturschuppens des Bw Rheine. Offenbar machen sich die Schlosser an einem der Schlammabscheider zu schaffen. Doch bald schon wird es zurück auf die Piste gehen.

www.hobbymagazines.org FOTOS: WOLFGANG STAIGER

Frühjahr 1 · BAHN Epoche

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ARBEITSWELT

Zeitungsmeldung aus der Papenburger Ems-Zeitung vom . August 1. Über die Unfallursache wird spekuliert, von einer „defekten Ölleitung“ spricht man. In Wahrheit war es wohl anders.

Feuer auf dem Führerstand, aber harmlos: Am Ende des Ausblasens der Ölleitung vom Tender zu den Brennern (vor dem Abstellen der Lok) geht noch einmal ein Schuss Öl durch die Brenner. Daraus kann man eine Zündung mit ein wenig Feuerwerk machen, aber – bei vorschriftsmäßig permanent mitlaufenden Hilfsbläser – keine Verpuffung.

  XP  8KU ]XP 6WHKHQ ZR sich gleich danach der Lokführer auf dem Boden wälzt, um die Flammen seiner brennenden Kleidung zu ersticken. Dies gelingt erst unter Mithilfe seines unverletzt gebliebenen Heizers. Von diesem Moment an dauert es noch rund eine Stunde, bis die herbeigeeilte 3DSHQEXUJHU )HXHUZHKU GHQ )KUHUVWDQG brand gelöscht hat; 012 066 wird anschließend auf ein Abstellgleis rangiert. Mit einer Verspätung von 80 Minuten und der herbeibeorderten Ersatzlok (023 078 des Bw Emden) kann D 439 dann seine Fahrt an die Nordseeküste mit sichtlich erschrockenen Reisenden fortsetzen. Der schwer verletzte Lokführer, Oberlokführer Otto Rosemann aus Rheine, ist inzwischen ins 3DSHQEXUJHU .UDQNHQKDXV HLQJHOLHIHUW

worden, das er für die nächsten drei Monate nicht verlassen kann. Soviel zum so weit wie möglich rekonstruierbaren Unfallhergang auf 012 066. Wie aber konnte es zu diesem Unglück kommen und was dürfte sich aller Wahrscheinlichkeit nach tatsächlich auf der Lok abgespielt haben?

Fragen und Antworten Der explosionsartige Knall in der Feuerbüchse lässt sich nur mit einer Verpuffung erklären (die ja nichts anderes als eine Explosion ist). Eine Verpuffung allerdings ereignet sich nicht im Rahmen eines normalen Verbrennungsvorganges, sondern dann, wenn in ein zündfähiges Gemisch aus Öldämpfen und Luft offenes Feuer hineinge-

tragen wird. In diesem Zusammenhang sei an einem Unfall in der Anfangszeit ölgeIHXHUWHU'DPSÁRNRPRWLYHQEHLGHU'%HU innert, bei dem ein Heizer mit einer Fackel in den Tenderölbehälter leuchtete, in dem sich - ganz natürlich - eben jenes Gemisch angesammelt hatte: Er bezahlte dieses Verhalten mit seinem Leben. Aber selbstverständlich stellt auch die planmäßig gewollte Zündung einer ölJHIHXHUWHQ 'DPSÁRN GXUFK EUHQQHQGH /XQWHRGHU(QWÁDPPHQDQGHUJOKHQGHQ Ausmauerung) ein Hineintragen offenen Feuers in die Umgebungsluft dar (dann beabsichtigt und ungefährlich) – oder aber, wie wohl hier, in das umgebende Gemisch von Luft und Öldämpfen, was unabwendbar eine Verpuffung zur Folge hat. Bei Beachtung der einschlägigen Vorschriften

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FOTOS: WOLFGANG STAIGER; ZEITUNGSAUSCHNITT UND DB-SCHRIFTSTÜCK: SAMMLUNG HANS WERNER

Schlussfolgerungen: An die große Glocke will man den Unfall und seine Ursachen wohl nicht hängen. Aber die Erkenntnis, woran es gelegen hat, ist da. Und so zieht man seine Konsequenzen, u.a. durch Bescheidung der involvierten Maschinenämter und Bw, „das Fahrpersonal des Dampflokdienstes … laufend zu unterweisen und hierbei besonders auf die neuen Punkte (1 – ) und die Gefahr bei Flammenrückschlägen einzugehen.“ In schneller Fahrt gen Norden: Schippen ist nicht angesagt auf der 1, aufpassen schon. Aber wer aufpasst, kann auch bei höchster Lokanstrengung gelassen bleiben. Das untere der beiden vor dem vorderen Führerstandsfenster sichtbaren Handräder dient der Betätigung des Hilfsbläsers.

allerdings hätte es solch ein hochgefährliches Gemisch, das einer tickenden Zeitbombe gleichkam, in der Feuerbüchse gar nicht JHEHQ N|QQHQ %HL LP %HWULHE EHÀQGOLFKHU Lokomotive wird im Falle eines geschlossenen Reglers der von der Rauchkammer auf die Feuerbüchse einwirkende Saugzug durch GHQ LQ GHU 5DXFKNDPPHU EHÀQGOLFKHQ +LOIVbläser sichergestellt: Entzündliche Öl-Dämpfe werden also aus der Feuerbüchse schlichtweg abgezogen. Der Hilfsbläser musste bei ölgefeuerten Lokomotiven dauernd, also auch bei geöffnetem Regler und dadurch bewirktem Saugzug, mitlaufen. In § 19 Abs. 9a der ZugI|UGHUXQJVYRUVFKULIWÅ'LHQVWDXI'DPSÁRNRmotiven“ (DV 948 B/1) in der ab 1. September 1968 geltenden Fassung hieß es, bezogen auf ölgefeuerte Lokomotiven, entsprechend: „Sobald der Maschinenauspuff allein den nötigen Saugzug herbringt (etwa ab 40 km Fahrgeschwindigkeit), darf der Hilfsbläser etwas gedrosselt, aber nicht geschlossen werden. Er muss wegen der Gefahr des Flammenrückschlags ständig offenbleiben.“ Was aber lag dieser besonderen Behandlung der Öler zu Grunde? Zum einen natürlich das Drohen von Verpuffungen als Schadensereignisse mit besonderem Gefahrenpotential. Grundsätzlich hätte es zur Abwendung von solchen Verpuffungen genügt, den Hilfsbläser wie bei einer kohlegefeuerten Lokomotive erst bei Schließen des Reglers zu öffnen. $EHUZLHVRKlXÀJVWHFNWGHU7HXIHOLP'HWDLO wenn bei der Bedienung einer Maschine rein menschliche Aspekte zum Tragen kommen: Beim Schließen des Reglers einer Kohlelok wird der Heizer spätestens durch das „Hinauskokeln“ von Verbrennungsrückständen auf den Führerstand an das Öffnen des Hilfsbläsers erinnert. Bei der Öllok gibt es diese Erscheinung allerdings nicht. Stellt der Heizer einfach die Feuerung ab und geschieht dies nur Sekunden nach Schließen des Reglers, so bildet sich bei nicht angestelltem Hilfsbläser in der Feuerbüchse ein explosives Gemisch – allerdings, und das macht den Unterschied zur Kohlelok, vom Heizer völlig unbemerkt.

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ARBEITSWELT

Mittwoch, der 13. August 1969 im AW Braunschweig: Die zwei Tage zuvor eingetroffene unfallbeschädigte 1  des Bw Rheine wartet weitere sechs Tage auf den Arbeitsbeginn. Am . September wird sie nach Bedarfsausbesserung L  wieder die Heimfahrt antreten.

Hilfsbläser und Öllok Es galt also, einem möglichen Vergessen der Öffnung des Hilfsbläsers entgegenzuwirken, was am besten dadurch geschah, dass man den Hilfsbläser gar nicht erst schloss. 012 066 machte ja nach Angaben des in 5KHLQH DQEULQJHQGHQ 3HUVRQDOV VFKOHFKW Dampf. Da war der Gedanke, Dampfverbräuche, die sich nicht unmittelbar in der Zughakenleistung der Lokomotive auswirkten, abzustellen, naheliegend, vielleicht sogar verführerisch. Und es spricht vieles dafür, dass der Heizer dieser Verführung erlegen ist, der Hilfsbläser also nicht geöffnet war. Auf der knapp 100 Kilometer langen )DKUWYRQ5KHLQHELV3DSHQEXUJQXQRKQH Halt, gab es keine Betriebssituation, die darauf hätte hinweisen können, dass der Hilfsbläser gar nicht mitlief. Vor dem unerwartet halt erwarten zeiJHQGHQ(LQIDKUYRUVLJQDOGHV%DKQKRIV3Dpenburg schloss der Lokführer den Regler, der Heizer den Ölregulierschieber, Letzteres mit hoher Wahrscheinlichkeit kurz nach Schließen des Reglers (wobei auch ein gleichzeitiges Schließen wegen des nicht auszuschließenden Nachtropfens von Öl hätte kritisch sein können). Zu einem spätestens jetzt nötigen Wiederanstellen des Hilfsbläsers kam es nicht. Als der Lokführer, nachdem die Einfahrt und wohl auch die Ausfahrt gezogen worden waren, mit dem Griff zum Regler diesen wieder öffnen wollte, nahm das Verhängnis seinen Lauf: Der Heizer tat das, was jeder Heizer getan hätte, er öffnete (möglicherweise im verfrühten Vertrauen

auf einen bereits wieder wirkenden abdampfbedingten Saugzug) den Ölregulierschieber. Nur zündete er damit in ein explosives Gemisch hinein . . . und so kam es unweigerlich „zum Knall“. Natürlich sind die Autoren nicht dabei gewesen und haben sich auf Indizien zu stützen. Allerdings geschehen auf der Öllok keine Wunder. Das, was an Faktenmaterial zur Verfügung steht, lässt es zu, Ursachen zu benennen, die nach Lage der Dinge als höchstwahrscheinlich gelten dürfen, denn nur so wird (salopp gesagt) ein Schuh draus.

Schuldfrage und Verschärfungen Die auf den ersten Blick nicht von der Hand zu weisende mögliche Fehlerquelle einer Funktionsstörung des Hilfsbläsers wird man ausschließen können: 012 066 ist im Anschluss an den Unfall untersucht worden. Der Hilfsbläser funktionierte einwandfrei. Die DB-internen Untersuchungen des Unfalls kamen zu dem Ergebnis, dass „der angeführte Brand auf dem Führerstand der Lok BR 012 . . . auf unsachgemäße Bedienung während der Fahrt zurückzuführen“ sei (Schreiben der BD Münster an die Maschinenämter Münster, Osnabrück und Oldenburg sowie an die Bw Rheine, Münster, Osnabrück Hbf, Osnabrück Rbf und Emden vom 2. Oktober 1969). Bereits zuvor hatte das in die Untersuchungen eingeschaltete Bundesbahnzentralamt (BZA) Minden eine den Lokpersonalen mitzuteilende Anordnung dahingehend getroffen, dass – in Verschärfung der oben zitierten Bestimmung aus

der DV 948 B/1 – der Hilfsbläser während der gesamten Fahrt voll (also nicht mehr nur gedrosselt) mitzulaufen habe. Weiterhin wurde angeordnet, die aufgetretene 3UREOHPDWLN LQWHQVLY LP 'LHQVWXQWHUULFKW zu behandeln und die vorschriftsgerechte Bedienung der Ölfeuerung durch Überwachungsfahrten von Lehrlokführern und Betriebsmaschinenkontrolleuren zu überprüfen (und tatsächlich wurde dem älteren der beiden Autoren das dauernde Offenhalten des Hilfsbläsers bei Aufnahme seines Heizerdienstes im März 1973 beim Bw Rheine mit besonderem Nachdruck nahegebracht). Dem Lokführer wurde im Hinblick auf die von ihm unter Lebensgefahr bei gleichzeitigem Davontragen schwerster Verletzungen eingeleitete Schnellbremsung am 7. April 1970 das Bundesverdienstkreuz verliehen. Über die Notwendigkeit, sein Leben für diese Schnellbremsung aufs Spiel zu setzen (Ölzufuhr unterbrochen, Regler wohl geschlossen), möchten wir nicht urteilen. Zweifellos verdient das Verhalten des Lokführers, von dem man in der bestehenGHQ IU LKQ YROONRPPHQ XQNODUHQ 3DQLNsituation noch dazu keine nüchterne Fehler- und Gefahrenanalyse erwarten konnte, äußersten Respekt. Die Initiative für die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes ging übrigens von der DB aus, möglicherweise aufgrund der – wohl zutreffenden – Einschätzung, dass QHEHQGHPQLFKWZHJ]XGLVNXWLHUHQGHQ3HUsonalverschulden auch eine nicht sehr inWHQVLYH 3HUVRQDOVFKXOXQJ XQIDOOXUVlFKOLFK gewesen war. HENDRIK BLOEM und FRITZ WOLFF

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FOTO: HELMUT BÜRGER/SAMMLUNG JÜRGEN EBEL

Nee, so fahr’ ich nicht weiter . . .

P

uh, der erste Berg ist geschafft. Wir haben, unterwegs mit Dg 6769 von Ottbergen nach Herzberg, den Ertinghäuser Scheiteltunnel durchquert und rollen mit geschlossenem Regler zu Tal, auf Northeim zu. Es ist Samstag, der 20. Mai 1972 und das herrliche Frühlingswetter entlockt meinem ansonsten eigentlich recht wortkargen und uncharmanten Lokführer, Hauptlokführer Fritz Raulfs, „Raulfs Fritze“, sogar ein paar freundliche Worte. 8QVHUH/RNKDWDXIGHU%HUJfahrt aus dem Wesertal bis zum Brechpunkt gut mitgemacht und so deutet eigentlich alles auf eine vielleicht nicht gerade entspannte Schicht – 1211 Tonnen hat man uns angehängt –, aber doch auf gutes Gelingen hin. Immerhin fährt man samstags

RKQH GHQ VRQVW DXI GHP 3ODQ VWHKHQGHQ Abstecher nach Walkenried ja auch schon mit Dg 6774 zurück nach Ottbergen und hat dann um 21 Uhr 37 statt sonst um 23 Uhr 37 Feierabend. In Northeim haben wir planmäßig halt, IDVWHLQHKDOEH6WXQGHYRQ8KUELV 8KUELVHVGDQQZHLWHUGHQ9RUKDU] hinauf bis Herzberg geht. Da brauchen wir dann wieder Dampf, Dampf und noch mal Dampf und so beginne ich natürlich schon YRU 1RUWKHLP NXU] QDFK 3DVVLHUHQ GHV Haltepunktes Berwartshausen, mit dem Feueraufbau für unsere zweite Bergfahrt. Aber ich mache langsam, wir werden ja geraume Zeit in Northeim stehen und da sollten wir bei der Ankunft dort noch kein Höllenfeuer in der Kiste haben.

Pausen-Snack in Northeim? Mitnichten! Als wir mit leichtem Ruck in Northeim Ostseite zum Stehen kommen, gehe ich erstmal an mein Tenderfach, greife mir meine de Beukelaer-Kekse und meine Cola und will gerade mit meiner Zwischenmahlzeit beginnen, da vernehme ich von Fritze: „Wir haben Ausfahrt.“ Verdammt, das darf nicht wahr sein, das hat es noch nie gegeben bei diesem Zug! Aber was wird Fritze jetzt tun? Ich hoffe auf seine (mitfühlende) Frage, ob er noch warten solle. Aber er fragt nicht, greift vielmehr zum Regler. Soll ich ihn jetzt um Innehalten bitten? Aber das geht mir wieder irgendwie gegen die Ehre und so geht In der Gegenrichtung unterwegs: Lok  , auf der unsere Geschichte spielt, vor Dg  (Herzberg/Harz – Hamm Rbf) bei Amelunxen, . Februar 1.

www.hobbymagazines.org FOTO: STEFAN CARSTENS

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ARBEITSWELT die Reise, nachdem ich Kekse und Unnahbar, jedenfalls von vielen so empCola wieder ins Tenderfach gepfef- funden: Hauptlokführer Fritz Raulfs vom Bw Ottbergen. Doch das Eis kann schmelzen und dann fert habe, weiter. Wir haben einigermaßen Wasser finden sich sehr menschliche Züge an „Fritze“. im Glas, sodass ich die Fahrpumpe erstmal ein wenig kneifen und mich Nix Besonderes? Na ja, die Durchgänger Hamm ganz meinem Feueraufbau widmen – Herzberg, fast immer voll ausgelastet, haben´s kann. Aber was nützt das, wenn bei schon in sich, nicht zuletzt im Abschnitt Northeim nicht viel mehr als einem Ringfeuer – Herzberg, wo die Steigung von Kilometer zu gleich volles Rohr losgefahren wird? Kilometer zunimmt. Immerhin gesteht ihnen der Zwar wächst und gedeiht mein Buchfahrplan (BD Hannover, Heft 1, WinterabFeuer, wir haben auch gute, gut schnitt 11/) für  km bei Anfahrt in Northeim anbrennende Stückkohle, aber wir widerwillig  bzw. 1 Minuten Fahrzeit zu. sind dampfdruckmäßig in die Knie gegangen, zumal zunächst ja auch QRFK GXUFK GLH IUHLH 5RVWÁlFKH LQ der Mitte böse Kaltluft angesaugt wurde. Und wenn man nun bei hohem Leistungsbedarf – und den haben wir – zu wenig Kesseldruck und damit zu wenig Schieberkastendruck hat, muss man das Minus DQ 'UXFN GXUFK HLQ 3OXV DQ =\OLQderfüllung ausgleichen, sprich: Man muss, zumal ja auch die Überhitzung und damit die Dehnungsenergie des Dampfes nachlassen, die Steuerung weiter auslegen („länger fahren“). Das treibt den Dampfverbrauch in die Höhe und so beginnt ein Teufelskreis: Man hat zu wenig Druck und weil man zu wenig Druck hat, geht dieser wegen erhöhter Dampfentnahme noch weiter runter. Natürlich versuche ich, durch Feuern „was das Zeug hält“ dem Abwärtstrend entgegenzuwirken, aber der Erfolg in Form einer Erholung bleibt aus. Wir müssen bei dem schweren Zug und der langsam aber beständig an Stärke zunehmenden Steigung auch fahren „was das Zeug hält“ und mein Feuer ist ja auch kein solide aufgebauter Braten, sondern ein hastig zuUnd hinter Hattorf kommt dann sammengeschmissenes Werk, das sich in das Waterloo . . . seiner vollen Wirkung erst nach und nach entfaltet. „Nee“, sagt Fritze, nachdem wir den Blinklicht-Überweg der von Hattorf kommenden und zur B 27 führenden Kreisstraße Ich jongliere mit Fahrpumpe passiert haben, „so fahr’ ich nicht weiter.“ und Feuer, aber der Druck fällt Er schließt den Regler, lässt den Zug auslaufen, bremst ihn fest – und schweigt. und fällt. Immerhin: Kritik kommt nicht über seine Lippen. Ich sage auch nichts und weiß Am Block Hammenstedt muss ich die nicht, auf wen ich mehr wütend sein soll, Fahrpumpe wieder schneller laufen lassen auf ihn oder auf mich? und so haben wir bei der Durchfahrt durch Nach einer runden Viertelstunde Katlenburg noch 13 atü auf dem ManomeZwangshalt in Streckenkilometer 111,2 am ter. In Wulften sind es noch gut 12. Und Waldrand sind wir wieder stark, auch unebensoviele Kilometer noch bis Herzberg, GDVNDQQQLFKWJXWJHKHQ(VLVWIDVW3DQLN sere Wasserstände spielen, dank kräftigen Nachspeisens mit der Strahlpumpe, wieder die mich ergreift. auf ¾-Höhe in den Gläsern. Fritze löst den Fritze hat natürlich längst gemerkt, was =XJDXVXQGJUHLIW]XP5HJOHU$OVZLU los ist. Aber er sagt nichts, schweigt eisern. Minuten später in Herzberg einfahren, geht In Hattorf, wo die Steigung erneut heftiGDV )HQVWHU GHV OLQNV YRQ XQV EHÀQGOLger wird, haben wir noch 11 atü.

chen) Fahrdienstleiterstellwerkes auf und LFKPXVVPLUGLH)UDJHDQK|UHQÅ1D3XVWH ausgegangen?“ Fast mechanisch, aber so, dass Fritze es wohl hört, entfährt mir das Wort „Scheiß-Kiste“. :lKUHQGXQVHUHU3DXVHLQ+HU]EHUJLVW Fritze – für seine Verhältnisse – auffallend nett zu mir. Und als wir am nächsten Tag, am 21. Mai 1972, wieder nach Herzberg auf Tour sind, diesmal mit Dg 6767, und ]XDOOHPhEHUÁXVVZLHGHUEHNRPmen haben, will ich auch mal was Nettes (oder hintergründig Nettes) rüberbringen. Irgendwo auf der Solling-Rampe, so in der Gegend von Uslar, gehe ich zu ihm rüber, tätschele den Stehkessel und sage: „Is ’ne schöne Lok, kann man gut drauf fahren, macht super Dampf.“ „Wieso?“, entgegnet Fritze, „ich denke, die taugt nichts?“ Und strahlt über das ganze Gesicht. Ich bin gern mit ihm gefahren. FRITZ WOLFF

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FOTOS: SAMMLUNG HELMUT RAULFS, WOLF-DIETMAR LOOS; FAHRPLAN: SLG. FRITZ WOLFF, KARTE (VON 1962): SLG. GARN

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Streckenabschnitt Northeim - Herzberg: Man beachte das Kreuzchen zwischen den Bahnhöfen Hattorf und Herzberg. Hier erfährt am . Mai 1 die Fahrt des Dg  eine unfreiwillige Unterbrechung. Und so, gerade so, sieht es aus, als sich am . Mai 1 Dg  mit   eben wieder in Bewegung gesetzt hat (hier allerdings  1 mit Dg  am 1. August 1).

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INTERVIEW

 Jahre Eisenbahner und ein bisschen weise Ingulf Leuschel () über seine vielseitige Karriere vom Bundesbahnassistenten-Anwärter zum Abteilungspräsidenten Wir kommen vom Kleinen Heinrich, einem Traditionslokal in Glückstadt, wo sich einige Eisenbahner, Eisenbahnveteranen (noch aus der Dampflokzeit der BD Hamburg) und Eisenbahnfreunde mit ihren Frauen getroffen haben. Grünkohl „satt“ liegt schwer im Magen, als wir in den Triebwagen nach Hamburg steigen. Draußen liegen Schneereste in Ackerfurchen und die Sonne kämpft sich durch den Nebel. Robin Garn: Ingulf Leuschel, du blickst auf 50 Berufsjahre bei genialen Spruch. Aber wie gesagt, die Bundesbahn zog ihn damals nach wenigen Wochen witterungsbedingt zurück. deutschen Staatseisenbahnen zurück. Dabei dürftest du an die Die Betriebsaufnahme der Schnellfahrstrecke München – Ber75 Fahrplanwechsel bewusst wahrgenommen haben. Wie ortest lin, möge sie von zu viel Wind & Wetter verschont bleiben, löst du den jüngsten vom 10. Dezember 2017 ein? Ingulf Leuschel: Das war in der Tat einer der drei größten Fahrdas Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nummer 8 ein. Warum hat planwechsel, die ich so richtig erlebt habe. Das waren erstens es so lange gedauert? IC 79 („Jede Stunde, jede Klasse“), dann Dezember 2002 Köln Es stand ja zwischenzeitlich und war so gut wie beerdigt. Es war – Rhein/Main mit deutschlandweiter Auswirkung und jetzt eben richtig, dass wir damals nach der Wiedervereinigung die Vermit Berlin – München. Er ist kehrsprojekte Deutsche Einnicht so glücklich verlaufen, heit ausgerufen haben und sagwie man sich das vorstellte. Es ten, dabei wird nicht in jedem gab Verwerfungen, die einem Fall nach Wirtschaftlichkeit Eisenbahner ein bisschen weh gerechnet. Sonst wären viele getan haben. Das hängt auch Dinge gar nicht passiert, sei es mit der Einführung des eurozu Lande oder zu Wasser. Acht päischen Zugleitsystems ETCS (München – Berlin) war das anauf der Strecke zusammen, was spruchsvollste. Egal, wie man ich hiermit nicht schlecht reden die Trasse gelegt hätte, sie wäre möchte. Ein einheitliches Systeuer geworden. Und dann hat tem in Europa kann man nur bees eine Zeit gegeben, unter Vergrüßen. Aber es haben sich Kinkehrsminister Müntefering und derkrankheiten gezeigt … Bahn-Chef Ludewig, in der die Arbeiten an diesem Vorhaben …, auf die man nicht im Voreingestellt wurden. Dann kriegwege beim Testbetrieb gestoßen Adrett und als Assistenten-Anwärter 1 auf dem ten es Leute mit der Angst und ist? Stellwerk Btb am Berliner Tor in Hamburg, ausgerüstet mit einer fragten, kann man nicht die SaaDas kann ich nicht objektiv beAnlage von Scheidt & Bachmann aus den Jahre 1. le- und die Frankenwaldbahn urteilen, weil ich nicht in den ein bisschen ausbauen? Aber Planungen involviert war. Am das hätte natürlich keine europäische Dimension, weil nicht viel 10. Dezember hatte man zum Unglück auch noch Pech: hinzu kam Fahrzeitgewinn herauszuholen gewesen wäre. ein Freitod zwischen Ingolstadt und München, den einer der Premierezüge ein paar Stunden zum Halt zwang. Jedenfalls: Jetzt hat Wer hat denn dieses Projekt wieder ins Leben gerufen? sich die Strecke eingefahren. Eindeutig Mehdorn. Er machte sich damit nicht nur Freunde, auch Wenn nicht wieder die Witterung eine Rolle gespielt. im eigenen Unternehmen nicht. Mehdorn hatte den berühmten „Alle reden vom Wetter. Wir nicht.“ Diesen Werbespruch hatte die Satz mit den vier Stunden geäußert, den ich bitte immer im richtiBundesbahn im Herbst 1966 eingeführt und dann wurde er zurückgen Zusammenhang sehen möchte … gezogen, weil wir auch im Winter 1966/67 große Probleme mit der Zitiere den doch bitte eben. Pünktlichkeit gehabt haben. Mehdorn sagte, wir müssen doch einfach schneller fahren und Aber am besten Werbespruch, der haften geblieben ist, wird heunicht von Berlin nach München in sechs Stunden. Berlin – München sollte in vier Stunden zu schaffen sein, denn: „Jede Bahnfahrt te noch der DB-Konzern gemessen und diskreditiert. Ich war damals 18 Jahre alt und habe noch vor Augen, wie dieüber vier Stunden ist doch eine Tortur!“ Und mit diesem Satz hat ses Plakat mit der Bügelfalten-E1012, die mit einem Zug durch den er geworben für das Projekt. Schnee stob, in Wedel an der Bahnhofstraße auf einer großen FläBerlin und München. Du kommst aus der weiteren deutschen che hing. Das begeisterte mich total und ich war verliebt in den Millionenstadt.

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FOTOS: SAMMLUNG INGULF LEUSCHEL

Stilvoll Abschied nehmend wartet Bundesbahn-Obersekretär Leuschel am . September 1, dem finalen Einsatztag der Baureihe 1, auf die „letzte richtige Lokomotive auf der Marschbahn“.

Ja, ich bin geborener Hamburger. Welcher Stadtteil? Blankenese. Der pittoreske Vorort am Strom. Zieht es da nicht einen aufgeschlossenen jungen Mann eher zur christlichen Seefahrt … … mich hat die Schifffahrt seit Kindesbeinen begeistert … …, als dass er in Altona an die Tür des Gebäudes der Bundesbahndirektion klopfte? Bei aller Liebe zu Schiffen – die Aussicht, immer wieder sechs Wochen weg zu sein, behagte mir nicht besonders. Ich wollte Eisenbahn machen und bin im Bahnhof Hamburg-Altona als 18-Jähriger Assistenten-Anwärter auf die Bundesrepublik Deutschland vereidigt worden. Wann war das genau? Am 1. April 1966. Was fällt uns spontan zur Eisenbahn in Hamburg in dieser Zeit ein? Alle reden vom Wetter – das Plakat. Oder sechs innerstädtische Bahnbetriebswerke.

Ich sehe immer noch vor mir, wenn wir mit der S-Bahn zu Tante Anneliese nach Bergedorf fuhren, wie in Tiefstack unten am Bahndamm die 50er und 94er vor sich hinqualmten. Was wäre noch: ein Jahr zuvor ist als erste Hauptbahn die SchieQHYRQ+DQQRYHUDXVELV+DPEXUJHOHNWULÀ]LHUWZRUGHQ Ich bin extra Ende 1964 nach Bremen gefahren, um eine elektrische Lokomotive zu sehen. Im Bahnhofsareal Altonas wurden täglich rund 1200 Tonnen Stückgut und Expressgut an der Harkortstraße umgeschlagen. In der dortigen Expressgutanlage und im S-Bahnfahrkartenverkauf Altonas habe ich angefangen, aber auch in der Gepäckannahme und -ausgabe. Hier fand eine Begegnung mit Marika Kilius* statt, ZHLOLFKPLFKDQERWLKUHQ.RIIHU]XWUDJHQXQGJHÁLVVHQWOLFK$XVkunft geben konnte. Fahrpläne, die waren mein Ding. Über deine Karriere ist vor wenigen Monaten ein Buch erschienen, geschrieben von Eberhard Krummheuer, einem langjährigen Redakteur beim Handelsblatt (siehe Hinweis auf Seite 75). Auch hier im Norden aufgewachsen. Der Autor hebt hervor, dein Berufsweg sei so bemerkenswert, ZHLOHUÅQLFKW]XOHW]WGXUFKGHQLQQHUHQ$QWULHEXQGGLHTXDOLÀzierte Neugier immer wieder neue Perspektiven und Herausforderungen bereithielt.“ Ich versuche mal einige frühe Stationen deiner Karriere im Telegrammstil anzuzählen: Hamburg-Eidelstedt im Rangierbahnhof. Das war während meiner Ausbildung zum Bundesbahn-Assistenten. Ahnungslos und übereifrig entkuppelte ich alle Güterwagen einer Wagengruppe. Daraufhin maßregelte man mich. Der Rangierer hat mir richtig eine runtergehauen. Anschließend kamst Du auf ein Stellwerk … Nach der Prüfung zum Assistenten bin ich versetzt worden zum Bahnhof Wedel, Rangklasse IV. Zu ihm gehörte auch der Bahnhof Rissen, mit dem Industrieanschluss, der sogenannten Ölweiche. In Wedel war ich tätig in der Fahrkartenausgabe und Gepäckabfertigung, zudem als Fahrdienstleiter in Rissen. Mit nächtlichem Gasbehältertausch an Formsignalen. Jou. All die Dinge. Ich habe mich dann beworben von Wedel zur Verwaltungsstelle Berlin. Diese Stelle war ausgeschrieben. 1970/71 ein Jahr West-Berlin, dachte ich, das machste mal. Habe dort den Bezug bekommen zur Reichsbahn und zur politischen Situation, gleichwohl mich östlich der Elbe immer alles interessiert hat. Wir hatten eine 'HSHQGDQFH RIÀ]LHOO :HUEH XQG $XVNXQIWVVWHOOH GHU 'HXWVFKHQ Bundesbahn, einen Katzensprung vom Bahnhof Zoo in der Hardenbergstraße und gehörten zur Verwaltungsstelle des ehemaligen Reichsvermögens (im vormaligen Versuchsamt) am Halleschen Ufer. Die Bundesbahn unterhielt damals doch auch Generalvertretungen im Ausland. Anfang 1972 kam ich zur Verkaufsförderung Güterverkehr der Direktion Hamburg. Allerdings fühlte ich mich dort ziemlich unwohl. Ein damaliger Kollege, der später Chef der Sparda-Bank in Hamburg werden sollte, kommt aus der Mittagspause und sagt, „Leuschel, da steht ein Job für dich im Amtsblatt.“ Ich hatte das schon gelesen und fragte: „Welcher denn, etwa der in Toronto/Kanada?“ – „Ja, klar!“ – „Ich will doch nicht nach Kanada.“ – „Nee, aber zeig es denen doch mal, dass du dir das zutraust.“ Für so einen Posten haben die meistens schon einen, das ist vorher festgelegt. Trotzdem habe ich mich pro forma beworben, ohne dass ich nach Kanada wollte. 48 Bewerber, acht in der engeren Auswahl, ich war an zweiter Stelle in den Unterlagen. Die Bewerber wurden auf Herz und Nieren gecheckt von mehreren Leuten, es ging in diesem Job um viel Geld, um Kassensicherheit etc. Die Bahn suchte sogar zwei Leute – einen für Toronto, so wie es in der Ausschreibung stand, und einen für New York, wo die DB ihre Generalvertretung hatte. * Deutsche Eiskunstläuferin, die sowohl bei Weltmeisterschaften als auch bei den Olympischen Winterspielen im Paarlauf (mit Hans-Jürgen Bäumler) erfolgreich war.

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INTERVIEW Inspektor Leuschel eröffnete in Frankfurt (M) Hbf einen Souvenirshop, auch gedacht als Treffpunkt für Eisenbahnfreunde (1). Goodbye Toronto. Die kanadische Reise-Fachzeitung wünscht 1 Leuschel Glück auf seinem weiteren Weg, denn er hat Ambitionen.

Und dann ist der Vorsitzende der Bewerbungskommission während des Gesprächs auf Englisch umgesprungen und reichte einen Artikel mit der Bitte, ihn vorzulesen. Das habe ich dann Wort für Wort abgelesen. Wie meine Mitbewerber auch. Fertig vorgelesen habe ich eigentlich gar nicht begriffen, was drinstand. Ich achtete, dass ich es ordentlich ausdrückte mit meinem mäßigen Schulenglisch. Dann wurde man aufgefordert – would you mind to repeat –, den Inhalt des Textes zu erzählen. Da waren die anderen sieben vor mir sprachlos. Ich hatte darin nur Biasca gelesen und wusste bereits, dass in Biasca an der Gotthard-Südrampe die Autoreisezugverladung im Deutschlandverkehr vor kurzem eingestellt wurde. (Das war 1975 schon die gleiche Diskussion wie heute. Holzwickede betraf das damals auch.) So habe ich das dann auf Englisch wiedergegeben und die Kommission war positiv beeindruckt. Also doch nach Kanada! Viereinhalb Jahre (1975-79) als Leiter der DB-Verkaufsstelle. Hast du in Toronto Zahnärzten mit deutschem Migrationshintergrund Europareisen zusammengestellt? Es war damals in den siebziger Jahren unter US-Bürgern und Kanadiern sehr populär, nach Europa zu reisen. Es gab im Transatlantikverkehr das Flugzeug schon, aber innerhalb Europas nicht einmal annähernd in dem Umfang und dem Preisgefüge wie heute. In Europa bewegten sich die Nordamerikaner entweder mit Mietwagen (Sixt ist dadurch groß geworden), dann gab es viele spezialisierte Busunternehmen – oder die europäischen Bahnen, mit ihrem Tarifangebot Eurail-Pass. Diese in ganz Westeuropa (außer in England) gültige Netzkarte in der 1. Klasse konnte man für zwei, drei oder YLHU:RFKHQNDXIHQ'LHPHLVWHQÁRJHQQDFK)UDQNIXUW6FKLSKRO oder Zürich. Landeten sie in London und hatten vor, über den Kanal auf den Kontinent zu reisen, brauchten sie eine Extra-Fahrkarte und Platzreservierungen. Generell wandten sich die nordamerikanischen

Reisebüros an die Vertretungen der europäischen Bahnen in Toronto oder New York mit verbindlichen Bestellungen von Zugverbindungen und Sitzplätzen. Wir verbrachten den ganzen Tag, um Bestellungen der Reisebüros aufzunehmen. Ich hatte ausgerufen, dass jeder Auftrag am nächsten Tag mit der Post rauszugehen hatte. Damals brauchte sie nach Frankfurt oder nach Mainz zur Reservierungsstelle der DB drei Tage. Die Bundesbahn war 1975 gut aufgestellt, weil wir kurz zuvor mit der elektronischen Platzreservierung (EPA) an den Start gingen. Andere Bahnen (DSB, ÖBB, NS) hatten sich dann unserem System angeschlossen. Telefonieren war ja nicht. „Hallo, wie gehts dir“ hat allein schon fünf Dollar gekostet. Erst Ende der siebziger Jahre wurde der Telefaxdienst durch die Deutsche BundesSRVWRIÀ]LHOOHLQJHIKUW'DQQNODSSWHGDVDOOHVGXUFKGLH=HLWYHU schiebung sozusagen im Nachtsprung. Wieder in die Heimat … … kam ich, um die Inspektorenlaufbahn einzuschlagen, deren Prüfung ich in Frankfurt/Main ablegte. Dann sollte ich Sonderkundenberater Güterverkehr werden. Nicht ganz nach deinem Geschmack. Genau. Damals wollten die meisten frisch gebackenen Inspektoren in die Verwaltung, kaum einer in den Betriebsdienst. Da fragte ich, wieviel fehlen euch denn im Hbf? „Vier.“ – „Nein, jetzt nur noch drei.“ – „Herr Leuschel, das ist Schichtdienst.“ – „Gewiss, aber in der Laufbahnvorschrift steht zwei Jahre Außendienst und ich möchte mir später, wenn ich junge Leute einstelle und ausbilde, nie GHQ9RUZXUIPDFKHQODVVHQGHU/HXVFKHOVHLQLHGUDX‰HQΫJHZH sen.“ So kam ich zwei Jahre in die Betriebsaufsicht des Frankfurter Hauptbahnhofs, eines der verkehrsreichsten und schönsten deutschen Bahnhöfe. Was ich da erlebt habe, steht nur zum Teil im Buch. Kennen- und schätzengelernt habe ich zunächst deine Stimme; und zwar in den Dampfsonderzügen der BD Hamburg Ende der

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achtziger Jahre, wie dem „Schimmelreiter“ nach Westerland oder Zügen weit nach Dänemark, die ab Grenze von DSB-Museumsloks gefahren wurden. Ich genoss damals den Sound der 0110, der 41 oder der dänischen R; du hast uns als Conferencier wunderbar durch den Tag begleitet; mit Charme und Wissen, etwa über Nolde und die graue Stadt am Meer und bei Bedarf auch mehrsprachig in Englisch und Dänisch. Wo hast du überhaupt das Dänische gelernt? Mein Vater, den ich sehr verehre – deshalb heißt mein Boot nach ihm auch OTTO, überhaupt habe ich ein wunderbares Elternhaus gehabt –, hat immer gesagt, seid nicht so einseitig, interessiert euch auch für andere Dinge. So interessierte ich mich immer schon für Dinge, die sich links und rechts der Schiene abspielten. Was das Dänische anbelangt: Ich wollte zurück nach Hamburg. Damals richtete man in den Direktionen Kundenbeschwerdestellen ein; die in Hamburg konnte ich mit aufbauen. Nur, wenn du das anderthalb Jahre jeden Tag machst, dann wirst du niedergeschlagen, denn du leidest mit den Kunden mit oder es gibt einen Punkt, an dem du abstumpfst. Aber das darf nicht passieren. Ich bin dann in die Touristikabteilung der BD Hamburg gegangen und hatte mit der ganzen Reisepalette zu tun. Sonderzüge organisieren („Der schöne Tag“), auch in Vebindung mit Schiffen (Fehmarnbelt, Helgoland) oder der Heidebahn (die zur ihrer Rettung beitrugen). Das hat mir wahnsinnig viel Spaß gemacht. Zur Generalvertretung nach Kopenhagen kam ich 1988 im zweiten Anlauf: erst abgelehnt, nach vier Monaten erneut gefragt worden. Mit Englisch kam man dort weit. Aber mit der Muttersprache deutlich weiter. Dänisch zu OHUQHQ ZDU HLQIDFK SÀIÀJ« -HGHQ 7DJ )HUQVHKHQ =HLWXQJOHVHQ auf der Straße zuhören und schnacken, schnacken, schnacken … Zur Dänischen Staatsbahn hatte ich in den drei Jahren ein wunderbares Verhältnis aufgebaut. Neben spontanen Kontakten zu Reichsbahnern, die noch mit 015-geführten Zügen nach Altona kamen, die sicherlich einmal in einem separaten Beitrag zur Sprache kommen werden: Wann kam es zur ersten rein dienstlichen Begegnung mit einer Dienststelle der DR? Im Dezember 1989. Hamburg und Dresden hatten zwei Jahre zuvor eine Städtepartnerschaft gegründet. Nach dem Mauerfall organisierte ich im Auftrag von Bürgermeister Henning Voscherau einen Sonderzug; auch nahm ich Verbindungen zur Nachbardirektion Rbd Schwerin auf, um Sonderzüge zwischen unseren beiden Städten (etwa zu Theaterbesuchen) fahren zu lassen. Mir kam es bei Begegnungen und im Umgang immer darauf an zuzuhören. Es ist überhaupt nicht mein Thema gewesen, zu urteilen oder den ersten Stein zu werfen, wer in der Partei gewesen sein muss, weil ich ebenso wenig hätte wissen wollen, wer, wäre es anders gelaufen, im Westen alles bei der SED gewesen wäre. Skizziere die deiner Meinung nach wesentlichen Unterschiede dieser beiden deutschen Staatsbahnen.

Grandios. Anlässlich der Internationalen Verkehrs-Ausstellung (IVA) 1 in Hamburg fuhr der Dampfsonderzug „Schimmelreiter“ nach Westerland mit der 1 11. Auf seiner Rückfahrt nutzte er die Rendsburger Hochbrücke – ein Erlebnis für alle Beteiligten (1..). Der ICE in Chicago, Union Station – mit Vertretern der Amtrak und von Siemens (1. August 1). Die Amerikaner haben sich allerdings für TGV-Technik entschieden. Es wurde kolportiert, dass ein Deal gelaufen ist, in dem Frankreich gleichzeitig militärisch Ausrüstungsgegenstände in den USA kaufte.

Ehrlich gesagt zeigte sich kein großer Unterschied. Ich habe das erlebt an den Grenzübergängen, wie beide Bahnen in einem Wahnsinns-Kraftakt diese ganzen zusätzlichen Regel- und Sonderzüge auf die Beine gestellt haben. Das war nicht trivial, auch für die Westseite nicht, allein wenn man an den Umstand denkt, dass wir von Schwanheide bis Schwarzenbek nur eingleisig fahren konnten und Büchen auf der Berliner Seite nur eine Bahnsteigkante hatte. In Gutenfürst – Hof sah es genau so aus; Herrnburg – Lübeck auch. Wir hatten unterschiedliche Betriebsvorschriften, aber das waren nur Nuancen. Im Großen und Ganzen fußte das auf demselben Regelwerk. Hast du nicht den Eindruck, dass die Kaskade der Hierarchien bei der Reichsbahn militärischer organisiert war? Doch, eindeutig. Wir sprachen von Dienstkleidung, die Reichsbahn von Uniform. Heinz Dürr kam dann, erlebte die Zusammenführung beider Staatsbahnen und wollte als Erstes den Begriff „Befehl“ ausmerzen. Aber der Begriff etwa für eine Vorbeifahrt am haltzeigenden Signal ist fest verankert. Der erste Vorstandsvorsitzende der DB AG galt als großer Kommunikator, der insbesondere die Reichsbahner zu besänftigen wusste. Das hat er sehr geschickt gemacht. Er war auch relativ viel in der

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INTERVIEW

Wenig bemerkt und doch wahr gewesen: Der InterRegio 1/1 Hannover – Frederikshavn fuhr anlässlich eines Jazzmusikfestivals in der Hochsaison 1 an einigen Tagen (. bis . Juni) sogar bis Skagen. Gezogen wurde er auf seinem letzten Abschnitt von der Nohab-Diesellok M 1 (ex DSB Mx 1) von 1, die zufälligerweise in ihrem Farbkleid zum InterRegio passte.

DR-Zentrale in der Berliner Ruschestraße. Und Heinz Dürr als Schwabe besaß auch eine sehr geeignete Art zuzuhören. Sein Nachfolger Johannes Ludewig machte einen eher unscheinbaren Eindruck, fast den eines Apparatschiks. Oder täuscht das? Mir kam er für einen Vorstandsvorsitzenden zu blass vor. Lief in Frankfurt im Parka rum. Ludewig war nicht die Kerze auf der Torte. Punkt. Dann hat Gerhard Schröder Mehdorn geholt. Einen Macher. Ja. Schröder hat Mehdorn angerufen mit den Worten: „Hast du Lust, einen der verrücktesten Jobs in Deutschland zu machen?“ Mehdorn sagte zu und hatte – da lege ich großen Wert drauf – von Bundeskanzler Schröder und später von Finanzminister Steinbrück den klaren Auftrag erhalten, die Bahn börsenfähig zu machen. Das war keine Marotte von Mehdorn, gleichwohl er auch zum Börsengang stand. Man sagt ihm nach, auf der Welle der Gier mitgeschwommen zu sein; das heißt den Konzern schlank und sexy machte und in kleine Einheiten zersplitterte, damit er sich leichter zerkloppen ließ. Nein. Kleine Einheiten liefen auf Dürr zurück. Zum Beispiel wurde Station & Service gegründet, was bei der Bahnreform gar nicht vorgesehen war. Dürr wollte Klein-klein, verschiedene Auftritte und jede Firma für sich. Mehdorn wollte die große, zusammenhängende, alte Eisenbahn. Mehdorn hat das Unternehmen natürlich schlanker gemacht, zusammen mit Diethelm Sack, zuständig für Finanzen und Controlling. Zu Beginn der Bahnreform wurde ja alles auf Null gestellt. Es regnete viel Geld rein. Nach dem Weggang Dürrs, für den vieles nicht teuer genug sein konnte, liefen wir also Gefahr, in eine neue Verschuldung hineinzuschlittern. Mehdorn musste handeln. Er ist dennoch nicht angetreten, um die Bahn kaputtzusparen. Ein Beispiel: Als wir uns die InterRegio-Verbindungen anschauten, stellten wir fest, dass sinngemäß auf einer Relation von 800 Kilometern, die Züge auf 200 Kilometer überfüllt und in der Summe 600 Kilometer mit nur 46 Fahrgästen durchs Land rollten. Voll Uelzen – Hannover, leer Offenburg – Konstanz. Leer auch Koblenz – Trier, da meinte ich, lasst uns da nicht ran, dahinter liegen Luxemburg und Frankreich. Das sah Mehdorn ein. Auch wir waren nicht immer einer Meinung, doch er konnte zuhören. Auf einer Besprechung zu einem Vorhaben, an der ich nicht dabei war, hatte Mehdorn gesagt, „fragt doch mal den Leuschel, warum es nicht gehen könnte“. Worte, halb im Scherz ausgesprochen, zumal vor Publikum, bergen auch ein Quentchen Wahrheit in sich. So machte Vorstandsvorsitzender Rüdiger Grube bei deiner Verabschiedung am 31. März 2016 keinen Hehl daraus, dass er kaum wisse, was er ohne dich machen solle, da du der Einzige gewesen bist, der ihm die Bahn erklären konnte. Seit deinem Weggang ist der Vorstand und das enge Umfeld ausschließlich von Nicht-Eisenbahnern besetzt. In diesem Kreis bist du der Letzte gewesen, der von der Pike auf bei der Bahn gelernt hat. Der 50 Dienstjahre auf seinen Schultern trägt. Ich wäre unglücklich, wenn rüberkommt, ich sei der letzte wahre Eisenbahner im DB-Tower gewesen. Es gibt dort viele altgediente Kollegen. Sicherlich kam ich einigen jüngeren Managern wie ein wandelndes Lexikon vor. Es ist eher dem Zeitgeist geschul-

det, dass heute, anders als bei der alten Behördenbahn, eine viel JU|‰HUH 5RWDWLRQ LQ GHQ )KUXQJVHWDJHQ VWDWWÀQGHW 'DPDOV ZDU vieles statischer. Du konntest zwar das Wissen mittragen, aber du hast auch die Pfeifen länger mitgeschleppt. Und die Obersten der Bundesbahn waren mitunter auch keine Eisenbahner. Sicherlich muss man kein Metzger sein, um zu wissen, wie ein 6FKQLW]HOVFKPHFNW8QGGLH,GHQWLÀNDWLRQ ZHQQQLFKW+LQJDbe) zu deinem Arbeitgeber mag auch bei der Beamtenbahn nicht zum Besten bestellt gewesen sein. Aber wenn eine Bahn ausschließlich aus Seiteneinsteigern geführt wird … Ich bin auch ein Seiteneinsteiger gewesen. Weil du auf deinem Weg Haken geschlagen hast? Ja. Weißt du, was wichtig ist? Bei uns hat es die teuersten Seminare gegeben, auf denen alles Mögliche vermittelt werden sollte, ob du es brauchtest oder nicht. Was gehört zur Führung dazu? Für mich gehört erst einmal Vertrauen und Vorbildfunktion dazu. Das haben viele schon nicht. Punkt eins. Und wenn du weiter kommen willst, musst du veränderungsbereit sein. Punkt zwei. Das bin ich gewesen. Ich habe die verschiedensten Sachen bei der Bahn gemacht und mich stets für Infrastruktur engagiert. Aber es wäre völliger Quatsch darzustellen, ich wäre in den Chefetagen der letzte Eisenbahner gewesen. Als ob nach mir das keiner mehr könne. Wäre eine Idee völlig abwegig, Uniabsolventen und Seiteneinsteiger, für die in den oberen Etagen ein Zimmer reserviert ist, zunächst auf eine Art Summerschool zu schicken? Sechs Wochenkurse: Zugbegleiter im Fernverkehr, Zugleitzentrale Berlin-Pankow, als Tfz-Beimann bei Regio (mit Motorsäge für schnellen Baumbeschnitt), Spätschicht als Cargo-Disponent in Maschen, Bahnhofsdienst, Nostalgiezugeinsatz – um zu lernen, was die Mühen der Ebene bedeuten und wie der Laden läuft … Macht man ja. Echt? Wenn du das sagst – bin ich etwas beruhigt. Beunruhigend ÀQGH LFK KLQJHJHQ GLH (QWZLFNOXQJ GDVV JHZDOWLJH 6SULWVFKOXcker, Paketdienstleister und eine allgegenwärtige Wand aus Lkws unsere Straßen verstopfen. Gleichzeitig kann man den Eindruck gewinnen, dass die DB noch nicht einmal 5 % vom Straßenverkehr abnehmen kann, weil sie zu sehr verschlankt und reduziert wurde. Wie soll also mehr Verkehr auf die Schiene kommen? Wir haben nicht erkannt, auch bei der Bahn nicht, dass sich der Güterverkehr komplett verändert hat. Die Bahn war der Güterverkehrsträger Nummer eins in Deutschland, als wir alle noch einen Kohleofen zu Hause hatten, als alle landwirtschaftlichen Güter noch hierzulande erzeugt wurden. Die Welt hat sich schlagartig gewandelt. Die ganzen Rossmanns dieser Welt bauen vor den Städten dicht an die Autobahn riesige Logistikzentren. Wir haben Amazon. Und die Innenstädte laufen Gefahr auszusterben. Güterströme werden immer kleinteiliger. Die Bahn ist dafür nicht gemacht. Du denkst also, dass es politisch nicht steuerbar gewesen wäre, durch fairere Wettbewerbsbedingungen der Bahn entgegenzukommen. Ein großer Kostenfaktor im Güterverkehr ist der Umschlag. Dadurch, dass der Verbraucher stets das Billigste nimmt, haben wir

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Zwischenhalt in Decin bei der letzten (Mit-)Fahrt des VINDOBONA (Hamburg-Altona – Villach). Rechts neben Leuschel dessen Assistent Jens Brückner, der von der DR kam und in Prag studierte (1.1.1).

Überraschungszug zur Verabschiedung nach Berlin (1. März 1).

Verabschiedung von Ingulf Leuschel (mitte) nach exakt 50 Dienstjahren durch den Vorstandsvorsitzenden Rüdiger Grube (links) – und Begrüßung des Nachfolgers als Konzernbevollmächtigter für Berlin, Alexander Kaczmarek (rechts), 1. März 1.

eine gesellschaftliche Vorgabe gegeben – zur industriellen Monokultur, zum Onlinegeschäft. Die Eisenbahn kann enormes. Warum gibt es im Güterverkehr keine Steigerungsraten bei der DB? Das haben die Mitbewerber. Der tschechische Lokführer verdient ein Bruchteil und fährt von Bad Schandau bis zum Hamburger Hafen durch. Wir sind da gar nicht mehr wettbewerbsfähig und haben den XQSURÀWDEOHQ(LQ]HOZDJHQYHUNHKU'LH*WHUEDKQPXVVJUR‰H6WUHcken auf der Schiene zurücklegen, wie vom und zum Hamburger Hafen. Was wäre er ohne die Schiene? Für Rotterdam gilt dasselbe.

Wo steht der Güterverkehr der DB in 20 Jahren – Stichwort autonomes Fahren auf der Straße? Wo bleibt die Bahn? Das sehe ich als ein Problem, wenn der Stra‰HQYHUNHKUHOHNWULÀ]LHUWZLUG,FKJODXEHWURW]GHPGHPEHJHJQHQ zu können. Der Lkw-Verkehr ist heute schon personell an der Kapazitätsgrenze. Es wird jedoch länger dauern, als heute angenomPHQHKHGLH)DKUHUEHUÁVVLJZHUGHQ:HQQZLUGLH*WHU]JH mit 740 Metern auslasten, dann sind wir unschlagbar. Das ist quasi wie autonomes Fahren, mit gerade mal einem Lokführer und ich fahre damit bis in den Terminal hinein: Hamburg-Billwerder, Köln-Eifeltor, München-Riem. Wir brauchen mehr moderne Terminals dieser Art, in denen es zack-zack geht. Wir müssen gute, schnelle und zuverlässige Transportketten auf der Schiene bieten. Transportketten beinhalten doch grenzüberschreitende Lösungen. Da fangen manche Probleme doch erst an. Moment, der meiste Güterverkehr, den wir in Deutschland machen, ist schon grenzüberschreitend. Überleg mal, allein die Güterzüge, die heute schon durchgehen von Skandinavien und Benelux bis Norditalien. Und wir haben die Richtung Deutschland und Skandinavien bis Frankreich und Spanien. Wir haben nur eine Chance im kombinierten Ladungsverkehr auf großen Strecken. Siehst Du ein Problem darin, dass die Automobile in sich, abgesehen von ihren elektronischen Assistenten, einen riesigen Komfortgewinn gemacht haben? Eigentlich rollende Wohnzimmer geworden sind. Und der Fernverkehr, ich will jetzt mal etwas sarkastisch sein, in der 1. Klasse glaubt, mit einer lederüberzogenen Campingbestuhlung im Großraum reüssieren zu können? Als junger Eisenbahner war ich begeisterter Abteilfahrer, heute lehne ich das Abteil ab. Ich war und bin begeisterter Abteilfahrer. Ja, aber da sitzen dann nur zwei oder drei drin. Aber die fühlen sich dort wohl. Das kannst du wirtschaftlich nicht darstellen. Dennoch, warum diese Hundert-zu-Null-Entscheidung? Warum es nicht wie beim ICE 1 ursprünglich getan, eine 70- zu 30-Aufteilung? Warum geht die Schweiz im Fernverkehr schon auf Doppelstock los? Du kriegst die Leute nicht anders unter. Die Schweiz! Was hat den unser Nachbar für Distanzen? Gut, warum macht dann der Franzose über große Entfernungen alles im Großraum und/oder im Doppelstock? Machen wir uns doch nichts vor, wir kriegen freitags, sonntags und montags, übrigens der Donnerstag scheint nach und nach auch zum Hauptreisetag zu werden, die Leute nicht mehr weg. Und ins Abteil setzen sich keine sechs Leute rein. Das ist unser Problem. Du warst doch Konzernbevollmächtigter für Berlin und gleichzeitig der Koordinator für alle Bevollmächtigten. Was kann sich der Leser darunter vorstellen? Von zehn Bevollmächtigten, die für ein oder mehrere Bundesländer als Schnittstelle von Konzernvorstand und den örtlichen ZustänGLJNHLWHQ GLHQHQ HLQH (UÀQGXQJ YRQ 0HKGRUQ ZDU LFK VR]XVDgen als Erster unter Gleichen für deren Harmonisierung zuständig. Verkleinert gesagt, was früher der Präsident einer Direktion war. Meine beamtenrechtliche Bezeichnung wäre Abteilungspräsident. Schlagen wir den Bogen über deine Dienstjahre von 1966 bis 2016, vom Assistenten-Anwärter zum Abteilungspräsidenten, und messen die Bedeutung der Eisenbahn an ihrer gesellschaftlichen Akzeptanz. Wann hatte die Bahn ihre beste Phase? Sie steigt jetzt gerade wieder, weil Berlin – München funktioniert und sogar noch etwas Tempopotenzial darin steckt. Ich danke dir für dieses Gespräch. Eberhard Krummheuer: Haltepunkte.  Dienstjahre bei der deutschen Eisenbahn – Geschichte und Geschichten PMC Media House, Bingen, 1. 1 Seiten,  Abb., 1 x  cm, gebunden, ISBN: ---1-. € ,.

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Cˇeské dráhy / Tschechische Staatsbahn

Geschätzt, gepflegt – Was tun mit überschäumendem Fotoantrieb? Ich wohne in Ingolstadt. Kann die moderne Bahn als Auslösereiz dienen, reicht sie als neues Motivtummelfeld? Ansatzweise schon, aber da war dann doch ein Defizit, welches einen wie mich gedanklich wieder in die Ostalgie, diesmal tageszielnah, schubste. Praktisch umsetzbar mit dem „Alex“ in Tagesrandlage – dieses Zugangebot gehört zu Tschechien – und offeriert „Offenfensterfahrgenuss“. Fast wie im Schweben, über Schienen gelangt man mit Vorfreude in solchen Zügen, von Bayern her, auf die biodivers stärkere tschechische Seite des europäischen grünen Bandes.

In Horšovsky Týn lächelt Marta Hejdukova aus vertrautem Ausschnitt. Sie ist eine Aussichtsbahn über zig Bachläufe, die im System der Radbuza den Cˇeskʭ les (böhmischer Wald) entwässern. Einmal jedoch „lässt sie sich herab“, ins Uhlavatal und darf die Radbuza kurz, aber verschönernd begleiten. Von weiß-blauen „Brotbüchsen“ passierte Bedarfshaltepunkte wie der von Loucim liegen zwischen Landschaft und Ortsrand.

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und herrlich weiblich

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Landadelige Eleganz im Wartesaal von Blížejov.

Emilie Nejdlova, spiegelbildlich gleich daneben, reicht so ab und an Fahrscheine durch alte Schalterwände in derbe Bauernhände. Dazwischen mal der Plausch zu vertrauten Pendlergesichtern. Blížejov verfügt noch über Zeit ... Doch in Bälde, nach Einzug der Moderne, werden Dienste einst mit Frauenflair dann erzählt wie eine Mär.

och etwas gab’s zur besten Zeit im Frühjahr 2015, was den Drang nach einer „gewissen“ Motivlichkeit erzeugte. Es überfraute einen in Traumfrautropicalqualität, also mit Exotik, durch meine langjährige Kollegin Natali. Sie ist 25 Jahre jünger(!) und meine Referenz für Tschechien. Na, dann sofort rein in die „Tochterschublade“. Sie dagegen sieht mich eher brüderlich. Ganz gelassen sage ich jetzt: Was gibt es Schöneres als eine tiefe Freundschaft mit einer hübschen Lady, und „fernöstlich klug“ denke ich: Sei froh, dass du im Leben überhaupt noch eine zweite Traumfrau kennengelernt hast, neben der Eigenen. Und siehe da, eine neue Wohlfühlsuchwelt war entstanden: Weibliche Strahlkraft vor ehrwürdiger Fassade; denn in Tschechien ist der Bahnhof und so manch anderer Teilbereich oftmals eine „Frau“. Gelegentlich wetterdramatisch war GLH $QNXQIW LQ 'RPDçOLFH IUKHU 7DXV  auch mal zur blauen Stunde, Samstagabend mit dem Zug „Franz Kafka“ um  8KU  .KOH 6FKDXHUOXIW]JH SURÀlieren die Haut. Das ersehnte „Nadrazi“ – welch ein Wort für Bahnhof – entweicht weiblich sanft dem Lautsprecher und wärmt dagegen. In der Halle dann zum Empfang wieder dieser wunderbare Café Creme, 24 Kronen, zweite Tastenreihe von oben rechts, persönlich gereicht von aparter Schalterdame. Man kennt sich halt! Sie macht noch Dienst bis 22 Uhr 20; ich per Radel zum gemütlichen „Zlata Vcela“, einer nachtstillen Herberge. Der Ausblick tagsdarauf stimmt fröhlich. Lassen wir sie aufparadieren, die %DKQHULQQHQ LP 5DXP 'RPDçOLFH LP Land der Janas, Veras und „ovas“ als Familiennnamenszusatz für Frauen. (Natürlich dürfen auch einige Bahnherren zu Bilde kommen.) Tja, und jetzt fehlt noch das ziehende Rollmaterial. Als „Stolz“ die „Sharks“, haiähnliche 844 im Einsatz nach Plzen, sowie noch ganz klassisch „bebrillt“ mit BR 754, je ein Pendlerzugpaar ganz früh und wieder spät am Nachmittag. Auf den Strecken nach Klatovy und 3REđçRYLFH UXPSHOQ DOWH Å%URWEFKVHQ´ 810, auch blau, und die moderneren 814 herum. Die schönen Tw 842 in bayrisch Weiss/Blau machen nachmittags mit dem Paar 17550/-553 einen „Schlenkerer“ von Klatovy herüber. 9RQ)XUWKLP:DOGKHUZLUG'RPDçOLFH mittlerweile von bayrischer Seite modernst bedient. Gelegentlich fährt auch mal ein Kohlezug sowie der nachmittägliche Sonderautozug in deutsche Richtung. Der blaue „Bahnhofsbock“ 742 dagegen leistet immer seltenere Übergaben mit etwas Rangiergetue dazwischen. Die „Alexe“ schaffen schließlich in schöner Weise täglich siebenmal paarig den Bezug zu Praha.

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Jetzt aber ohne Speisewagenduft. Nur ein mobiler Caterer darf noch Dienst tun. 'DVGXQVWHOQGHVWLOOH/DQGXP'RPDçOLFH herum korrespondiert gerade zur dunklen Jahreszeit hervorragend mit ebenso stiller, rustikaler Dorfkultur. Es hat Platz sich anheimelnd einzunisten in modrige Plätzchen und Eckchen. Sie sorgen dafür, dass im Lenz die Dörfer gewaltig erblühen, mit bodenständiger Flora verwoben erscheinen und nicht vor umgebender Natur wie sterile Fremdkörper wirken. Mit den Bahnen dort gelingt es, solcherlei Schönheit auf sich wirken zu lassen. Eisenbahner, noch reichlich, ermöglichen dies. 'RFK DE  ZLUG HV 5LFKWXQJ 3O]Hļ (Relation München – Prag) ganz anders werden. Ausbau, Modernisierung und betrieblich elektronische Steuerung aus der Ferne reduzieren dann sicher das „Menschelnde“. -HW]W DEHU LQ %OtçHMRY GULWWHU +DOW DE 'RPDçOLFH QRFK QLFKW (V LVW HLQ VFKPXcker Landbahnhof mit Fahrkartenausgabe und einem geradezu grossbürgerlich-mondänen Warteraum. Anziehend dort die oftmals jungweiblichen Fahrdienstleiter mit etwas Traumfraureferenz. Man war wieder PDOGXUFKÁXWHW«hEHUQlFKVWH6WDWLRQJHQ 3O]HQGDQQ6WDļNRY.XU]GHU1DPHODQJgestreckt das Gleisbild und Bahngebäude mit fast originellem Charme der Vorwende-

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1 Fahrdienstleiterin Martina Petrasova in Kdynȓ beim Herauseilen aus ihrer Dienststelle zum Abfertigen zweier Züge. Meine damals unhöfliche „bayrische Rumpeligkeit“ als „Fotopaparazzo“ trieb die tschechisch sanfte Seele zum etwas bösen Blick. Entschuldigungsorgien waren notwendig, die aber dann zufriedenstellend mit dem Erhalt ihrer Emailadresse endeten. Nur einen Katzensprung vom Bayerischen Wald hinüber zur Nachbarrepublik und ihrer Staatsbahn. Zum schwungvollen Grenzlanderkunder wird man auf den beiden, in etwa parallel zur Landesgrenze, reichlich kurvenden Nebenstrecken von Domažlice. Stets zu (Rad-)Wanderausflügen in westliche Richtung lockt dabei den Naturfreund das europäische grüne Band, als wertvolles „Überbleibsel“ des eisernen Vorhangs. Die tschechische Kursbuchstrecke KBS 1 bietet auf  km zweieinhalb Stunden lang in harter „Brotbüchse“ (BR 1) oder in ruhigerer 1er-Modernität abwechslungsreiches Land. Martina Petrasova, auch in Blížejov ganz flink tätig an alten Hebeln, hat leicht Lachen. Vor solch altem Equipment sieht sie noch jünger aus.

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Blaue Stunde in Staļkov. Wenn das Tageslicht müde blinzelt, und das Licht der Nacht sich noch die Augen reibt … Dämmerlicht für „fährt gleich durch“ Alex Franz Kafka nach Prag und „grad abgefahren“ Brotbüchse nach Pobėžovice. Domažlice, Lichtsignale mit „Ausstrahlung“. Links fährt man in Kürze Richtung Furth i. Wald, mittig gerade aus Klatovy gekommen, rechts sogleich nach Plzelj.

zeit. Leider nur noch Sa./So. etwas Abzweigbetrieb mit „Brotbüchse“ LQVKEVFKH+RUåRYVN\7ʭQDQ GHU6WUHFNHQDFK3REėçRYLFH'RUW lächelt Marta Hejdukova sympathisch aus vertrautem Ausschnitt – ein Bild wie aus Kindheits eigenem Bahnhof. Mit optimaler GedächtnisfülOXQJHUZDUWHLFKLQ'RPDçOLFHQDFK Tourende den Heimkehr-Alex „Albert Einstein“. Unerwartet erblicke ich eine Zugbegleiterin. Sie wartet samt Kollege auf Dienstübernahme im kreuzenden „Franz Kafka“ nach Prag. Wie sie da so steht, mit ZigaretWHXQGGHP.ROOHJHQSODXGHUQG« Gleich wird sie zu singen beginnen, diese Hildegard Knef Tschechiens, denke ich. Freundlich langsam zücke ich die Kamera, ohne um Erlaubnis zu bitten. Ihr Ausdruck offenbart aber Einverständnis. Sie, als Motiv, genießt es. Danach mein Dank. Sonja Mazini ist ihr Name. Bis heute konnte ich ihr die Fotos nicht übergeben, aber ich trage sie immer bei mir, in der Hoffnung, ich werde sie wiedersehen. WOLFGANG MATUSSEK

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DAMPFEISENBAHN

Unser täglich Dampf 1 Im öffentlichen Auftrag von uns Steuerzahlern halten sieben Schmalspurbahnen Tag für Tag einen Dampflokbetrieb aufrecht. Das ist weltweit einmalig. Seit Bestehen der BAHNEpoche kommen die Bahnbetreiber der Bitte um eine aktuelle Leistungsbilanz des abgelaufenen Betriebsjahres nach.

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as Positive zuerst. Das Reiseziel Deutschland erfreut sich anhalWHQGJUR‰HU%HOLHEWKHLW'DYRQSURÀWLHUWHQGLH'DPSIEDKQHQDXFK 2017. In einen Jahr, das an unseren Küsten keinen zuverlässigen 6RPPHUKHUJDEXQGLQZHLWHQ7HLOHQPLW1lVVHXQG6WUPHQYRQ VLFKUHGHQPDFKWHQXW]WHQPLW)DKUJlVWHQSUR7DJPHKU%UJHUGHQQ MHGLHQRVWDOJLVFKHQ=JH'HQPLWJU|‰WHQ6SUXQJQDFKYRUQHPDFKWHGLH :HL‰HULW]WDOEDKQLQ)ROJHLKUHVZLHGHUHU|IIQHWHQ6WUHFNHQVWFNVQDFK'LSSROGLVZDOGHSOXV=XZDFKVJHJHQEHU'LHJU|‰WH(LQEX‰HEHLGHQ /RNODXÁHLVWXQJHQ²LPPHUKLQXPHLQ=HKQWHOLP9HUJOHLFK]X²PXVVWHQ KLQJHJHQGLH+DU]HU6FKPDOVSXUEDKQHQKLQQHKPHQ6WDJQLHUHQGHVWDDWOLFKH 0LWWHOEHLIRUWZlKUHQGVWHLJHQGHQ.RVWHQIRUGHUQGHQ(LVHQEDKQHUQYLHOHVDE ,P 'DPSI]XJEHWULHE GHU Bäderbahn Molli ODJHQ GLH )DKUJDVW]DKOHQ GHV -DKUHV  HWZD   XQWHU GHP 9RUMDKUHVQLYHDX *UXQG ZDU YRU DOOHPGDVVFKOHFKWH:HWWHUZDVLQGHU.VWHQUHJLRQ]X5FNJlQJHQEHL 7DJHVDXVÁJOHUQ XQG .XU]XUODXEHUQ IKUWH (UVWPDOV VHLW YLHOHQ -DKUHQ NDPHVLP2NWREHU]XZLWWHUXQJVEHGLQJWHQ=XJDXVIlOOHQ'XUFKHLQHQVWDUNHQ6WXUPZXUGHQLP%HUHLFK+HLOLJHQGDPPPHKUHUH%lXPHHQWZXU]HOWXQGVWU]WHQDXIGLH*OHLVH$PNRQQWHGDKHUQXUHLQ $UEHLWV]XJ]X$XIUlXPDUEHLWHQYHUNHKUHQ $Q %HWULHEVDQODJHQ ZLUG VHLW 1RYHPEHU  GLH :DJHQZDVFKDQODJH in der Wagenhalle Bad Doberan erneuert, die nach 20 Jahren verschlissen ZDU%HUHLWVLP0lU]HUIROJWHGLH:LHGHUHUULFKWXQJGHVHUVWHQ$EVFKQLWWHV GHU7HOHJUDIHQIUHLOHLWXQJYRQ%DG'REHUDQQDFK+HLOLJHQGDPP(LQQHXHV 9HUWULHEVV\VWHPEHÀQGHWVLFKGHU]HLWLQGHU(LQIKUXQJVSKDVHXQGVROOELV ]XP6DLVRQVWDUWGLHDOWH7HFKQLNDQGHQ6FKDOWHUQXQGLPPRELOHQ%HUHLFK EHLP =XJSHUVRQDO DEO|VHQ 'DPSÁRN   ZHLOW VHLW 1RYHPEHU LP 'DPSÁRNZHUN0HLQLQJHQ]XU+8XQGHUKlOWHLQH)DKUZHUNVDXIDUEHLWXQJLQGHUHLJHQHQ:HUNVWDWW:HLWHUKLQEHNDPHQYLHU5HLVH]XJXQG ]ZHL*HSlFNZDJHQLKUHSODQPl‰LJH+DXSWXQWHUVXFKXQJ'HU9HUHLQ ]XU7UDGLWLRQVSÁHJHGHV0ROOLNRQQWHGLH$XIDUEHLWXQJGHVJHGHFNWHQ*WHUZDJHQVIUGHQKLVWRULVFKHQ*WHU]XJDEVFKOLH‰HQ $XFKVLQGZLHGHU]ZHL%DKQKRIVIHVWH]XP.LQGHUWDJDP-XQL XQG ]XP 7KHPD Å6FKDOO XQG 5DXFK´ DP  2NWREHU VRZLH HLQ DEZHFKVOXQJVUHLFKHV6RQGHUIDKUWHQSURJUDPPPLWGHPÅMlKULJHQ=XJ´JHSODQW %HUHLWVLP0lU]LVWGLH:LHGHUHUULFKWXQJHLQHV]ZHLWHQ$EVFKQLWWHV GHU7HOHJUDIHQIUHLOHLWXQJHQWODQJGHU6WHLONVWHELV)XOJHQYRUJHVHKHQ Die Rügensche BäderBahn „Rasender Roland“ blickt auf ein recht HUIROJUHLFKHV-DKU]XUFN,Q6XPPHZXUGHQ5HLVHQGHJH]lKOWZRPLWGHU9RUMDKUHVZHUWWURW]HLQHVUHFKWGXUFKZDFKVHQHQ6RPPHUV DQQlKHUQG HUUHLFKW ZHUGHQ NRQQWH *XW EHVXFKW ZDU GDV JUR‰H 3XWEXVHU %DKQKRIVIHVWDPIRUWJHIKUWZXUGHQ]XGHPGLH'DPSI]XJIDKUWHQ YRQ H[35(66]XJUHLVHQ PLW   LQ 9RUSRPPHUQ Å/HXFKWWUPH´ LQ GHU OHW]WHQ +DXSWVDLVRQ ZDUHQ GLH .RPELWLFNHW$QJHERWH Å0LW :DVVHU  'DPSI´ XQG GHU QXQPHKU GXUFKJlQJLJH (LQVDW] YRQ GUHL$XVVLFKWVZDJHQ 7LSSV IU GHQ 7HUPLQNDOHQGHU  ² %DKQKRIV-

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BAHN Epoche · Frühjahr 1

Großes Theaterlicht für den letzten Gipfelstürmer des Jahres!  - mit P  hat um 1. Uhr das Brockenplateau erreicht. Dazu schreibt BAHNEpoche-Leser Dirk Mielke: „Ich hätte am 1. Dezember 1 nicht gedacht, dass ich mich im zur Neige gehenden Jahr noch so aufregen werde – natürlich im positiven Sinne.“ Damit die Räder reibungslos rollen, müssen die Lokomotiven regelmäßig aufgearbeitet werden. Hier nimmt sich Dreher Jean Hurtienne, der seit über  Jahren in der Putbusser Werkstatt der Rügenschen BäderBahn arbeitet, eine Kuppelstange der  11- vor, um das Ringlager auszupressen (1.Mai 1). Nach Sonnenuntergang hoch in die Ausläufer des östlichen Erzgebirges nimmt  1- ihren Personenzug und überquert den zugefrorenen Bormannsgrund in Malter (Weißeritztalbahn, am 1. Januar 1).

www.hobbymagazines.org FOTOS: DIRK MIELKE, DR. BERIT KREUTZIG/WWW.BINGSHILING.DE, TONY STREETER

Frühjahr 1 · BAHN Epoche

1

DAMPFEISENBAHN IHVW 3XWEXV  ² %DKQKRIVIHVW *|KUHQ ,P )UKMDKUZLUG]XGHPGDV-XELOlXPÅ-DKUH5%%´ begangen. )U GLH Sächsisch Oberlausitzer Eisenbahn GmbH (SOEG/Zittauer Schmalspurbahn)ZDUGDV DEJHODXIHQH-DKUZLHGHUUHFKWHUIROJUHLFK0LW QRFK HLQPDO JHVWHLJHUWHQ )DKUJDVW]DKOHQ DXI EHU 7DXVHQGLVWPDQ]XIULHGHQ'LH=DKOHQ]HLJHQDEHUDXFKGDVVGLH:DFKVWXPVSHULRGHDXVJHUHL]W LVW ,Q =LWWDX HQWVWDQG ]XGHP GLH (UZHLWHUXQJ GHU /RNZHUNVWDWWLQGHU]XNQIWLJGLH=ZLVFKHQXQWHUVXFKXQJHQDQ'DPSÁRNRPRWLYHQEHLGHU%DKQHQVRZLH DXFK +DXSWXQWHUVXFKXQJHQ DQ 'LHVHOORNRPRWLYHQ XQG 7ULHEZDJHQ XQWHU JXWHQ %HGLQJXQJHQ GXUFKJHIKUW ZHUGHQ N|QQHQ  VLQG LP %DKQKRI 2\ELQ ]ZHLHLQPDOLJHhEHUQDFKWXQJV:DJJRQVHLQJHZHLKW ZRUGHQ IU  LVW HLQ .LQGHU%DKQKRI DOV *UR‰VSLHOSODW]DOV]XVlW]OLFKHV=LHOJHSODQW$XFKGLH*HVHOOVFKDIWHUXQGGLH9HUNHKUVYHUEQGHVLQGVLFKLKUHU 9HUDQWZRUWXQJIULKU.OHLQRGEHZXVVW,Q=LWWDXXQWHUVWW]WPDQLQGHQQlFKVWHQ-DKUHQGLH,QVWDQGVHW]XQJ GHU PDURGHQ 6FKZHOOHQ 'XUFK GDV EHVRQGHUH 7KHPD Å'DPSI´ KDW GLH 62(* IU GHQ )DKUGLHQVW =XJIKUHU +HL]HU /RNIKUHU  GHU]HLW LPPHU QRFK PHKU%HZHUEXQJHQDXIGHP6FKUHLEWLVFKOLHJHQDOV VLH HLQVWHOOHQ NDQQ )U GLH :HUNVWlWWHQ N|QQHQ VLH DXI $XWRVFKORVVHU XQG 6FKORVVHUEHUXIH ]XUFNJUHLIHQ.ULWLVFKZLUGHVDEHUEHUHLWVKHXWHIUGDVPLWWOHUH0DQDJHPHQW+LHUZlUHHVRKQHGLH/|EDXHU(LVHQEDKQIUHXQGHXQGGRUW6WXGLHUHQGHQGLHGLH62(* EHUQLPPWVFKOHFKWEHVWHOOW6RJHKWVlFKVLVFK 0LW)DKUJlVWHQEOLHEGLH LößnitzgrundbahnLP-DKUGHXWOLFKXQWHUGHP9RUMDKUHVQLYHDX =XP 6FKPDOVSXUEDKQ)HVWLYDO LP 6HSWHPEHU EHLGHPHUVWPDOVQDFK]HKQ-DKUHQGLH9,. ]XP(LQVDW]NDPIUHXWHVLFKGLH%DKQEHUPHKUDOV %HVXFKHU+|KHSXQNWIUGLH(LVHQEDKQIUHXQGHZDUGHU)RWR)UHLWDJ]XGHPHLQ*PSPLWGHU9,. DXIGLH6WUHFNHJHVFKLFNWZXUGH 1HX LP 9HUDQVWDOWXQJVMDKU ZDUHQ GLH *OKZHLQIDKUWHQ LP 'H]HPEHU 'LH EHLGHQ )DKUWHQ ZDUHQ DXVJHEXFKW VRGDVV GLH 9HUDQVWDOWXQJVUHLKH PLW GUHL 7HUPLQHQIUZHLWHUJHIKUWZLUG Die Weißeritztalbahn ZXUGH LP YHUJDQJHQHQ -DKUYRQJXW)DKUJlVWHQJHQXW]W0LWGHU(U|IIQXQJGHU*HVDPWVWUHFNHDP-XQLHUOHEWH GLH6FKPDOVSXUEDKQVWDUNHQ$XIZLQG$OOHLQLP-XQL NRQQWHQ QDKH]X GRSSHOW VR YLHOH )DKUJlVWH DXI GHU 6FKPDOVSXUEDKQEHJU‰WZHUGHQZLHHLQ-DKU]XYRU =XP 6FKPDOVSXUEDKQ)HVWLYDO LP -XOL VWDUWHWHQ QHEHQGHQYLHOHQ'DPSI]JHQDXFK2OGWLPHUEXVVH]X organsierten Rundfahrten. Daraus entstand die neue 7KHPHQIDKUWÅ2VWHU]JHELUJLVFKH.UlXWHUWRXU´GLHDE $SULODQVLHEHQ7HUPLQHQVWDWWÀQGHQZLUG Mit der Fichtelbergbahn ZDUHQ LP -DKU  ]XP ]ZHLWHQ 0DO LQ )ROJH EHU  %HVXFKHU XQWHUZHJV6RNRQQWHGLH6FKPDOVSXUEDKQLKUHQ$XIZlUWVWUHQGZHLWHUIRUWVHW]HQ(LQH5HLKHYRQ9HUDQVWDOWXQJVDQJHERWHQ XQG JHEXFKWH )RWR]JH PDFKHQ GLH'DPSIEDKQLP(U]JHELUJH]XHLQHPJDQ]EHVRQGHUHQ(UOHEQLV,P$XJXVWIHLHUWHGLH)LFKWHOEHUJEDKQLKUHQ6WUHFNHQJHEXUWVWDJ$P)HVWZRFKHQHQGHZDUHQUXQG%HVXFKHUDQGHU6WUHFNH XQGLQGHQ=JHQXQWHUZHJV=XVDPPHQWUXJGDV]X HLQHU HUKHEOLFKHQ 6WHLJHUXQJ GHU /RN/DXÁHLVWXQJ

Leistungsbilanz 1 Mecklenburgische Bäderbahn Molli (MBB) Adresse: Am Bahnhof, 1 Bad Doberan Mail: [email protected] Internet: www.molli-bahn.de Strecke: Bad Doberan – Ostseebad Kühlungsborn West (1, km) Spurweite:  mm Fahrgäste 1: . Vergleich zu 1: - , %, Vergleich zu 1: + 1 % Leistung Dampf:  km (, Fahrgäste pro km), Vgl. zu 1: + , %

Loklaufleistung  1-:  -:  -:  -:  1-:

1 km 1 km 1 km  km 11 km

Rügensche BäderBahn (RüBB)

Loklaufleistung  11-:  km Adresse: Bahnhofstraße 1, 11 Putbus  1-: 1 km Mail: [email protected] Internet: www.ruegensche-baederbahn.de  1-:  km Strecken: Lauterbach Mole – Putbus – Binz – Göhren (, km)  11-: 11 km Spurweite:  mm  - ( Mh): 1 km Fahrgäste 1: .  1-: 11 km Vergleich zu 1: - , %, Vergleich zu 1: + 1 %  -: 1 km Leistung Dampf: 1. km (, Fahrgäste pro km), Vgl. zu 1: + 1 %

Sächsisch-Oberlausitzer Eisenbahngesellschaft (SOEG) Adresse: Bahnhofstraße 1,  Zittau Mail: [email protected] Internet: www.soeg-zittau.de Strecken: Zittau – Bertsdorf – Kurort Jonsdorf (1, km) Zittau – Bertsdorf – Kurort Oybin (1, km) Spurweite:  mm Fahrgäste 1: 1. Vergleich zu 1: + 1 %, Vergleich zu 1: +  % Leistung Dampf:  km (, Fahrgäste pro km), Vgl. zu 1: - , %

Loklaufleistung  (I K): 1 (IV K):  :  :  :  :

1 km 1 km 1 km 1 km  km  km

SDG Sächsische Dampfeisenbahngesellschaft mbH / Lößnitzgrundbahn Adresse: Am Bahnhof 1, 1 Moritzburg Mail: [email protected] Internet: www.loessnitzgrundbahn.de Strecke: Radebeul Ost – Radeburg (1, km) Spurweite:  mm Fahrgäste 1: . Vergleich zu 1: -  %, Vergleich zu 1: +  % Leistung Dampf:   km (, Fahrgäste pro km), Vgl. zu 1: + 1, %

Loklaufleistung  1:  1:  :  :

 km  km 1 km  km

SDG Sächsische Dampfeisenbahngesellschaft mbH / Weißeritztalbahn Adresse: Am Bahnhof 1, 1 Moritzburg Mail: [email protected] Internet: www.weisseritztalbahn.com Strecke: Freital-Hainsberg – Dippoldiswalde (1, km) Spurweite:  mm Fahrgäste 1: 11. Vergleich zu 1: +  %, Vergleich zu 1: + 1 % Leistung Dampf:   km (, Fahrgäste pro km), Vgl. zu 1: - 1 %

Loklaufleistung  1:  :  :  :

1 km  km 1 km 1 km

SDG Sächsische Dampfeisenbahngesellschaft mbH / Fichtelbergbahn Adresse: Bahnhofstraße ,  Kurort Oberwiesenthal Mail: fi[email protected] Internet: www.fichtelbergbahn.de Strecke: Cranzahl – Kurort Oberwiesenthal (1, km) Spurweite:  mm Fahrgäste 1: . Vergleich zu 1: -  %, Vergleich zu 1: +  % Leistung Dampf:   km (,1 Fahrgäste pro km), Vgl. zu 1: +  %

Loklaufleistung  1:  :  1:  :  :  :

1 km 1 km 1 km 1 km 11 km 11 km

Harzer Schmalspurbahnen (HSB)

Loklaufleistung  1-:  -:  -:  1-:  -:  -:  -:  -:  -:  -:  -:  -:  1-:  -1:  -:  -:

 km  km  km 1 km  km  km 1 km  km  km  km  km  km 1 km  km  km 1 km

Adresse: Friedrichstraße 11,  Wernigerode Mail: [email protected] Internet: www.hsb-wr.de Strecken: Wernigerode – Brocken ( km) Wernigerode – Nordhausen (1 km) Quedlinburg – Alexisbad – Harzgerode ( km) Quedlinburg – Alexisbad – Hasselfelde ( km) Stiege – Eisfelder Talmühle (Verbindung  km) Spurweite: 1 mm Fahrgäste 1: 1.1. Vergleich zu 1: ±  %, Vergleich zu 1: ±  % Leistung Dampf: . km (, Fahrgäste pro km), Vgl. zu 1: - , %

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BAHN Epoche · Frühjahr 1

Auf Grund des vielen Regens bilden sich Teiche überall auf den Äckern, auch zwischen Kühlungsborn-Ost und dem Haltepunkt Steilküste, worin sich am . Januar 1 der (letzte) Molli-Zug nach Bad Doberan mit der  1- spiegelt! Im Laufe diesen Jahres werden hier wieder verdrahtete Telegrafenmasten aufgestellt.

Zusammengetragen von ROBIN GARN

FOTOS: STEFAN LOHR, JAN METHLING

Wenn alles klappt: Bei traumhaftem Winterwetter stampft  1- mit P 1 vor Neudorf bergan. Sie ist schon minutenlang zu hören und kommt mit dem von der Fichtelbergbahn vorgehaltenen Reichsbahnzug durch den Schnee (. Januar 1).

bei. Zudem hat sich als neues Angebot der „Walderlebnistag mit der Bimmelbahn“ etabliert, sodass auch im Jahr 2018 vier Termine dieser naturverbunden Dampfbahnfahrt angeboten werden. Mit erneut rund 1,1 Mio. Fahrgästen war 2017 wieder ein erfolgreiches Jahr für die Harzer Schmalspurbahnen GmbH (HSB). Nach den vielfältigen Aktivitäten im Jubiläumsjahr 2016 lagen die Schwerpunkte 2017 insbesondere in der Planung und Umsetzung von Infrastrukturprojekten. In diesem Zusammenhang wurden zwei weitere Bahnübergänge mit Lichtzeichenanlagen und Halbschranken ausgerüstet sowie die technische Sicherung weiterer Bahnübergänge planerisch vorangetrieben. Geprägt war das Jahr aber auch durch teilweise extreme Witterungsverhältnisse. So sorgte das Hochwasser Ende Juli 2017 insbesondere im Bereich von Wernigerode für erhebliche Zugausfälle. Und erstmals in einer Sommersaison überhaupt führten schwere Stürme zu Betriebsunterbrechungen. Eine weitere Premiere in der Geschichte der HSB war auch der durch Personalmangel bedingte Ersatz einzelner Zugleistungen auf der Selketalbahn mit Bussen im Schienenersatzverkehr. Der Dampfbetrieb wurde dabei zwar eingeschränkt, blieb aber mit täglichen Fahrten erhalten. Durch verstärkte Aktivitäten bei der Personalakquise konnte der rund vier Monate währende teilweise Ersatzverkehr mit Bussen dann wieder beendet werden. Die Erfolgsgeschichte „Faust – Die Rockoper auf dem Brocken“ ging 2017 in eine weitere Runde. Hier wurde seit der Premiere 2006 nicht nur der mittlerweile 70000. Gast begrüßt, sondern auch die 300. Aufführung gewürdigt. Für das Jahr 2018 wird nach Beendigung des planerischen Vorlaufs ein schnellstmöglicher %DXEHJLQQ IU GDV *UR‰SURMHNW GHU QHXHQ 'DPSÁRNwerkstatt in Wernigerode angestrebt. Zudem stehen zahlreiche Maßnahmen zur Instandhaltung des Fuhrparks, insbesondere bei den Reisezugwagen, sowie der Streckeninfrastruktur auf dem Programm. Eine weitere zentrale Kernaufgabe wird – und das auch weit über 2018 hinaus – die fortlaufende Entwicklung und Sicherung des Personalbestandes sein.

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NAH DRAN

Hendrik Bloem berichtet von der Brücke zwischen Gestern und Heute

Nah dran. Großer Mann, was nun? Frau am Zug.

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ie so oft bei unseren Begegnungen lacht Insa. Überhaupt gibt es wenige Situationen, die ihr nicht ein Lächeln unter ihre blitzenden Augen zaubern. Ein Glückskind eben. Dabei hat ihr das Schicksal wenigstens einmal bitterböse mitgespielt … Insa Drechsler-Konukiewitz ist Triebfahrzeugführerin. Und Musikerin. Und /HKUHULQ8QG'DPSÁRNKHL]HULQ8QG/RNführer-Ausbilderin. Und Chorleiterin. Und all diese Tätigkeitsfelder zusammengenommen, die Erfahrungen, die sie hieraus mitnimmt, machen sie zur gestandenen Frau in einer Männerwelt, die längst keine mehr ist. Das Frappierende ist sicherlich, dass die Vollblut-Eisenbahnerin noch mit 15 Jahren NHLQHQ3ÀIIHUOLQJDXIGDVVFKLHQHQJHEXQGHne Verkehrssystem gab. Viel später stellt die KHXWHUHÁHNWLHUHQGH$NDGHPLNHULQGLH7KHorie auf, dass ihr Vater den Traum gehabt habe, Eisenbahner zu werden und sich dieser auf sie selbst projiziert habe. Das kann schon sein, immerhin gehörte er zu den Buben, der seinerzeit Eisenbahn-GeschichtenKlassiker wie „Ausfahrt frei!“ (von Karl Unselt) oder „Fahrt frei für FD 122“ (von O. F. Heinrich) verschlangen. Jedenfalls begann ihre Leidenschaft für die Eisenbahn, als die Teenagerin an den einzigen, aber dafür heftigen Steigungsabschnitt der Museumseisenbahnstrecke von Bruchhausen-Vilsen nach Asendorf mitJHQRPPHQ ZXUGH $OV GLH 'DPSÁRN GHQ Berg heraufgedonnert kam, war es um sie geschehen! Fortan verbrachte sie mit dem Segen der liberal eingestellten Eltern jedes Wochenende bei der Museumseisenbahn in Bruchhausen-Vilsen. Und auch wenn sie dort ihren ersten Freund kennenlernte: Was sie wirklich faszinierte, waren jene Dampfund Dieselloks, die, einmal in Betrieb gesetzt, geradezu lebendig wurden. Als spätere leidenschaftliche Musikerin füllt sie die XQWHU (LVHQEDKQIUHXQGHQ JHOlXÀJH )ORVNHO „mit allen Sinnen“ heute mit echten Inhalten: „Wenn ich das Geräusch einer anIDKUHQGHQ 'DPSÁRN K|UH NULHJH LFK HLQH Gänsehaut und wenn ich den Anfang des  6DW]HV DXV 'YRʼniNV 1HXQWHU K|UH GDQQ auch“. Recht hat sie! Und: An der Steuerspindel oder der Strahlpumpe gilt wie am Fahrstufenregler, was dem Musikinstrument zu eigen ist – man muss Bild und Hand mit dem Ton im Takt zusammenbringen.

Dass sich bei der Museumseisenbahn ein Mädchen derart faszinierte, war für „die älteren Herren“, denen mehrheitlich das klassische Rollenbild der Frau zu eigen war, neu. Längere Zeit war Insa erstmal nur in der Werkstatt tätig, was schon besonders genug war, dennoch blieb sie beharrlich. Ausgerechnet Haudegen wie Karl Hunold, machten sich für sie stark: Insa absolvierte die Heizer-Prüfung. Und selbst Gerhard Moll, der mit einer Frau auf der Lok we-

QLJDQIDQJHQNRQQWHJHÀHOHVDOVEDOGVLFK viele Schichten mit der Heizerin zu teilen. Die junge Frau bewehrte sich ebenfalls als Rangierleiterin, auch während der Semesterferien ihres mittlerweile begonnenen /HKUDPWVVWXGLXPV EHL GHU 9*+ DXI 1RUmalspur. Bald erkannte sie ihre Chance, sich nun auch auf den großen Dieseln ausbilden zu lassen, was ihr dann bei der EVB gelang: Mit Abschluss des Lehramtsstudiums (übrigens u.a. Musik) hatte sie nicht nur das erste Staatsexamen in der Tasche, sondern war auch ausgebildete Lokführerin 1( DXI9$OVVLHLQGLHVHU=HLWLKUHQ Mann kennenlernte, der bei der BSAG arbeitete, schien ihr Glück vollkommen. Ein Referendariat kam für sie nur in Bremen infrage, darauf aber musste man warten! In jener Zeit suchte die Bremen-Thedinghauser Eisenbahn nach Lokführern. Quasi als Seiteneinsteigerin, mit einem planbaren Zeitkontingent beim Warten auf einen Referendariatsplatz, kam Insa mit dem EVU

überein, wurde zur Eisenbahnerin im Betriebsdienst ausgebildet und war fortan auf der deutschlandweit bekannten „Kuh-Lok“ auch auf DB-Strecken unterwegs. Die KuhLok ging übrigens perfekt lackiert, allerdings bedingt instandgesetzt, ins Rennen. Es gehörte schon zu den besonderen Herausforderungen, die an vielen Wehwehchen leidende Lok heil in den Dienst und wieder QDFKKDXVH]XEULQJHQ,Q6DFKHQ2VW9 machte Insa seinerzeit niemand etwas vor. Zwischenzeitlich hatte sie ihr Referendariat antreten können und  VRJDU GHQ 9RUVWDQG LP 0Xseumseisenbahnverein übernommen; ihr Mann war gleichzeitig Betriebsleiter geworden. Als das Paar Kinder bekam, Insas Mann aber bald darauf schwer erkrankte, gab sie den Vorstandsposten ab. Vom späteren tragische Tod ihres Mannes ließ sie sich nicht unterkriegen; heute bildet die Lehrerin und Betriebseisenbahnerin am Technischen Bildungszentrum in Bremen junge Lokführer DXVLVWPLWWOHUZHLOH'DPSÁRNIKrerin in Bruchhausen-Vilsen, leitet einen Chor und ist nicht zuletzt alleinerziehende Mutter zweier bezaubernder Kinder. Ihre Frau stehen, in allen Lebenssituationen, auch inmitten vermeintlicher Männerwelten, das hat die sympathische Frau gelernt. Denn auch bei der Eisenbahn besetzen vielerorts vor allem Männer die Führungspositionen, bezeichnenderweise „brauchen“ wir eine Frauenquote, damit sich dies ändert. Dabei hat Eisenbahner zu sein heute vor allem mit sehr viel Wissensaneignung zu tun und gerade hier sind Frauen den Männern bekanntlich kognitiv überlegen. Aber auch Kritik an das eigene Geschlecht darf Raum haben, wenn Insa klarmacht, welche Möglichkeiten ihr verwehrt worden wären, hätte sie auch nur ein einziges Mal das gesagt, was leider immer noch oft genug zu hören ist: „Da geht nicht, ich bin ja eine Frau.“ Das Gegenteil sollte längst, spätestens aber mit dem allerRUWHQ VWDWWÀQGHQGHQ *HQHUDWLRQVZHFKVHO in der Szene, Konsens sein. Großer Mann, was nun? Die Antwort liegt auf der Hand: Die Welt der Eisenbahn ist Frau und Mann ]XJOHLFK1LFKWVZHQLJHU HENDRIK BLOEM

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BAHN Epoche · Frühjahr 1

FOTOS: HENDRIK BLOEM

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SALONWAGEN

Zum Zurücklehnen und Genießen: Lesenswertes und andere Medien-Empfehlungen von Joachim Seyferth

Die Rhein-Sieg Eisenbahn Von Wolfgang Clößner und Carsten Gussmann.  Seiten mit  Abbildungen, 1 x  cm, gebunden, ISBN ----, € ,. Erschienen im Lok Report, Berlin.

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ieses Buch ist mit einer gewissen Tragik verbunden. Lange geplant und vorbereitet konnte :ROIJDQJ&O|‰QHUGHUVHLWHLQHP 6WDUNVWURP8QIDOOLP5ROOVWXKOVD‰ XQGVLFKDQVFKOLH‰HQGWURW]RGHUJHrade wegen seiner körperlichen Behinderung als talentierter Eisenbahn)RWRJUDIXQG6FKUHLEHUSURÀOLHUWH die Vollendung und das Erscheinen dieses Werkes nicht mehr erleben. Anlässlich eines vergleichsweise ÅKDUPORVHQ´.UDQNHQKDXVDXIHQWKDOWHVLVWHULP0lU]SO|W]OLFK und unerwartet vor uns gegangen. Von Anfang an als Mitautor tätig, vollendete Carsten Gussmann in den nächsten Jahren die Arbeiten an diesem Buch, das wohl zu einem Standardwerk zu deutschen Schmalspurbahnen im Allgemeinen und zur 5KHLQ6LHJ(LVHQEDKQLP6SH]LHOOHQ avancieren wird. 'LH%U|OWKDOHU(LVHQEDKQ  als Pferdebahn eröffnet und seit  DOV 5KHLQ6LHJ (LVHQEDKQ ÀUPLHUHQG  YHUEDQG PLW HLQHU

6SXUZHLWH YRQ  PP XQG HLQHP  .LORPHWHU langen Streckennetz die aufstrebenden IndustULH]HQWUHQ LP VGOLFKHQ 5KHLQODQGPLWGHPOlQGlich geprägten nördlichen Westerwald – von BonnBeuel bis Waldbröl, von Hennef bis $VEDFKXQGYRQ6LHJEXUJELV5RVWLQJHQ%HUHLWVZXUGHGHU/Rkomotivbetrieb aufgenommen, der Mut zu Neuerungen und zahlreiche Innovationen auf der schmalen Spur lockten Eisenbahn-Ingenieure aus ganz Europa an. Auch wenn der Bahnbetrieb bereits im Jahre  HLQJHVWHOOW ZXUGH LVW VHLQ 9HUGLHQVWXQGVHLQH%HGHXWXQJIU GLH 5HJLRQ ELV KHXWH XQYHUJHVVHQ und wird durch ein von Wolfgang &O|‰QHU LQLWLLHUWHV (LVHQEDKQPXseum in Asbach wachgehalten. In allererster Linie besticht dieVHV%XFKGXUFKVHLQH)OOHDQ]Xsammengetragenem und ausgewertetem Material und lässt sowohl die MDKU]HKQWHODQJH 5HFKHUFKH XQG )OHL‰DUEHLW GHU $XWRUHQ DOV DXFK die Liebe zu dieser schmalspuriJHQ ,QVWLWXWLRQ ]ZLVFKHQ 5KHLQ und Westerwald erahnen. Allein GLH)RWRV*OHLVSOlQH

Fahrzeug- und GebäuGH]HLFKQXQJHQ VRZLH  Faksimiles zu Fahrplänen und anderen Dokumenten erhellen das Bild der 5KHLQ6LHJ (LVHQEDKQ aufs Neue, beantworten nicht nur bisher nicht gelöste, sondern sogar nicht gestellte Fragen und bieWHQGDUEHUKLQDXVDXFKMHGH0HQJH 6WRII XQG 9RUODJHQ IU 1DFKEDXWHQLQQRFKNOHLQHUHP0D‰VWDE Die Hauptkapitel sind in die Themen Strecken, Betrieb, Fahrzeuge und Museum gegliedert, alOHV ZLUG EHUVLFKWOLFK GDUJHERWHQ Druck sowie Verarbeitung sind H[]HOOHQWXQGHLQHJUR‰H6WUHFNHQkarte im vorderen Vorsatz des BuFKHV ELHWHW DXFK LQ JHRJUDÀVFKHU Hinsicht optimale Orientierung. )U DOOH (LVHQEDKQKLVWRULNHU +HLmatforscher und weitere Freunde GHU 5KHLQ6LHJ (LVHQEDKQ PXVV es eine Lust sein, mit diesem Werk GLH GHWDLOJHQDXH %LRJUDÀH HLQHU HKHPDOLJHQ ,QVWLWXWLRQ LP 5KHLQland nachzuerleben. Und nicht ganz nebenbei stellt es schon jetzt neben dem Museum in Asbach ein ZHLWHUHV 'HQNPDO IU GLHVH %DKQ XQG LKUHQ XQHUPGOLFKHQ XQG XQvergessenen Wegbegleiter WolfJDQJ&O|‰QHUGDU

Buch/Regionale Eisenbahngeschichte Fritz Schellak: Eisenbahnknotenpunkt Simmern Verlag Verbandsgemeinde Simmern (Hunsrück), 1.  S.,  Abb., 1 x  cm, gebunden, ISBN: --1--. € ,. Buch/Regionale Verkehrsgeschichte Thomas Naumann, Ferdinand von Rüden: Verkehrsknoten Würzburg EK-Verlag, Freiburg, 1. 11 Seiten, 1 Abb.,  x 1 cm, gebunden, ISBN: ----. € ,. Broschüre/Lokomotivgeschichte Werner Schleritzko, August Zopf: SKGLB  – Borsig 1/1 Eine Lokomotive kehrt heim. Railway Media Group, Wien, 1.  Seiten,  Abbildungen, 1 x  cm, Klebebindung. ISBN: ---1-. € 1,.

Dienstfahrpläne deutscher Eisenbahnen 1 bis 1 Von Andreas Rasemann. 1 Seiten mit 1 Abbildungen,  x  cm, gebunden, ISBN ---1-, € ,. Erschienen im Klartext Verlag, Essen und der Verlagsgruppe Bahn, Fürstenfeldbruck.

F

ahrpläne sind wie Eisberge. Mit Aushang- und Taschenfahrplänen sowie den (verÁRVVHQHQ .XUVEFKHUQUDJHQQXU ein Siebtel in die Öffentlichkeit, GHUEHUJUR‰H5HVWEHÀQGHWVLFK als interne Fahrplankonstrukte XQWHUGHU2EHUÁlFKH(VVLQGGLH Bildfahrpläne, die Buchfahrpläne, die Bahnhofsfahrordnungen, GLH /DXISOlQH IU 7ULHEIDKUzeuge, die Dienst- und BeförGHUXQJVSOlQHGLH)DKUSOlQHIU Schrankenposten und so weiter

und so weiter. Je mehr Eisenbahn, desto mehr Fahrpläne. Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts war so eine Zeit, zu der neben der Eisenbahn auch ihr )DKUSODQZHVHQEOKWH Der EisenbahnhistoriNHU$QGUHDV5DVHPDQQ hat sich dieser Epoche und diesem Thema angenommen und befördert die innerbetrieblichen 5HJHOZHUNHXQG)DKUSOlQHGHU 'HXWVFKHQ5HLFKVEDKQYRU DQGLH2EHUÁlFKH Fahrplanbeispiele aus einzelnen Direktionen mit bestimmten Zugläufen, Angaben zu Bahnhöfen und Blockstellen sowie zur Bespannung lassen die alte 6WDDWVEDKQLQ)ULHGHQXQG.ULHJ ² VHOEVWYHUVWlQGOLFK ÁDQNLHUW von erhaltenen Dokumenten und

9RUVFKULIWHQ VRZLH )RWRJUDÀHQ aus dem damaligen Betriebsalltag – lebendig werden. Dass LQGLHVHU=HLWDXFK=JHJHUDGH wegen akribisch ausgearbeiteter XQG GXUFKJHIKUWHU )DKUSOlQH ein verbrecherisches Ziel erreichten, sei in diesem Zusammenhang mehr als dahingestellt, aber das neutrale Ansinnen des Autors ist freilich, den friedlichen Bereich des FahrplanweVHQVIU$X‰HQVWHKHQGHHUOHEEDU zu machen und die Zusammenhänge von der Planung der Verkehrsabläufe bis zum tatsächlich funktionierenden Bahnbetrieb zu erläutern. Denn bis heute gilt unverändert: Jede auch noch so kurzfristig eingelegte Zugfahrt braucht einen – vor allem innerbetrieblichen – Fahrplan! Wie so etwas entsteht und erstellt wird, kann am Beispiel

der gewählten Epoche in diesem Werk explizit nachgelesen und HUIRUVFKW ZHUGHQ ² HLQVFKOLH‰lich der Unterschiede bei den damaligen Länderbahnen. Mit dem Buchfahrplan nimmt der unter Sammlern wohl beliebtesWH²ZHLOEH]JOLFK5ROOPDWHULDO XQG 6WUHFNH JOHLFKHUPD‰HQ informative – interne Fahrplan EUHLWHQ 5DXP HLQ (LQH )XQGJUXEH IU ZHLWHUH 'HWDLOLQIRUPDWLRQHQ VLQG QDWUOLFK GLH zahlreichen und historischen Faksimiles interner Unterlagen. Des Autors Werk könnte mit GLHVHU 5HFKHUFKH XQG9HUPLWWlungsleistung durchaus als verdienstvolle Doktorarbeit durchgehen. Und ganz nebenbei hat $QGUHDV5DVHPDQQGHQ(LVEHUJ des geheimnisvollen FahrplanZHVHQVDXIGHQ.RSIJHGUHKW² DXFKIU'ULWWH

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BAHN Epoche · Frühjahr 1

NEULICH . . .

Christian Eilers kommt viel herum – und erzählt uns, wer ihm begegnet oder was ihm widerfährt

Neulich . . . kam ein Teil von ihr zu mir

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OVRVRJDQ]VWLPPWGDVQDWUOLFKQLFKW Es kam nicht direkt zu mir, sondern nur ganz in meine Nähe. Aber selbst das ist schon ungewöhnlich und damit bemerkenswert genug, denn in meine Heimat Hamburg XQGGHQQRUGGHXWVFKHQ5DXPKDWVLFKQDFK GHPXQUKPOLFKHQ(QGHGHU)DKUWHQPLWGHQ '%0XVHXPV/RNRPRWLYHQXQG QXUQRFKLQZHQLJHQ(LQ]HOIlOOHQ HLQH'DPSÁRNÅYHULUUW´ Voller Neid blickt man da in andere 5HJLRQHQ GHU 5HSXEOLN ZR QDKH]X UHJHOPl‰LJ 6RQGHU]JH PLW 'DPSÁRNV GDV Interesse und die Begeisterung der Eisenbahnfreunde wecken, zumal dort auch

durchaus nennenswerte Leistungen durch die Maschinen erbracht werden. Und so war es schon eine kleine Sensation, als immerhin ein - zudem nicht ganz XQZLFKWLJHV 7HLO HLQHU JUR‰HQ 'DPSÁRkomotive wenigstens in meine Nähe kam. (VKDQGHOWHVLFKGDEHLXPGLH.URSIDFKVH der in betriebsfähiger Aufarbeitung beÀQGOLFKHQ   1DFK NRQVWUXNWLYHQ Gesprächen konnte die weltweit agierende Firma Metalock GmbH in Norderstedt daIUJHZRQQHQZHUGHQLQHLQHUHLQPDOLJHQ Aktion den „Treibkurbelschenkel“ (welch HLQ:RUW GLHVHU$FKVHDXIGHQGLH7UHLEstange des Mittelzylinders wirkt, entspre-

FKHQG GHU 9RUJDEHQ GHU '9  7HLOKHIW $QODJHDXIGDVULFKWLJH0D‰DE]XGUHKHQ 6WDQGHVJHPl‰ ZXUGH GDIU GLH FD  7RQQHQ VFKZHUH $FKVH DXV .UHIHOG wo sich die gesamte Maschine derzeit bei GHU )LUPD (:. *PE+ ]XU$XIDUEHLWXQJ EHÀQGHW $QIDQJ 2NWREHU  PLW HLQHU historischen MAN F7 Sattelzugmaschine XQG]XJHK|ULJHP7LHÁDGHUDXÁLHJHULQGLH Werkshalle der Firma gebracht und dort abgeladen. Erste Messungen ergaben sofort, dass dieser Schenkel nicht mehr rund, sondern eher elliptisch ist, aber noch geQJHQGÅ)OHLVFK´KDWXPEHLP$EGUHKHQ QLFKWGDV0LQGHVW*UHQ]PD‰YRQPP zu unterschreiten. Also wurde die Achse auf einer ebenerdiJHQ$UEHLWVÁlFKH IHVWJHVHW]W XQG GLH$NWLRQ begann. Über einen kleinen Motor wurde mitWHOVHLQHU.HWWHHLQHLJHQVNRQVWUXLHUWHU.RUE in eine Drehbewegung um eben diesen SchenNHODQJHWULHEHQ8QGLQGLHVHP.RUEZDUGHU 'UHKPHL‰HOHLQJHVHW]WGHUGHQ6FKHQNHOXQter dauerhafter Einölung mit absoluter GenauLJNHLWDXIHLQ0D‰YRQPPDEJHVSDQW hat. Das war einfach eine hervorragende und beeindruckende Arbeit. Mittlerweile sind Achse und LokomotiYH ZLHGHU JHPHLQVDP LQ .UHIHOG XQG GLH Arbeiten gehen mit Hochdruck weiter. Denn eines ist ganz klar: ohne eine beWULHEVIlKLJH0DVFKLQHGHU%DXUHLKHÖl IHKOW XQV 'DPSÁRN)UHXQGHQ LQ XQVHUHP /DQG HWZDV :HU GDV *OFN KDWWH GLHVH %DXUHLKHQRFKLPSODQPl‰LJHQ(LQVDW]DXI GHU5ROOEDKQ +DPEXUJ²2VQDEUFN GHU 0DUVFKEDKQ +DPEXUJ²:HVWHUODQG RGHU GHU(PVEDKQ 0QVWHU²1RUGGHLFK HUOHEW ]XKDEHQZHL‰ZRYRQLFKUHGH'DV=LHO der Mannschaft, sie unbedingt wieder im Originalzustand der letzten Betriebsjahre auf die Schiene zu bringen, ist dabei beVRQGHUV]XZUGLJHQ Und deswegen möchte ich nochmals alle Leser bitten (siehe auch BAHNEpoche   GDUEHU QDFK]XGHQNHQ RE 6LH QLFKW PLW HLQHP ÀQDQ]LHOOHQ %HLWUDJ GLHVHV JUR‰DUWLJH3URMHNWXQWHUVWW]HQN|QQHQ'LH/RN XQG GLH XQHUPGOLFKH 7UXSSH XP VLH KHrum hätten es wahrlich verdient, dass es P|JOLFKVW EDOG KHL‰W   KDW LKUH Betriebszulassung erhalten! Informieren Sie sich einfach auf der Internetseite www. faszination-dampf.de oder verwenden Sie die IBAN des Faszination Dampf e.V. '(      PLW GHP 6WLFKZRUW,FKGUFN¶GHQ-XQJVGLH 'DXPHQ XQGQDWUOLFKDXFKGHQ]XJHK|ULJHQ'DPHQ  CHRISTIAN EILERS

www.hobbymagazines.org FOTO: CHRISTIAN EILERS

Frühjahr 1 · BAHN Epoche



VORSCHAU

IMPRESSUM

BAHNEpoche Geschichte, Kultur und Fotografie

Schranken bald für immer geschlossen

Adieu, Bahnübergänge! Vor  Jahren: Schmalspurig

durch Bosniens Wälder

Rot-China fragt nach gebrauchten  und  der Bundesbahn! Vor  Jahren:

Karl-Otto Petersens Karriereweg (II)

Wiederaufbau eines kriegszerstörten Ausbesserungswerkes für Reisezugwagen

Halberstadt-Blankenburger-Eisenbahn

Plan „D Harzbahn“, Tag III auf Zahnradlok KYBITZ

BAHNEpoche

der klassischen Eisenbahn

Erscheint in der VGB Verlagsgruppe Bahn GmbH Am Fohlenhof a, D- Fürstenfeldbruck Tel.: 1 1 /  1 , Fax: 1 1 /  1- E-Mail: [email protected] Internet: www.bahnepoche.de ISSN 1 - 1 Herausgeber: Robin Garn Autoren: Siegfried Wanner, Armin Schmolinske, Joachim Seyferth, Ekkehard Martin, Andreas Knipping, Wilfried Kohlmeier, Heribert Schröpfer, Thomas Naumann, Lutz Jordan, Ingo Hütter, Jürgen Munzar, Hendrik Bloem, Fritz Wolff, Wolfgang Matussek, Christian Eilers Korrektor: Eva Littek Wir bedanken uns bei: Birgit Garn, Kati Schmidt, Jan Methling, Matthias Kley, Uwe Jachmann, Ingo Neidhardt, Dirk Bahnsen, Peter Jauch, Peter Lindemann, Manfred Schulz, Peter Petersen, Reimer Wolff, Sandor Nicklich, Ferdinand von Rüden

Unsere nächste Ausgabe – BE  (Sommer 1) – erscheint am Mittwoch, den . Juni 1

Redaktionssekretariat: Claudia Klausnitzer (Durchwahl -) VGB Verlagsgruppe Bahn GmbH Am Fohlenhof a, D- Fürstenfeldbruck Tel.: 1 1 /  1 , Fax: 1 1 /  1-1 Geschäftsführung: Ernst Rebelein, Horst Wehner Verlagsleitung: Thomas Hilge Anzeigenleitung: Bettina Wilgermein (Durchwahl -1) Vertriebsleitung: Elisabeth Menhofer (Durchwahl -11) Vertrieb und Auftragsannahme: Petra Schwarzendorfer (Durchwahl -1), Ingrid Haider (Durchwahl -1), Angelika Höfer (Durchwahl -1), Sandra Corvin (Durchwahl -1). E-Mail: [email protected] Außendienst, Messen: Christoph Kirchner, Ulrich Paul Marketing: Thomas Schaller (Durchwahl -11), Karlheinz Werner (Durchwahl -1) Vertrieb Pressegrosso und Bahnhofsbuchhandel: MZV GmbH & Co KG, Postfach 1 ,  Unterschleißheim Tel.  / 1 -, Fax  / 1 -11 Erscheinungsweise und Bezug: Vierteljährlich eine Ausgabe à € 1,- (D), € 1, (A), SFr 1, (CH). Jahresabonnement über  Ausgaben € ,- (D), SFr ,- (CH), € ,- (übriges Ausland). Abopreise sind inkl. Porto und Verpackung. Bezugsbedingungen für Abonnenten: Rechnungsstellung immer nur für den Bezug eines Kalenderjahres. Schriftliche Kündigung spätestens acht Wochen vor Ablauf des Abonnements, ansonsten erfolgt automatische Verlängerung für ein weiteres Bezugsjahr. Ausnahme: Von vorneherein befristet bestellte Abonnements laufen zu dem gewünschten Termin ohne weitere Benachrichtigung aus. Aboservice: FUNKE direkt GmbH, Postfach 1 1,  Düsseldorf Tel. 11 /  -, E-Mail: [email protected] Druck: Vogel Druck und Medienservice GmbH Leibnizstraße ,  Höchberg Copyright: Nachdruck, Reproduktion oder sonstige Vervielfältigung – auch auszugsweise und mithilfe elektronischer Datenträger – nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Verlages. Höhere Gewalt entbindet den Verlag von der Lieferpflicht. Ersatzansprüche können nicht anerkannt werden. Namentlich gekennzeichnete Artikel geben die Meinung des Verfassers und nicht unbedingt die der Redaktion wieder. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und für unbeschriftete Fotos, Dias und Datenträger übernimmt der Verlag keine Haftung. Bei Einsendung von Fotos und Zeichnungen erklärt sich der Absender mit der Veröffentlichung einverstanden und stellt den Verlag von Ansprüchen Dritter frei. Die Honorierung erfolgt nach den Sätzen des Verlages. Thematische Anfragen können in der Regel nicht individuell beantwortet werden; bei Allgemeininteresse erfolgt ggf. redaktionelle Behandlung oder Abdruck als Leserbrief. Eine Anzeigenablehnung behalten wir uns vor. Zurzeit gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom 1.11.11. Gerichtsstand: Fürstenfeldbruck. Die Abgeltung von Urheberrechten oder sonstigen Ansprüchen Dritter obliegt dem Einsender. Das bezahlte Honorar schließt eine künftige Wiederholung und anderweitige Verwendung ein, auch in digitalen On- bzw. Offline-Produkten und in Lizenzausgaben. © BahnEpoche 1, VGB Verlagsgruppe Bahn GmbH

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BAHN Epoche · Frühjahr 1

FOTOS: ANDREAS RITZ, R. HOLZINGER, SAMMLUNG (UND MONTAGE) GARN, SLG. FAMILIE PETERSEN, SLG. HINZE/FDE

Großer Himmel über Großpolen. Wir notieren das Datum: 1. Februar 1. Da fährt er ab, der Mittagszug  aus Leszno, passiert am Haltepunkt Nowy Widzim das preußische Bahnhaus von 1, und zeigt dem Wettergott, dass er hernieden durchaus auch etwas von Wolkenbildung versteht. Nächster Halt ist Wolsztyn. Die rund  Kilometer östlich von Berlin gelegene Kreisstadt ist nicht nur Heimat der großen polnischen Dampflok Pt -, sondern seit Mai 1 weltweit alleiniger Dreh- und Angelpunkt eines regulären Personenzugbetriebes mit Stahlrössern auf Normalspur. Zu Jahresbeginn verkehren montags bis freitags zwei Zugpaare. Macht  km Dampf die Woche. Hin und wieder wird ein Triebwagen schadhaft. Dann springt die betriebsfähige Dampflok ein und fährt ein drittes Paar. So unspektakulär und doch so großartig kann es sein. Näheres unter www.parowozy.com.pl/newsd.htm ROBIN GARN

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BAHN Epoche 26, 2018 Frühjahr - Bahnsteigleben!

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